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Karl-Otto Sattler
Müller will Geldspritze vom Bund -
Betteltour mit Drohgebärden
Das Saarland steht weiter vor großen
Finanznöten
Der nicht gerade anheimelnd wirkende Amtssitz Hans Eichels steht
bei Saarländern als Besuchsziel neuerdings hoch im Kurs.
Gleich zweimal haben sich Gesandtschaften aus dem fernen Winkel im
Südwesten beim Bundesfinanzminister zu einer Visite angesagt.
Am 19. April schaut SPD-Oppositionsführer Heiko Maas beim
obersten Kassenwart der Republik vorbei. Und am 25. April kreuzen
CDU-Regierungschef Peter Müller und sein Finanzminister Peter
Jacoby mit einer gesamtsaarländischen Delegation auf, mit
dabei sind Vertreter von SPD, Grünen, FDP sowie Gewerkschafter
und Unternehmer. Freilich steht den Gästen nicht der Sinn nach
nettem Geplauder bei Kaffee und Kuchen: Sie wollen angesichts der
katastrophalen Finanzlage ihres Bundeslandes Geld locker machen und
ein "Saar-Memorandum" mit Projekten für Subventionen aus
Eichels Topf präsentieren - in dem freilich Ebbe herrscht.
Im Vorfeld der Pilgerfahrten an die Spree wird bereits mit
harten Bandagen gefochten. Müller droht schon mal offen: "Wenn
der Bund stur bleibt, gehen wir nach Karlsruhe vor das
Bundesverfassungsgericht." Eichel wiederum greift neben den Bremer
und Berliner Landesregierungen auch das Saarbrücker Kabinett
an: Wenn man dort die Finanzpolitik nicht in den Griff bekomme,
"wird natürlich die Frage nach der Existenzberechtigung eines
Landes gestellt". Damit trifft Kanzler Gerhard Schröders
Minister den Nerv aller Nerven an der Saar, wo doch in diesem
Sprengel die Wahrung der Selbständigkeit die heiligste aller
heiligen Kühe ist.
Die Stimmung darf also als angespannt gelten. Die
Bundesregierung bestreitet eine Haushaltsnotlage im Saarland, auf
die aber Müller und Jacoby beim Clinch mit Berlin pochen.
Jacoby verkündet sogar, Saarbrücken habe einen Anspruch
auf Unterstützung aus Eichels Kasse.
Die Zahlen muten ohne Zweifel düster an. Der Etat 2005 mit
einem Volumen von 3,3 Milliarden Euro wird trotz rigider
Einsparungen, die wegen der Schließung fast eines Drittels der
Grundschulen zu Massenprotesten gegen die CDU-Regierung
geführt haben, nur über neue Schulden in Höhe von
800 Millionen Euro ausgeglichen - jeder vierte Euro des Haushalts
wird über frische Kredite finanziert. Die ganze dramatische
Wahrheit beleuchtet indes eine andere Ziffer: Die Gesamtschulden
belaufen sich auf 7,5 Milliarden Euro - und dies, obwohl zwischen
1995 und 2004 eine vom Bund gesponserte Teilentschuldung 6,6
Milliarden Euro nach Saarbrücken gespült hat. Bis Ende
2008 dürfte das Land sogar mit zehn Milliarden Euro in der
Kreide stehen.
Nun fragen natürlich Eichel und jene Bundesländer, die
in den Finanzausgleich einzahlen, wieso die Saar am Ende der
immensen Teilentschuldung im gleichen Umfang in die Miesen
gerutscht ist wie zu deren Beginn. Müller und Jacoby
argumentieren, sie hätten sparsamer gewirtschaftet als andere
Länder, man habe die niedrigste Wachstumsrate aller Haushalte.
Die mit der Teilentschuldung verbundenen Auflagen "haben wir weit
übererfüllt", so der Ministerpräsident. Als
Hauptproblem führen Müller und Jacoby den drastischen
Verfall der Steuereinnahmen und die allgemeine wirtschaftliche
Wachstumsschwäche ins Feld.
Nun kann auch aus Sicht von SPD, Grünen und FDP das Land
nicht ohne Geldspritzen von außen über die Runden kommen.
Seit Wochen diskutieren alle Seiten über Projekte, die vom
Bund unterstützt werden könnten. Die "Saarländische
Gemeinschaftsinitiative", in deren Rahmen sämtliche Parteien
sowie Gewerkschaften, Wirtschaft und Kirchen zusammenkommen,
verständigte sich nach einigem Hin und Her auf eine Liste mit
Vorhaben für Verkehr, Forschung und Bildung zur
Mitfinanzierung durch Eichel. Peter Müller schwebt eine
weitere Teilentschuldung oder bei Infrastruktur-Investitionen eine
Kostenübernahme durch den Bund vor. Auch könne Berlin
Sonderlasten ausgleichen, etwa Steuerabflüsse nach Frankreich,
die durch Tausende von Berufspendlern aus Lothringen verursacht
werden.
Klage in Karlsruhe?
Oppositionsführer Heiko Maas steuerte das Konzept einer
"Sonderwirtschaftszone Saarland" bei: Eichel soll für einige
Jahre auf seinen Anteil bei den Unternehmenssteuern verzichten, und
diese Gelder sollen dann in die Förderung der regionalen
Wirtschaftskraft fließen - etwa in ein modernes
Kohlekraftwerk, in den Ausbau der Universität, in die
Saarbrücker Stadtumgestaltung oder in bessere
Bahnverbindungen.
So einig man parteiübergreifend im Willen ist, in Berlin
Hilfen locker zu machen, so bleibt doch Streit nicht aus. Maas
kritisiert, das CDU-Kabinett habe durch Misswirtschaft die
Etatmisere mitverursacht und bei der Stärkung des
Wirtschaftsstandorts versagt. Auch hätten Müller und
Jacoby keine finanzielle Vorsorge für das Auslaufen der
Teilentschuldung getroffen. Der SPD-Politiker und der grüne
Fraktionsvorsitzende Hubert Ulrich werfen dem Kabinett zudem eine
Blockadepolitik im Bundesrat vor, womit das Nein der Union zu
Subventionskürzungen wie etwa die Ablehnung der Abschaffung
der Eigenheimzulage gemeint ist. Maas betont vor allem eines: Eine
Verständigung mit Eichel sei nur möglich, wenn das
Saarland bereit sei, "bei der Stabilisierung der Einnahme-Basis auf
Bundesebene im Bundesrat eine positive Rolle zu spielen". Von einer
Politik des Wohlverhaltens in der Länderkammer wollen
Müller und die Saar-CDU jedoch nichts wissen.
Müllers letzter Trumpf beim Versuch, Hilfen aus Berlin zu
ergattern, ist der Gang nach Karlsruhe. Da gibt es ein Vorbild: Mit
einer Klage vor dem Verfassungsgericht setzte seinerzeit ein
gewisser Oskar Lafontaine die milliardenschwere Teilentschuldung
der Jahre 1995 bis 2004 durch. Allerdings sind für
Saarbrücken die Umstände dieses Mal wesentlich
ungünstiger. Man hat ja schon einmal von einer massiven
Finanzspritze profitiert. Und unter flauen Steuereinnahmen leidet
nicht nur die Saar, von diesem Schwund sind alle Bundesländer
und auch Hans Eichel betroffen. Einem nackten Mann kann man
schlecht in die Tasche greifen - auch nicht vor Justitias
Schranken.
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