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Dokumentation
Auszüge aus der Abschiedsrede von
Bundeskanzler Gerhard Schröder
Dokumentation
"(...) Das haben die Wähler und Wählerinnen am 18.
September ganz unmissverständlich gesagt: Wir wollen, dass die
SPD regieren soll. Diese Partei ist die Partei der praktischen
Vernunft. Und weil das so ist, sorgt sie dafür, dass die
notwendigen Veränderungen in unserer Gesellschaft gemacht
werden, ohne dass der soziale Zusammenhalt dieser Gesellschaft
verloren geht. (...) Gesellschaftlicher Fortschritt, so viel ist
gewiss, ist ohne soziale Gerechtigkeit nicht denkbar, sondern zum
Scheitern verurteilt. (...) Und genau in diesem Sinne hat die
soziale Gerechtigkeit in Deutschland nur wirklich eine Heimat: Bei
uns, den deutschen Sozialdemokraten.
(...) Wenn etwas gut ist für die politische Kultur in
Deutschland, dann ist es das, dass sich in diesem Land niemand
vorschreiben lässt, wen er zu wählen hat. Gelegentlich
geht das gegen uns aus, wir haben das schmerzhaft gespürt.
Ganz offensichtlich ist vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen
geworden, dass die Deutschen eine Zusammenarbeit weit über die
bisherigen Lagergrenzen erwarten, ja gewählt haben, im
wahrsten Sinne des Wortes. (...) Nur die Große Koalition
vermag vor dem Hintergrund dieses Wahlergebnisses eine stabile,
eine handlungsfähige und eine durchsetzungsstarke Regierung zu
bilden. (...)
(...) Die Große Koalition, liebe Freundinnen und Freunde,
kann Mechanismen und Fehlentwicklungen in unseren Institutionen
korrigieren, sie kann sie außer Kraft setzen, das außer
Kraft setzen, was Entscheidungen verzögert und gelegentlich
verwässert hat, Entscheidungen, die unser Land gelegentlich
blockiert und als Folge dessen auch gelähmt haben.
(...) Die politische Logik war, der Vergleich mit dem
Fußball sei mir gestattet, auf permanentes Unentschieden
gestellt. Das ist auch nicht so schlecht, weil man auch nie ganz
verliert, aber man gewinnt doch zu wenig für unser Land. Die
Große Koalition, wenn sie nur will, kann diese
parteitaktischen Blockaden, diese Verhinderungsmätzchen, das
Schwarze-Peter-Spiel, oder auch wie man es genannt hat, die
Mikado-Mentalität in der deutschen Politik, überwinden.
(...) Das wäre dann das eigentliche Signal, das davon ausgeht,
das wäre ein wirklicher Ruck, einer, der die Bezeichnung
tatsächlich verdient.
(...) Ich kann aus eigener Erfahrung nur davor warnen: Jetzt mit
Synopsen und saldierten Abschlüssen daherzukommen, ganz nach
dem Motto: Wer musste mehr, vor allem, wer musste größere
Kröten schlucken. Ich nenne eine solche Haltung unpolitisch,
ja gefährlich. Die Menschen erwarten von der Großen
Koalition Handlungsfähigkeit und Lösungen für die
gesellschaftlichen Probleme, und das setzt eben
Kompromissfähigkeit voraus. Ich bin sicher, wer in einer
solchen Koalition nicht bereit ist, sich zu bewegen, wer nicht in
der Lage ist, über die eigenen Beschlüsse und Programme
hi-naus zu denken, den werden die Wähler bei der nächsten
Gelegenheit nicht belohnen, und das ist sehr zurückhaltend
formuliert. (...) Denn diese Koalition - und das ist nicht zuletzt
das Verdienst von Franz Müntefering - trägt ganz
unverkennbar, allemal auch, vielleicht sogar in erster Linie,
sozialdemokratische Handschrift. Das ist kein Grund zur Euphorie,
aber es ist ein Ausweis von Vernunft.
(...) In einer solchen Situation kann die Große Koalition
Kräfte freisetzen, die bislang dadurch gebunden waren, dass -
geben wir es zu - beide Seiten gelegentlich zu sehr auf den eigenen
Vorteil bedacht waren. Die Reform des Föderalismus, nach
vielen vergeblichen Anläufen und Legionen von folgenlosen
Reden zum Thema, ist ein Beispiel dafür, was Volksparteien,
wenn sie es wollen, gemeinsam schaffen können.
(...) Für die große Mehrheit in unserem Volk ist ein
handlungsfähiger und ein starker Staat unentbehrlich, um
Gesellschaft zu gestalten, um Sicherheit nach innen wie nach
außen zu garantieren. Ein Staat eben, der schlank sein darf
,aber doch nicht krank, der Verantwortung übernimmt für
kollektive Lebensrisiken wie Alter, Arbeitslosigkeit oder Krankheit
(...), der dafür sorgt, dass die Stärke des Rechts sich
gegen das Recht des Stärkeren allemal durchsetzen kann.
(...)"
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