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Claus Tigges
Afrika steht auf der Agenda neuerdings weit
oben
IWF und Weltbank müssen sich fragen, wie
sie künftig Entwicklungshilfe gestalten und aus der Kritik
geraten wollen
Die internationale Entwicklungshilfe steht an einem Scheideweg.
Daran besteht kaum noch ein Zweifel, seit sich die internationale
Gemeinschaft kürzlich auf einen vollständigen
Schuldenerlass für die ärmsten Entwicklungsländer
verständigt hat. Den Staaten - die meisten von ihnen liegen in
Afrika - werden in den kommenden Jahren ihre Verbindlichkeiten bei
der Weltbank, der Afrikanischen Entwicklungsbank und dem
Internationalen Währungsfonds (IWF) erlassen. Zusammen sind es
rund 55 Milliarden Dollar. Der Verzicht dieser Institutionen auf
dieses Geld soll einen wichtigen Beitrag leisten zur Erreichung der
Jahrtausendziele der Entwicklungshilfe, die noch in weiter Ferne
liegen. In diesen "Millennium Development Goals" hat sich die
Staatengemeinschaft unter anderem dazu verpflichtet, zwischen den
Jahren 2000 und 2015 die Zahl jener Menschen zu halbieren, die in
bitterster Armut leben und weniger als einen Dollar am Tag zur
Verfügung haben.
Insbesondere der Weltbank, aber auch dem Währungsfonds
stellt sich nun die Frage, auf welche Weise künftig der Kampf
gegen die Armut geführt werden soll. In den vergangenen
Jahrzehnten sind schon viele Milliarden Dollar offizieller
Entwicklungshilfe nicht zuletzt nach Afrika geflossen, häufig
allerdings ohne den erhofften Erfolg. Unter dem Druck von
verschiedenen Seiten hat die Weltbank einige Male ihre
entwicklungspolitische Strategie geändert. Lange Zeit wurde
den Ökonomen der Bank vorgehalten, allen
Entwicklungsländern dasselbe Rezept für mehr Wachstum und
weniger Armut zu verschreiben und zu wenig auf landestypische
Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Dieser Vorwurf wurde
vielfach mit der Kritik verbunden, die Weltbank diktiere den armen
Ländern die Bedingungen und zwinge ihnen den notwendigen
Reformkurs als Voraussetzung für die Finanzhilfe geradezu auf.
Die Weltbank hat sich diese Vorwürfe zu Herzen genommen und
reagiert: James Wolfensohn, der die Bank über zehn Jahre bis
in den Frühsommer hinein geführt hat, betrieb eine
Dezentralisierung. Es wurden Regionalbüros geschaffen, damit
Weltbankmitarbeiter am Ort des Geschehens sind und dort in engem
Kontakt mit den Behörden die Entwicklungshilfe planen
können. Außerdem achtet die Weltbank seither viel
stärker darauf, dass die Reformprogramme die
Unterstützung nicht nur der Regierungen, sondern auch
möglichst breiter Bevölkerungsschichten in den
Entwicklungsländern haben.
Wolfensohns Nachfolger, der frühere stellvertretende
amerikanische Verteidigungsminister Paul Wolfowitz, hat Afrika in
den ersten Monaten seiner Amtsführung auf der Agenda ebenfalls
ganz nach oben gesetzt. Dabei setzt Wolfowitz den von Wolfensohn
begonnenen Kampf gegen die Korruption in den
Entwicklungsländern entschlossen fort. Lange Zeit war die
Korruption ein Tabuthema in der Entwicklungshilfe. Inzwischen aber
breitet sich die Erkenntnis immer weiter aus, dass Bestechung,
Bestechlichkeit und Misswirtschaft riesige Hürden auf dem
langen Weg aus der Armut sind. Verständnis zeigt der
Weltbankpräsident zugleich für den Unmut, der in vielen
Geberländern angesichts der als unzureichend empfundenen
Erfolge der Entwicklungshilfe besteht.
Schärfere Erfolgskontrolle
Wolfowitz hat angekündigt, die Vielzahl von Projekten der
Bank einer schärferen Erfolgskontrolle zu unterwerfen.
Hoffnungsvoll stimmt darüber hinaus, dass der
Weltbankpräsident dem privaten Sektor als Motor für mehr
Wachstum eine ganz zentrale Rolle in der Entwicklungshilfe bemisst:
Jüngere Ergebnisse der ökonomischen Forschung legen nahe,
dass der Strom privaten Kapitals, das zu Investitionen dient,
ungleich wirkungsvoller ist als die offizielle Entwicklungshilfe.
Beispiele der vergangenen Jahrzehnte - wie China und Indien - legen
den Schluss nahe, dass nicht die reichen, sondern die armen
Länder selbst den Schlüssel für einen Sieg über
die Armut in Händen halten, mögen sich auch die Weltbank
und andere noch so sehr bemühen.
Dem IWF stellen sich mit Blick auf seine künftige Arbeit
ebenfalls eine Reihe von Fragen. Zum einen geht es darum, die Rolle
der Institution in den Entwicklungsländern zu definieren. Der
geschäftsführende Direktor des IWF, Rodrigo Rato, hat
hierzu und zur strategischen Ausrichtung des Fonds insgesamt auf
der Jahrestagung vor einigen Wochen Vorschläge unterbreitet.
Darin nimmt Rato zum Teil die Kritik auf, die seit Jahren am Fonds
geäußert wird: Dass er sich zu weit von seiner
eigentlichen Aufgabe entfernt habe, seinen Mitgliedsländern im
Fall einer Finanzkrise kurzfristige Hilfe zur Überwindung von
Zahlungsbilanzschwierigkeiten zu gewähren. Doch Rato hat nicht
im Sinn, das Engagement des IWF in den ärmsten Ländern
gänzlich zu beenden. Der Fonds, so argumentiert Rato,
könne mit seiner Expertise in der Wirtschafts- und
Finanzpolitik einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines
Ordnungsrahmens leisten, der eine unverzichtbare Voraussetzung
für mehr Wachstum und weniger Armut sei.
Interessenausgleich finden
Insbesondere die deutschen und amerikanischen Vertreter im Fonds
stimmt zuversichtlich, dass unter Ratos Führung die
Überwachungsfunktion der Weltwirtschaft und der
Finanzmärkte ausgebaut werden soll. Daraus spricht eine der
wichtigsten Lehren aus den Finanzkrisen in Asien, Lateinamerika und
Russland in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre: Es ist allemal
besser und vor allem billiger, eine krisenhafte Entwicklung
frühzeitig zu erkennen und womöglich abzuwenden, als in
einem internationalen Großeinsatz viele Milliarden zur
Krisenbewältigung auszugeben. Rato hat freilich nicht
kategorisch ausgeschlossen, dass der IWF nicht auch in Zukunft im
Ernstfall ein Milliardenpaket für ein Krisenland schnüren
werde. Auch Rato gibt sich somit nicht der Illusion hin, dass
Finanzkrisen gänzlich vermieden werden können.
Der IWF steht in seiner Arbeit vor ähnlichen
Schwierigkeiten wie seine Geschwisterorganisation Weltbank. Der
notwendige Interessenausgleich zwischen Geber- und
Empfängerländern ist nicht immer leicht herzustellen. IWF
und Weltbank können nur dann erfolgreich arbeiten, wenn er von
beiden Seiten als nutzbringend empfunden wird. Der sorgsame Ungang
mit den finanziellen Ressourcen zählt ebenso dazu wie die
verlässliche Beratung in der Wirtschaftspolitik.
Bedauerlicherweise haben die traditionellen Machtstrukturen immer
wieder dazu geführt, dass IWF und Weltbank von den großen
Anteilseignern in Überschreitung ihrer eigentlichen Mandate
zur Erreichung außenpolitischer Ziele eingesetzt wurden.
Rato und Wolfowitz haben erkannt, dass auch ihre Institutionen
den Veränderungen in der Weltwirtschaft Rechnung tragen
müssen. So notwendig und wünschenswert dies mit Blick auf
eine Erhöhung der Stimmanteile und damit der
Einflussmöglichkeiten von Regionen wie Asien, Lateinamerika
oder Afrika aber auch sein mag, darf doch nicht übersehen
werden, dass mit den Rechten in IWF und Weltbank auch (finanzielle)
Pflichten verbunden sind.
Claus Tigges ist Korrespondent der "Frankfurter Allgemeinen
Zeitung" und lebt in Washington.
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