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Tom Rolff
EU sucht nach neuen Wegen
Europäischer Zuckermarkt
Noch bevor die Handelsminister der Welthandelsorganisation WTO
Mitte Dezember nach Hongkong aufbrechen, will die EU ihren
Zu-ckermarkt reformieren. Das Schiedsgericht der WTO hatte Anfang
des Jahres festgestellt, dass die Europäer 1,3 Millionen
Tonnen subventionierten Zucker mehr auf dem Weltmarkt absetzen als
ihnen nach den Regeln des Welthandels erlaubt ist. Eine Reform der
Zuckermarktordnung würde die Verhandlungsposition verbessern.
Denn die europäischen Unterhändler wollen den anderen
WTO-Mitgliedern Zugeständnisse für eine umfassende
Liberalisierung des Welthandels abringen.
Die EU-Agrarminister wollen deswegen in dieser Woche versuchen,
sich über die Grundsätze einer Zuckermarktordnung zu
verständigen, die den WTO-Regeln entspricht. Ein Vorschlag der
Kommission liegt seit Mitte des Jahres auf dem Tisch des
Ministerrates. Danach soll der Zuckerpreis vom nächsten Jahr
an schrittweise um 39 Prozent gesenkt werden. In Brüssel geht
man davon aus, dass die Produktion in den 25 EU-Mitgliedsstaaten
dadurch in den nächsten Jahren um rund ein Drittel auf
zwölf Millionen Tonnen zurückgeht. Um den
Rübenbauern die Anpassung an das neue Zuckerregime zu
erleichtern, sollen ihre Einkommensverluste zu 60 Prozent
ausgeglichen werden. Wer freiwillig ganz aus der Zuckerproduktion
aussteigt, erhält im ersten Jahr eine Prämie von 730 Euro
je Tonne.
Die Kommission will mit diesem Vorschlag die Zuckerproduktion
dort erhalten, wo sie am kostengünstigsten ist. Im Süden
und Norden der EU setzt sie darauf, dass die Bauern die
Ausstiegsprämie in Anspruch nehmen und in Zukunft etwas
anderes anbauen. Im Zentrum der Union würden die Landwirte
feste Einkommenszuschüsse erhalten, unabhängig davon, wie
viel sie produzieren.
Auswirkungen in einzelnen EU-Staaten
In den einzelnen Mitgliedsstaaten würde sich die Reform
unterschiedlich auswirken. Griechen, Italiener, Iren und
Portugiesen müssten den Anbau von Zu-ckerrüben
weitgehend, Osteuropäer und Skandinavier teilweise einstellen.
Im Zentrum der Union, in Deutschland, Frankreich, Polen, den
Beneluxstaaten und England würden die Bauern zwar weiter
Zucker-rüben anbauen, daran aber weniger verdienen. Im
Gegensatz zu den Ländern im Süden und Osten der Union, wo
der Produktionsrückgang auch die Arbeitsplätze in der
Zuckerverarbeitung bedroht, ist die Verarbeitung in Deutschland
oder Frankreich aber nicht gefährdet.
Entsprechend verlaufen die Fronten im Ministerrat. Den Ost- und
Südeuropäern geht die Preissenkung um 39 Prozent zu weit,
anderen nicht weit genug. Elf Länder sind bislang gegen den
Vorschlag der Kommission. Sie verlangen, dass die Preise weniger
gekürzt werden. Länder wie Polen, Spanien oder Italien
bestehen darauf, dass die Reform "an dem Ziel festhalten muss, in
allen Mitgliedsstaaten eine lebensfähige Zu-ckerproduktion zu
erhalten".
Würde man das zu erreichen versuchen, könnte die EU
ihre Verpflichtungen gegenüber den Entwicklungsländern
nicht einhalten. Im Wort steht die Union gegenüber den
AKP-Staaten (die armen Länder in Afrika, der Karibik und im
Pazifik), Indien und rund 50 Ländern mit besonders niedrigem
Einkommen (LDC). Die AKP-Staaten und Indien dürfen nach den
bestehenden Vereinbarungen jedes Jahr 1,3 Millionen Tonnen Zucker
zu den gleichen Preisen verkaufen wie die Erzeuger in der EU. Die
LDC-Staaten sollen ihren Zucker ab 2009 zollfrei in die Union
einführen dürfen. Blieben die Preise so hoch wie bisher,
würde der europäische Markt mit Zucker
überschwemmt.
Um ihre Verluste durch die Preissenkung in der EU auszugleichen,
will die Kommission im nächsten Jahr 40 Millionen Euro
für die AKP-Länder bereitstellen. Damit soll denen
geholfen werden, für die sich der Zuckeranbau in Zukunft nicht
mehr lohnt. Die AKP-Staaten und die Entwicklungshilfeorganisationen
halten das für unzureichend. Allein Mauritius, das 40 Prozent
des AKP-Zuckers in die EU liefert, rechnet mit Umstellungskosten
von 400 Millionen Euro. Gegenüber den EU-Bauern, für die
Ausgleichszahlungen von 6 Milliarden Euro bereitgestellt werden,
fühlen sich die Entwicklungsländer benachteiligt.
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