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Hartmut Hausmann
Zaghaftes Orange in Aserbaidschan
Nach den Parlamentswahlen regt sich Widerstand
gegen die Ergebnisse
Nun wehen sie auch in Baku, die orangefarbenen Fahnen. Drei Tage
nach den von erheblichen Betrugsvorwürfen begleiteten
Parlamentswahlen vom 6. November in Aserbaidschan protestierten
rund 20.000 Bürger mit dem gleichen Symbol, das vor fast einem
Jahr in der Ukraine zum Symbol des Übergangs zur Demokratie
wurde, gegen Wahlmanipulationen. Mit Erfolg. In drei Wahlkreisen
wurde das Ergebnis auch auf Druck der internationalen
Wahlbeobachter annulliert, und in zwölf Bezirken wird die Wahl
voraussichtlich wiederholt. Der Hinweis auf den schwierigen
Übergang von einer Sowjetrepublik zu einem demokratischen
Rechtsstaat wird international nicht länger als Entschuldigung
hingenommen.
Zu offensichtlich ist der Widerstand der regierenden Clans gegen
eine breite wirtschaftliche und sozial ausgeglichene Entwicklung
des an Erdölvorkommen reichen Landes. Bisher haben fast
ausschließlich die den Präsidenten stellende Familie
Alijew und einige wenige andere von dem Reichtum profitiert,
während die Masse der Bevölkerung außerhalb der
Hauptstadt in tiefer Armut lebt. Das könnte sich nun als
Bumerang bei der angestrebten Integration des Landes in die
europäische Staatenfamilie auswirken: Aserbaidschan droht der
Ausschluss von der Mitarbeit im Europarat.
Das aber wäre ein Novum in der Geschichte des
Straßburger Staatenbundes. Nach wiederholten, erfolglos
gebliebenen Mahnungen in den vergangenen Jahren, erklärte die
Parlamentarische Versammlung des Europarats im vergangenen Juni die
Novemberwahlen zum Prüfstein für die demokratische
Glaubwürdigkeit Aserbaidschans und damit für die weitere
Mitarbeit im Europarat. Sie forderte Regierung und Opposition auf,
sich offiziell zu Demokratie, Gewaltverzicht und Menschenrechten zu
bekennen. Im Januar 2006 soll nun, fünf Jahre nach der
Aufnahme des Landes, geprüft werden, ob die Mitarbeit von
Abgeordneten aus Aserbaidschan in Straßburg noch sinnvoll ist.
Nach Ansicht des Schweizer Berichterstatters zu Aserbaidschan,
Andreas Gross, der sich in den letzten vier Jahren 21-mal in dem
Kaukasusland aufhielt, hat es in dieser Zeit keine freien und
fairen Wahlen gegeben. Seit den von Gewalttätigkeiten
besonders stark gekennzeichneten Präsidentschaftswahlen von
2003 sei die Stabilität im Lande auf Kosten der Menschenrechte
- wie Versammlungsfreiheit, freie Meinungsäußerung und
Recht auf faire Gerichtsverfahren - aufrechterhalten worden.
Kundgebungen der Opposition waren verboten und die elektronischen
Medien standen unter staatlicher Kontrolle. Die Ermordung des
Herausgebers des Wochenmagazins "Monitor" habe ein Klima der Angst
verbreitet.
Um zu prüfen, ob die jüngste Warnung Wirkung zeigt,
entsandte der Europarat, unabhängig von der üblichen
Beobachtung der Wahlen selbst, eine fünfköpfige
Parlamentarierdelegation nach Baku, um den Wahlkampf, die
Vorbereitungen auf den Urnengang, die
Betätigungsmöglichkeiten der Medien sowie das politische
Umfeld zu überprüfen. Doch abgesehen von der
Möglichkeit der Kandidaten, sich im Vergleich zu früheren
Wahlen problemlos zu registrieren, sah die Delegation wenig Anlass
zur Zuversicht.
Da es bei früheren Wahlen zu mehrfachen Stimmabgaben von
Wahlberechtigten gekommen war, wurden aufgrund internationaler
Empfehlungen jetzt Wählerkarten herausgegeben. Doch schon im
Vorfeld erwies sich diese Maßnahme als ein Fehlschlag, da
einige Bürger gar keine Karte erhielten, andere gleich
mehrere, weil offenbar auch für Verstorbene und im Ausland
lebende Bürger Wahlberechtigungen ausgestellt wurden.
Die Straßburger Empfehlung zu Absprachen zwischen
Opposition und Regierungsparteien über die
Wahlkampfführung als vertrauensbildende Maßnahme wurde
missachtet. Die Folge davon: Seit Monaten herrscht im Land ein
aggressives, feindliches Klima, das leicht in
bürgerkriegsähnliche Ausschreitungen münden
könnte. Die Ursache dafür ist nicht zuletzt darin zu
suchen, dass Demonstrationen der drei Oppositionsparteien durch
brutale Einsätze der Sicherheitskräfte unterbunden
wurden.
Faire Wahlchancen für die Opposition waren nach Aussagen
der Beobachter zusätzlich durch die neue Gesetzgebung
erschwert, wonach in privaten Fernsehkanälen keine politischen
Diskussionsrunden stattfinden durften. Die repressive Stimmung
wurde noch durch die Weisung an die Manager von Betrieben
verstärkt, die Stimmen ihrer Mitarbeiter zugunsten der
herrschenden Clans zu sichern. Hinzu kam eine Kampagne zur
Diffamierung der Opposition; sie sei vom Ausland gesteuert, um
leichter an das Erdöl zu kommen.
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