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Claudia Heine
Das Olympia-Opfer
Damals ... vor 25 Jahren am 23. April: Der
Bundestag empfiehlt dem NOK den Olympiaboykott für
Moskau
Die Situation hatte sich 1980 so zugespitzt, dass die
amerikanische Regierung Sportlern sogar mit dem Entzug ihres Passes
drohte, sollten sie sich einem Boykott der Olympischen Spiele in
Moskau ernsthaft verweigern wollen. Trotz heftiger Proteste
fügte sich das Nationale Olympische Komitee der USA
schließlich dem politischen Druck der Regierung Jimmy Carters.
Als Reaktion auf den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan im
Dezember 1979 forderte Carter diesen Boykott nicht nur von den
Amerikanern, sondern auch von den Verbündeten. In einem Land,
das sich im Krieg befinde, dürften Olympische Spiele, dem
Geist des Friedens und der Völkerverständigung
verschrieben, nicht stattfinden, hieß es in Washington.
Vergeblich hatten vor allem die USA eine Verlegung, Verschiebung
oder einen völligen Ausfall der Spiele gefordert. Doch das
Internationale Olympische Komitee blieb konsequent und empfahl sich
damit in den Augen der Supermacht wieder einmal nicht:
Regelmäßig hatten die Vereinigten Staaten in den
vergangenen Jahrzehnten den Ausschluss der Sowjetunion von
Olympischen Spielen beantragt, regelmäßig vergebens.
Vehement hatten sie sich erst recht gegen einen Austragungsort wie
Moskau ausgesprochen, das sich 1976 dem kanadischen Montreal
geschlagen geben musste. Der zweite Versuch der Bewerbung klappte
jedoch.
Schon 1956 hatte das IOC vor dem Hintergrund der Niederschlagung
des Ungarn-Aufstandes eine Grundsatzentscheidung über Olympia
und Politik getroffen: "Falls in dieser unvollkommenen Welt die
Teilnahme an Sportveranstaltungen jedes Mal verhindert wird, wenn
Politiker die Gesetze der Menschlichkeit verletzen, dann wird es
bald nur noch ganz wenige internationale Wettkämpfe
geben."
Auch die Bundesrepublik musste im Frühjahr 1980 reagieren.
Nachdem das Kabinett unter Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) einen
Beschluss zum Olympiaboykott gefasst hatte, war das Parlament an
der Reihe, über eine entsprechende Empfehlung an das deutsche
NOK mit seiner Mehrheit zu entscheiden. So geschah es auch: Mit 446
Ja-Stimmen, nur acht Nein-Stimmen und neun Enthaltungen
unterstützte es den Antrag der Bundesregierung.
Kontrovers verlief die Debatte nicht, da die hauptsächliche
Begründung für die Entscheidung in dem Bekenntnis der
Solidarität mit den USA lag. Und die stellte kein Politiker
der im Bundestag vertretenen Parteien in Frage. Immer wieder
betonte Kanzler Schmidt in seiner Rede jedoch, wie schwer sich die
Regierung mit einer solchen Entscheidung getan hätte: "Aber
Olympische Spiele können nicht isoliert vom Weltgeschehen
betrachtet werden", so Schmidt. Deshalb könne sich auch
niemand dem Eindruck der Vorgänge in Afganistan entziehen,
"auch die Sportler nicht". Unter Berufung auf die Idee der
Olympischen Spiele, ein Ort des friedlichen Wettkampfs im Sinne der
Völkerverständigung zu sein, verteidigte er die
Entscheidung: "In der gegenwärtigen internationalen Lage
müsste eine Teilnahme unserer Sportler in Moskau als Abkehr
von diesen Prinzipien verstanden werden", betonte Schmidt. In den
Ohren der Sportler konnte das nicht wie eine Empfehlung klingen.
Wer wollte sich schon nachsagen lassen, die olympische Idee zu
missachten.
64 Nationen blieben den Moskauer Spielen schließlich fern,
so dass am 19. Juli 1980 nur 81 Mannschaften in das Leninstadion
einmarschierten. Unter ihnen waren aber auch Verbündete der
USA wie Großbritannien und Frankreich. Deren Regierungen
hatten ihren Sportlern die Entscheidung für oder gegen einen
Boykott überlassen. Vier Jahre später reihten sich die
Sommerspiele von Los Angeles mit dem Boykott fast aller
Ostblock-Staaten in den Reigen der von politischen Entwicklungen
dominierten Olympischen Spiele ein: 1936 hatten die
Nationalsozialisten Olympia für ihre Zwecke
instrumentalisiert; 1968 wurden die Spiele in Mexiko von einem
Blutbad der Regierung gegen demonstrierende Studenten
überlagert, während außerdem zwei us-amerikanische
Sportler aus ihrer Mannschaft ausgeschlossen wurden, weil sie
während der Siegerehrung mit dem Gruß der
Black-Power-Bewegung demonstrierten; 1972 überschattete ein
palästinensischer Terroranschlag auf die israelische
Mannschaft die Spiele in München; 1978 boykottierten alle
afrikanischen Staaten wegen der Zulassung Neuseelands, dessen
Rugby-Nationalmannschaft Länderspiele gegen Südafrika
durchführte, die Olympischen Spiele von Montreal. Olympia und
Politik gehörten stets, auch wenn es den Grundsätzen des
IOC widerspricht, zusammen.
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