Robert Luchs
Massiver Kampf gegen Christen
Nach Folter in vietnamesischer Haft
Die vietnamesischen Behörden verstärken seit geraumer
Zeit ihren repressiven Kurs gegen Religionsgemeinschaften im Land.
Das Berufungsgericht von Ho Chi Minh Stadt (früher Saigon) hat
jetzt die Haftstrafen gegen Pfarrer Nguyen Hong Quang (drei Jahre)
und Vikar Pham Ngoc Thach (zwei Jahre) bestätigt. Der
vietnamesische Pastor Quang hatte im März 2004 Anzeige gegen
zwei Personen erstattet, die durch das Observieren sowie durch
Misshandlungen und Entführung von Christen aufgefallen waren.
Nach daraufhin einsetzendem tagelangem Terror durch die
Behörden wurde Quang festgenommen und im November vergangenen
Jahres wegen "Widerstandes gegen die Staatsgewalt" zu drei Jahren
verurteilt. Der Vikar Thach erhielt im selben Prozess zwei Jahre
Gefängnis. Die Lehrerin Le Thi Hong Lien war zu insgesamt
zwölf Monaten Haft verurteilt worden.
Die in Frankfurt ansässige Internationale Gesellschaft
für Menschenrechte (IGFM), die auf die Vorgänge
aufmerksam gemacht hat, hält die aus religiösen
Gründen inhaftierten Mennoniten für unschuldig. Die
Organisation appellierte an die vietnamesische Regierung, die
Geistlichen sofort und bedingungslos freizulassen.
Gebet vor Gerichtsgebäude
Der Prozess gegen die Mennoniten stieß auf große
Beachtung. Über 200 Gläubige waren dem Aufruf der
Mennonitischen Kirche gefolgt und hatten sich zum Gebet vor dem
Gerichtsgebäude in Ho Chi Minh Stadt eingefunden. Rund 100
christliche Montagnards, zahlreiche Pastoren der Evangelischen
Vereinigung Vietnams und katholische Gläubige zeigten ihre
Solidarität mit den Angeklagten. Den Eingang zum
Gerichtsgebäude hatte ein massives Polizeiaufgebot völlig
abgesperrt. Die Berufungsverhandlung fand unter Ausschluss der
Öffentlichkeit statt. Selbst die Ehefrau von Pastor Quang und
der Vater des Vikars konnten erst nach energischer Intervention des
Verteidigers Dai das Gericht betreten. Sowohl die Angeklagten wie
auch die Angehörigen wurden zuvor nicht über den
Prozesstermin informiert. Der Verteidiger erhielt erst eine Woche
vor dem Termin seine Prozesszulassung. Einem zweiten Anwalt, der
die Mennoniten in erster Instanz vertreten hatte, wurde indessen
die Zulassung verweigert.
Nach Informationen der IGFM terrorisieren die vietnamesischen
Behörden seit Wochen die Christen um Pastor Quang. Seine Frau
wurde mehrmals zur Polizei zitiert. Ihr wurde das Ultimatum
gestellt, spätestens bis zum Vortag des Prozesses das
Mennoniten-Büro in ihrem Haus zu entfernen. Mehrere Pfarrer
der Evangelischen Vereinigung Vietnams, eines Zusammenschlusses von
rund 50 Hauskirchen, wurden vor dem Prozesstag mehrere Male aus
fadenscheinigen Gründen zur Polizei vorgeladen. Die
Hauskirchen sehen sich in den vergangenen Jahren zunehmender
Verfolgung ausgesetzt. Sie widersetzen sich dem Anschluss an den
amtlich registrierten "Bund der evangelischen Kirchen Vietnams"
(Südvietnam) und wollen sich damit - aus amtlicher Sicht - der
staatlichen Kontrolle und Beeinflussung entziehen.
Schwere Misshandlungen
Besonders übel ist dabei der Mennonitin Hong Lien
mitgespielt worden. Sie soll sich nach Verbüßung eines
Teils ihrer Haftstrafe in akuter Lebensgefahr befinden. Wie die
Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) in
diesem Zusammenhang von ihrem Vater erfahren hat, soll die Lehrerin
trotz ihres äußerst bedenklichen Zustandes vom Chi
Hoa-Gefängnis in Ho Chi Minh Stadt in das weit entfernte
Umerziehungslager Tong Le Chan verlegt worden sein. Wie der Vater
berichtete, soll Hong Lien nach schweren Misshandlungen und
Folterungen ihren Verstand verloren haben.
Die Menschenrechtsorganisation wiederholte inzwischen ihren
dringenden Appell an die vietnamesische Regierung, Frau Lien aus
humanitären Gründen und wegen nötiger medizinischer
Behandlungen freizulassen. Die Vereinigten Staaten sollten die
Freilassung der Lehrerin zu einer entscheidenden Bedingung für
die Herausnahme Vietnams aus der Liste derjenigen Länder
machen, die im Bereich der Religionsfreiheit zur besonderen Sorge
Anlass geben ("Countries of particular concern").
"Klassen der Liebe"
Die 21-jährige Lehrerin Le Tho Hong Lien unterrichtete im
früheren Saigon mittellose Kinder und Straßenkinder, die
von den Mennoniten betreut werden. Aufgrund des von ihr
organisierten Unterrichts in so genannten "Klassen der Liebe" wurde
die Lehrerin mehrmals festgenommen und derart misshandelt, dass sie
ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen musste. Am 12. November
vergangenen Jahres schließlich wurde Frau Lien Hong in dem so
genannten "Mennoniten-Prozess" um den vietnamesischen Pastor Hong
Quang vom "Volksgericht Ho Chi Minh Stadt" wegen "Widerstands gegen
die Staatsgewalt zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden.
Augenzeugen berichteten, dass Frau Lien wegen der Misshandlungen
be-reits bei der Verhandlung weder gehen noch stehen konnte.
Der Bitte von Pastor Quang, das Gericht möge sie wegen
ihres Nervenzusammenbruchs in ärztliche Behandlung schicken,
wurde von den dafür Verantwortlichen nicht stattgegeben. Nach
Aussagen ihres Vaters ist die Leitung des Umerziehungslagers Tong
Le Chan nicht einmal über den schlimmen Zustand seiner Tochter
informiert worden. Der Vater hat deshalb die vietnamesische
Regierung in einem Schreiben aufgefordert, die Misshandlungen
seiner Tochter sofort zu beenden, sie medizinisch behandeln zu
lassen und die für die Folterungen verantwortlichen Täter
zu bestrafen.
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