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Christoph Then
Lizenzgebühren für Mais und
Schweine
Konzerne greifen mit der Patentierung auf
Saatgut nach dem Schlüssel der Versorgung durch
Nahrungsmittel
Patente auf Saatgut kennen die meisten europäischen
Landwirte bisher nur vom Hörensagen. Doch die Liste der
Länder, in denen Landwirte bereits Lizenzgebühren
für die Verwendung patentierter Pflanzen bezahlen (oder
bezahlen sollen), ist lang: Sie umfasst unter anderem die USA,
Kanada, Brasilien, Indien und Südafrika. In diesen
Ländern gehört dem Landwirt seine eigene Ernte nicht
mehr: Will er sie wie gewohnt zu Wiederaussaat verwenden,
können die Patentinhaber klagen.
Auch in Europa sind bereits einige 100 Patente auf Saatgut
erteilt worden. Viele (aber längst nicht alle) dieser Patente
wurden auf gentechnisch verändertes Saatgut erteilt. Dabei
wird nicht nur das technische Verfahren, sondern auch das Saatgut,
die Pflanzen, der Anbau der Pflanzen und die Ernte mitpatentiert.
Sogar die Verwendung der Ernte zum Herstellen von Lebensmitteln
oder die Verfütterung der Pflanzen an Nutztiere sind Teil der
Patentansprüche.
Um sich vor Augen zu führen, um welch weitreichende und
globale Monopolrechte es sich hier handelt, ein aktuelles Beispiel:
In Argentinien wurden schon vor etwa zehn Jahren gentechnisch
veränderte Sojabohnen der Firma Monsanto eingeführt. Die
Saaten haben im Vergleich zu herkömmlichem Sojaanbau einen
wesentlichen landwirtschaftlichen Vorteil: Sie ertragen das
firmeneigene Spritzmittel. Damit entfallen ackerbauliche Methoden
wie Pflügen zur Bekämpfung des Unkrauts. Das Spritzmittel
kann immer auf den Acker ausgebracht werden, auch wenn die
Nutzpflanzen bereits keimen und wachsen. In der
großflächigen Landwirtschaft Argentiniens ist dies ein
wichtiger Rationalisierungsvorteil, der dazu führt, dass der
Sojaanbau ausgeweitet und dabei auch immer mehr Urwald geopfert
wird. Inzwischen sind normale Saaten weitgehend verdrängt;
über 90 Prozent der Landwirte arbeiten mit diesem System, das
kurzfristig eine Steigerung der Gewinne ermöglicht, wenn sich
die Unkräuter an das Spritzmittel anpassen. Längst ist
eine Entwicklung im Gange ist, die zu immer höherem
Spritzmitteleinsatz führt.
Nun hat die Firma Monsanto in Argentinien einen durchschlagenden
Erfolg mit ihrer Technologie erzielt. Eine Debatte über die
Risiken für die Umwelt findet unter den harten finanziellen
Rahmenbedingungen der nicht subventionierten Landwirtschaft
Argentiniens ohnehin nur sehr begrenzt statt. Zufrieden ist
Monsanto trotzdem nicht. 2004 kündigte die Firma sogar an,
sich komplett aus Argentinien zurückzuziehen. Der Grund: Die
Patentierung von Saatgut ist in Argentinien verboten, die Landwirte
zahlen nach Ansicht der Firma zu wenig für die Aussaat von
Gen-Soja. Jetzt soll ausgerechnet das Europäische Patentrecht
Abhilfe schaffen: 2005 wurde in Europa das Patent auf Monsantos
Gen-Soja endgültig erteilt. Auf der Grundlage des Patentes
lässt Monsanto derzeit in europäischen Häfen bei
argentinischen Schiffsladungen Kontrollen durchführen. Die
ersten Gerichtsverfahren gegen argentinische Importeure vor
Europäischen Gerichten werden bereits vorbereitet. Monsanto
will also bei der Ernte der argentinischen Landwirte in Europa
nachkassieren, etwa 15 Dollar pro Tonne sollen es sein - bei einem
Importvolumen von etlichen Millionen Tonnen eine äußerst
lohnende Art der Wegelagerei.
Und auch in Europa gibt es erste Beispiele dafür, welche
Folgen die überhöhten Lizenzgebühren haben
können: Das einzige Land, in dem derzeit kommerziell Gen-Soja
von Monsanto angebaut wird, ist Rumänien. Dort ist - im
Gegensatz zur EU - der Anbau der Pflanzen grundsätzlich
erlaubt, muss allerdings registriert werden. Da aber für die
Landwirte die Lizenzgebühren der Firma Monsanto zu hoch sind,
kaufen sie ihre Saaten lieber auf dem Schwarzmarkt. Inzwischen ist
der Sojaanbau komplett außer Kontrolle geraten - anstatt der
registrierten rund 60 Prozent der Anbaufläche scheinen nach
neueren Untersuchungen tatsächlich über 90 Prozent der
Anbaufläche betroffen zu sein. Ob Monsanto demnächst
seine Detektive auch auf die Felder rumänischer Kleinbauern
schicken wird?
In Deutschland werden ebenfalls patentierte Saaten abgebaut. Der
Gen-Mais MON810, ein Mais mit eingebautem Insektengift, wurde in
den letzten fünf Jahren auf etwa 300 Hektar auch in
Deutschland angebaut. Doch solange die Akzeptanz für
derartiges Saatgut so gering ist, vermeidet die Firma Monsanto
aggressive Patentstrategien. Anders in den USA und Kanada:
Berühmt wurde der Kampf zwischen Percy Schmeiser, einem
kanadischen Landwirt, und Monsanto, die ihn wegen patentierter
Raps-Saaten verfolgte. In den USA hat das Center for Food Safety
bereits etwa 100 Fälle dokumentiert, bei denen Landwirte und
Agrarunternehmen von Monsanto wegen patentierter Saaten vor Gericht
gebracht wurden. Es wird berichtet, dass Monsanto ein Team von 75
Leuten unterhält, die in den USA Landwirte ausspionieren
sollen, die verdächtigt werden, Saatgut zu verwenden, für
das sie keine Gebühren bezahlt haben. Dass der Konzern dabei
auch erhebliche finanzielle Forderungen gegenüber Landwirten
durchsetzt, zeigt eine AP-Meldung vom 26.11.2002. Demnach hat ein
"Berufungsgericht im Bundesstaat Washington entschieden, dass ein
Soja-Landwirt aus der Region Pontotoc County gegen ein Patent
verstoßen hat, das der Biotechnologiekonzern Monsanto auf ein
bestimmtes Saatgut besitzt. Das Gericht verurteilte den
betreffenden Landwirt, Homan McFarling, zu der Zahlung von 780.000
US-Dollar Schadensersatz an Monsanto, weil der Landwirt angeblich
Roundup-Ready-Sojabohnen von seiner Ernte für die nächste
Aussaat zurückbehalten hatte."
Auch wenn die Landwirte in Europa nie Gen-Saaten anbauen
würden, wäre das Problem der Saatgutpatente nicht vom
Tisch. Inzwischen werden auch Patente auf Saatgut beantragt und
erteilt, das gar nicht gentechnisch verändert wurde. Patente
auf Weizen mit besonderer Backqualität, Patente auf Mais mit
erhöhtem Ölgehalt: Schon kleine technische Schritte
genügen, um Pflanzen, Saatgut und Ernte zu monopolisieren.
Dass hier ein Ende des Missbrauchs des Patentrechtes noch
längst nicht in Sicht ist, zeigen Patentanträge der Firma
Syngenta: Sie beansprucht in über einem Dutzend von Patenten,
die weltweit angemeldet wurden, nichts weniger als das gesamte
Erbgut der Reispflanzen - nicht um unbedingt Gen-Reis zu
produzieren, sondern um die in Pflanzen in natürlicher Weise
vorkommenden, wirtschaftlich besonders interessanten Gene zu
untersuchen. Die jeweils identifizierten Pflanzen und Gene werden
im Patent gleich mitbeansprucht.
Die Firma Monsanto weitet inzwischen das System sogar auf Tiere
aus: Sie hat weltweit ein Patent auf Schweine angemeldet, bei denen
natürlicher Weise vorkommende Erbanlagen beschrieben werden,
die ein schnelleres Wachstum versprechen. Wird das Patent erteilt,
kann Monsanto für alle (ganz normalen) Schweine
Lizenzgebühren erheben, bei denen die Gene
natürlicherweise vorkommen, wenn der Landwirt nicht beweisen
kann, dass die Schweine nicht von Monsantos patentierten Zuchtsauen
abstammen.
Von einer Erfindung zu sprechen mag bei gentechnischen Verfahren
noch einleuchten, bei ganzen Pflanzen und Tieren ist dagegen der
Erfindungsbegriff nicht nur ethisch, sondern auch wirtschaftlich
und rechtlich äußerst problematisch. Trotzdem lässt
das Europäische Patentrecht derartige Patente seit 1998
ausdrücklich zu. Mit Erfolg hat es die Agrochemie verstanden,
hier Einfluss zu nehmen. In den letzten zehn Jahren hat sich der
Saatgutmarkt dramatisch verändert. Die größten
Unternehmen im internationalen Saatguthandel kommen inzwischen alle
aus der Agrochemie; Monsanto, Dupont, Syngenta heißen die
Spitzenreiter. Die Firma Monsanto hat in den letzten zehn Jahren
etwa zehn Milliarden US-Dollar für Aufkäufe in der Agrar-
und Saatgutbranche ausgegeben. Kann das Saatgut patentiert werden,
kann weltweit die Züchtung von Pflanzen ebenso wie die
Erzeugung von Nahrungsmitteln kontrolliert werden. Damit greifen
diese Firmen nach einer Schlüsselstelle bei der Versorgung mit
lebenswichtigen Ressourcen. Dies gibt der Debatte um die Sicherung
der Welternährung, die von diesen Firmen mit großer
Empathie geführt wird, eine bedrohliche Dimension.
Mit Sorge wird die Entwicklung nicht nur von Landwirten, sondern
auch von der UN, der Rockefeller Foundation und von
Wissenschaftlern verfolgt. Sie befürchten weitreichende
Blockaden in der Forschung und eine Verteuerung von Saatgut, die
insbesondere für Entwicklungsländer dramatische Folgen
haben kann. Die Bemühungen um eine Neuausrichtung der
europäischen Patentgesetze müssen unter diesen
Umständen für die neue Bundesregierung eine hohe
Priorität haben.
Center for Food Safety: http://www.centerforfoodsafety.org/
Christoph Then arbeitet bei Greenpeace in München.
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