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Daniela Weingärtner
"Entrüstung allein genügt nicht"
Berichte über heimliche
CIA-Gefängnisse in Europa sorgen für
Zündstoff
Ob die Kommission Informationen zu dem in der Presse
geäußerten Verdacht habe, in Mitgliedsstaaten und
Kandidatenländern der EU habe es heimliche
CIA-Gefängnisse oder Folterzentren gegeben, wollten die
EU-Abgeordneten vergangene Woche von Justizkommissar Franco
Frattini wissen. Dieser bekräftigte noch einmal seine Aussage
von der Vorwoche: Die EU-Kommission wisse nicht mehr, als in
einigen Zeitungen zu lesen sei. Die "Washington Post" hatte Anfang
des Monats einen entsprechenden Bericht veröffentlicht. Die
Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" hatte Polen und
Bulgarien als mögliche Standorte genannt.
Der Europarat in Straßburg hatte vorvergangene Woche
beschlossen, eine Untersuchung einzuleiten. Mehrere nationale
Regierungen gehen ebenfalls Hinweisen nach. So soll in Mailand am
17. Februar 2003 ein Imam von der CIA entführt worden sein.
Die spanischen Behörden untersuchen Berichte, nach denen der
US-Geheimdienst heimliche Gefangenentransporte mit Zwischenlandung
in Mallorca abgewickelt haben soll. Frattini sagte zu, sich
über diese Untersuchungen laufend informieren lassen zu
wollen.
Das ist den meisten Abgeordneten zu wenig. Es sei beunruhigend,
dass die Regierung Bush versuche, das Folterverbot für die CIA
außer Kraft zu setzen, so die sozialistische Abgeordnete
Martine Roure. "Welche Maßnahmen plant die Kommission, um
sicherzustellen, dass das Völkerrecht auf dem gesamten
Hoheitsgebiet der Europäischen Union eingehalten wird?",
wollte sie vom zuständigen Kommissar wissen. Die liberale
Abgeordnete Sarah Ludford meinte: "Folter war früher in
Lateinamerika ein Teil des schmutzigen Krieges. Jetzt ist es in den
USA gängige Praxis!" Die grüne Abgeordnete Helène
Flautre stellte fest, dass die EU-Kommission das Problem nun
immerhin zur Kenntnis nehme. Ihre Kollegin Kathalijne Buitenweg
ergänzte, es reiche nicht, auf Ergebnisse des Europarats zu
warten. Die Kommission müsse eigene Untersuchungen anstellen.
Sollten sich die Vorwürfe gegen ein Mitgliedsland
bestätigen, müsse der Artikel 7 des EU-Vertrages
angewendet werden. Er sieht vor, dass bestimmte Rechte eines
Mitgliedsstaates ausgesetzt werden können, wenn er gegen
grundlegende Regeln der Genfer Menschenrechtskonvention
verstößt.
Der österreichische Grüne Johannes Voggenhuber, der
die Debatte angestoßen hatte, wollte sich ebenfalls mit
Frattinis Zusagen nicht zufrieden geben. "Wir werden Sie so lange
vorladen, bis diese Angelegenheit aufgeklärt ist!" drohte er.
Inzwischen ermittle bereits die spanische, italienische und
deutsche Justiz. Es gebe Flugnummern, Zeugenaussagen von ehemaligen
Häftlingen und Überflugmeldungen der
österreichischen Militärbehörden.
Frattini reagierte sehr emotional auf die Vorwürfe. Auch er
sei empört über das, was man den amerikanischen
Behörden vorwerfe. "Entrüstung allein genügt aber
nicht, um die Verträge zu ändern." Der Kommission fehle
für eine eigene Untersuchung jede Rechtsgrundlage. Die
Verfassung, die der Kommission mehr Spielraum geben würde, sei
leider noch nicht in Kraft. Er könne die CIA zwar höflich
bitten, ihm Akteneinsicht zu gewähren. Zwingen könne er
aber niemanden. "Ich habe nicht die Befugnisse, die ein Richter
oder Staatsanwalt hat! Das gefällt mir nicht und Ihnen auch
nicht - aber das sind die Regeln!"
Die Parlamentarier sollten ihr politisches Gewicht einsetzen, um
die Position der Kommission in dieser Frage zu stärken,
forderte Frattini. Ein bulgarischer Beobachter, der ohne Rederecht
im Europaparlament sitzt, ließ durch den Sitzungsleiter seine
Stellungnahme verlesen. Die bulgarische Regierung sei sehr daran
interessiert, dass die Vorgänge aufgeklärt würden.
Sie begrüße "jede Form der Untersuchung", betonte der
bulgarische Politiker.
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