Eckhard Stengel
Späte Erinnerung an
Kriegsdienstverweigerer
Wanderausstellung über Opfer der
NS-Militärjustiz bewilligt
Jahrelang wurde um die Finanzierung gerungen - nun ist sie
endlich gesichert: Den verfolgten Wehr-machtsdeserteuren und
anderen NS-Militärjustizopfern soll erstmals eine
Wanderausstellung gewidmet werden. Womöglich wird sie
ähnliches Aufsehen erregen wie einst die Dokumentation
über die Verbrechen der Wehrmacht.
Militärrichter hatten in der Nazi-Zeit über 30.000
Deserteure, Kriegsdienstverweigerer und "Wehrkraftzersetzer" zum
Tode verurteilt. Mindestens 20.000 dieser Urteile wurden
vollstreckt. Die Ausstellung zum Gedenken an die Opfer soll nun von
der Bundesstiftung "Denkmal für die ermordeten Juden Europas"
organisiert werden, die bereits das Berliner Holocaust-Mahnmal
realisiert hat. Sie soll laut Stiftungsgesetz dazu beitragen, die
"Erinnerung an alle Opfer des Nationalsozialismus und ihre
Würdigung in geeigneter Weise sicherzustellen". Rund 400.000
Euro werden für das Projekt ge-braucht. Verteidigungsminister
Peter Struck (SPD) hatte das Geld nicht aufbringen wollen,
schließlich übernahm die parteilose
Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Finanzierung: Als eine
ihrer letzten Amtshandlungen hat sie der Stiftung kürzlich den
nötigen Bewilligungsbescheid erteilt.
Wenn die Ausstellung 2007 auf Reisen geht, wird eine alte
Forderung der Bundesvereinigung der NS-Militärjustizopfer
erfüllt. Deren Vorsitzender, der Bremer Wehrmachtsdeserteur
Ludwig Baumann (83), hatte immer wieder geklagt: "Wir sind die
einzige große Opfergruppe der NS-Verfolgung, für die es
kein offizielles Gedenken gibt."
Allerdings ist Baumann derzeit noch unzufrieden über die
konkreten Ausgestaltung. Denn die Ausstellungsvorbereitung wird von
zwei Stiftungsmitarbeitern geleitet, die nach eigenem Bekunden
keine Experten für dieses Thema sind. Dabei waren für
diese Aufgabe zunächst zwei anerkannte externe Fachleute im
Gespräch. Einer der beiden Stiftungsmitarbeiter - er
heißt zufällig ebenfalls Baumann, mit Vornamen Ulrich -
weist auf Nachfrage die Kritik seines Namensvetters zurück.
Die Stiftung werde von Ausstellungsgegnern "sicher einigen
Ärger bekommen". Deshalb müsse sie selber für das
Projekt gerade stehen und könne "das nicht nach außen
verlagern". Außerdem könnten er und sein Kollege wichtige
museumspädagogische Erfahrungen einbringen. Der externe
Sachverstand, so der Historiker Baumann weiter, werde aber
keineswegs zu kurz kommen, schließlich werde die Stiftung auch
Experten zu Rate ziehen, unter anderem den Militärhistoriker
Manfred Messerschmidt. Der Freiburger Professor im Ruhestand ist
der wohl wichtigste For-scher auf diesem Gebiet. Er arbeitet eng
mit dem Deserteur Ludwig Baumann zusammen.
Ulrich Baumann widerspricht aber auch einem anderen Vorbehalt:
Die überlebenden Deserteure fürchten nämlich, dass
die Stiftung eine "Wischi-Waschi-Ausstellung" erarbeitet, die
"allen gerecht werden will" - also auch jenen konservativen
Kritikern, die sich gegen eine Rehabilitierung der Deserteure
wenden. Anlass dieser Sorge ist eine Äußerung von
Geschäftsführer Uwe Neumärker, dass sich seine
Stiftung "möglichst unangreifbar" machen wolle: Die
Ausstellung solle das Thema "sachlich und unabhängig
darstellen".
Aus Sicht seines Mitarbeiters Ulrich Baumann ist damit nicht
gemeint, dass die Stiftung es allen recht machen wolle. Die
Dokumentation werde vielmehr "eine ganz klare politische Aussage
haben": Sie wolle dazu beitragen, dass die vom Bundestag 2002
beschlossene juristische Rehabilitierung der
NS-Militärjustizopfer nunmehr auch in der Gesellschaft eine
Verankerung finde. Thematisiert werde nicht nur das Leiden der
Deserteure, sondern zum Beispiel auch das Männlichkeitsbild
der Nazis und die Verurteilung von Frauen als "Wehrkraftzersetzer"
oder "Volksschädlinge".
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