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Erik Spemann
Kein Putsch, aber scharfe Kritik
Die CSU segnet auf dem kleinen Parteitag die
Koalitionsvereinbarungen ab
Einstimmig und damit überraschend deutlich hat die
Christlich Soziale Union (CSU) auf ihrem kleinen Parteitag am 14.
November in München die Koalitionsvereinbarungen für ein
schwarz-rotes Bündnis in Berlin abgesegnet. Daneben
räumte sie ihrem Vorsitzenden Edmund Stoiber eine
Bewährungsfrist ein und bewahrte sich damit selbst vor einer
gefährlichen Zerreißprobe. Stoiber war nach seinem
Rückzieher vom Wechsel ins Bundeskabinett von der Parteibasis
und der CSU-Landtagsfraktion in noch nie da gewesener Weise
kritisiert worden.
Der CSU-Chef, auf Parteitagen sonst stürmisch
begrüßt, erlebte diesmal zunächst eisiges Schweigen
der Parteifreunde, die über seinen Zick-Zack-Kurs zwischen
München und Berlin tief verärgert waren. Und selbst, als
er sich in einer persönlichen Erklärung reumütig zu
entschuldigen versuchte, rührte sich noch keine Hand.
Wörtlich sagte Stoiber: "Es tut mir leid, dass ich mit meiner
Entscheidung unsere Partei und Sie alle hier in eine schwierige
Lage gebracht habe." Er wisse, dass die Delegierten dem Unmut der
Mitglieder und der Bürger vor Ort direkt ausgesetzt seien.
Auch die Kritik der Bevölkerung sei durchaus nachvollziehbar.
"Glauben Sie mir", rief Stoiber, "ich leide natürlich selbst
außerordentlich darunter. Ehrlich gesagt, ich leide wie ein
Hund."
Der CSU-Vorsitzende gelobte Besserung. Man könne sich
darauf verlassen, dass er alles in seiner Macht stehende tun werde,
um das Vertrauen der Bürger in die CSU wieder zu stärken.
Gleichzeitig versprach der wegen seiner Alleingänge
attackierte Stoiber den Parteimitgliedern, dass er künftig "im
intensiven Dialog" mit ihnen Bayern wieder in den Mittelpunkt
seiner politischen Arbeit rücken werde. In der Diskussion
erneuerte der Vorsitzende der Jungen Union Bayern, Manfred Weber,
gleichwohl seine Forderung nach einer "klaren inhaltlichen und
personellen Erneuerung", das bayerische Kabinett sei eines der
ältesten in Deutschland. Weber entschuldigte sich aber
für den ihm zugesprochenen Satz, dass notfalls einer den
Putsch gegen Stoiber wagen müsse.
Beifall bekam Stoiber erst, als er beim Werben um Zustimmung
für die Koalitionsvereinbarungen scharf mit
"Interessengruppen, die nur ihre eigenen Interessen sehen"
abrechnete. Dabei wetterte er gegen die "nicht akzeptable Haltung
und Art und Weise" von Konzernchefs wie bei VW, Mercedes und
Porsche - "diese entlassen Tausende von Leuten, kippen sie der
Politik vor die Tür und tun so, als hätten sie damit
nichts zu tun. Und kritisieren dann uns noch wegen der Politik, die
wir machen."
Der CSU-Vorsitzende versicherte, er werde in der Koalition "mit
aller Kraft konstruktiv mitwirken", er wolle den Erfolg der
Großen Koalition mit Angela Merkel an der Spitze. Zu diesem
Bündnis gebe es keine realistische und verantwortbare
Alternative. Nur die Große Koalition biete in schwieriger Zeit
mit ihrer breiten Mehrheit die Chance, die gewaltigen
Herausforderungen anzupacken. Gleichzeitig warnte Stoiber die
Delegierten davor, das Bündnis scheitern zu lassen, weil mit
der SPD eben manches - wie eine gesetzliche Regelung für ein
Bündnis für Arbeit oder Änderungen beim
Atom-Ausstieg - nicht zu machen sei. CSU pur gebe es halt nur in
Bayern. Kritikern der Koalitionsvereinbarungen, die Mut zu harten
und konsequenten Schnitten bei Steuersubventionen und
Sozialleistungen vermissten, hielt er entgegen, mehr an
Einschnitten - zum Beispiel massive Rentenkürzungen - seien
gesellschaftspolitisch nicht verantwortbar, wenn man nicht
tiefgreifende Auseinandersetzungen und erhebliche Eruptionen im
Land riskieren wolle.
Ebenso wie Stoiber werteten auch die designierten
CSU-Bundesminister Michael Glos (Wirtschaft) und Horst Seehofer
(Landwirtschaft) die Vereinbarungen als gute Grundlage zur
Bewältigung der anstehenden großen Herausforderungen. In
einer lebhaften Dis- kussion mit rund 25 Wortmeldungen rief kein
einziger Delegierter zu einer Ablehnung auf.
Vielmehr distanzierte sich gleich als erster der Vorsitzende der
Mittelstandsunion, Hans Michelbach, vom Bundesvorsitzenden der
Organisation, Josef Schlarmannn, der zu einem negativen Votum
aufgerufen hatte. Die Vereinbarungen bedeuteten klare
Verbesserungen für Wirtschaft und Beschäftigung, so
Michelbach. Sein Bundestagskollege Ernst Hinsken sah ein
"Erfolgspapier für unsere Partei", die Vorsitzende der
Frauen-Union, Emilia Müller (Staatssekretärin im
bayerischen Umweltministerium), eine "gute Basis für die
nächste Legislaturperiode". Ihre Vorgängerin Maria
Eichhorn sprach von einem guten Gefühl angesichts der
Vereinbarungen, bei denen auch der Vorrang für Familien
deutlich sichtbar werde.
Ebenso positiv äußerten sich Gewerkschaftler, Europa-
und Sozialpolitiker sowie Angehörige des
Wirtschaftsflügels der Partei und Kabinettsmitglieder.
Jus-tizministerin Beate Merk meinte, das Papier eröffne
für die Rechts- und Kommunalpolitik einen "Tag der Freude".
Auch Umweltminister Werner Schnappauf rief zur Freude darüber
auf, "dass wir es geschafft haben, den rot-grünen Spuk zu
beenden, der uns über alle Maßen getratzt hat", und
stellte heraus, dass beispielsweise bei Windkraft- und
Biomasse-Einsatz "unsere Handschrift deutlich im Vertrag enthalten
ist". Der oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende,
Landtagspräsident Alois Glück, mahnte, es solle jeder so
abstimmen, als würde die Zustimmung zur Koalition von ihm
allein abhängen.
CSU-Landtagsfraktionschef Joachim Herrmann sah die große
Chance, "doch ein gutes Stück unserer Programmatik in
Regierungsverantwortung umzusetzen". Auch eher kritisch gestimmte
Delegierte wie der Ehrenvorsitzende der CSU Landshut-Land, Josef
Seidl, lenkten ein. Der Delegierte empfahl Stoiber aber unter
Anspielung auf dessen unpopuläre Staatskanzlei-Berater, sich
fortan auch mit Menschen zu umgeben, die dem CSU-Motto eher
entsprechen würden - "näher am Menschen".
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