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Interview
Hilfe geht zu oft in schwarze Kassen
Interview mit Georges Tshionza,
Bürgerrechtler im Kongo
Mehr Entwicklungshilfe für Afrika ist
notwendig. Doch damit sie wirklich hilft, muss sich die
Entwicklungspolitik verändern, fordert der
zivilgesellschaftliche Führer Georges Tshionza aus der
Demokratischen Republik Kongo. "Helft Afrika, seine
Regierungssysteme zu verbessern! Das ist unser größtes
Problem." Tshionza leitet in Kongos Hauptstadt Kinshasa die
Organisation "Seracob", die Fortbildung für
zivilgesellschaftliche Basisorganisationen anbietet. Er ist
Mitglied des "Nationalen Technischen Komitees" der kongolesischen
Regierung zur Ausarbeitung des Armutsbekämpfungsprogramms PRSP
und zuständig für die Einbindung der Zivilgesellschaf. Er
leitete die landesweiten Untersuchungen des PRSP-Teams zur Erhebung
von Basisdaten und -informationen zur Armut im Kongo.
Das Parlament: Die Demokratische
Republik Kongo steht an ers-ter Stelle der
Empfängerländer ausländischer Hilfe in Afrika. Wird
diese Hilfe korrekt eingesetzt?
Georges Tshionza: Nein. Das Geld
landet über die Ministerien für Finanzen und Haushalt und
die Zentralbank bei der Regierung. Über 50 Prozent des
Staatshaushaltes kommt aus dem Ausland, aber die Bevölkerung
spürt davon nichts. Ihre Lebensumstände werden nicht
besser, die Gehälter im öffentlichen Dienst werden nicht
angehoben, es entstehen kaum Arbeitsplätze oder eine
Infrastruktur. Die Regierung investiert Geld in Gebäude und
Flugzeuge, aber sie investiert nicht für die
Bevölkerung.
Das Parlament: Liegt das an schlechtem
Willen oder ist es ein strukturelles Problem?
Georges Tshionza: Es ist kein
schlechter Wille, sondern mangelnde Kapazität. Im Jahr 2004
war es so, dass bis Oktober erst zehn Prozent des internationalen
Armutsbekämpfungsfonds (eingesparter Schuldendienst aus
Schuldenerlassprogrammen, der stattdessen vom Staat für
Armutsbekämpfung ausgegeben werden soll - d. Red.) abgerufen
waren. Außerdem befinden wir uns in einer politischen
Übergangsphase, die droht, blockiert zu werden. Die
Kriegsparteien haben gemeinsam den Krieg beendet, aber sie
verwalten nicht gemeinsam den Staat. Sie haben den Staat und seine
Einnahmequellen unter sich aufgeteilt. Es gibt keine zentrale
Autorität, Entscheidungsprozesse verlaufen sehr
schwerfällig, und unser Staatschef steht unter Kontrolle von
Leuten, die ihn ausnutzen und manipulieren.
Das Parlament: Was würden Sie
einer Geberregierung raten, die dem Kongo verstärkt helfen
will?
Georges Tshionza: Zum einen muss es
ein Partnerland sein, das nicht selber die Ressourcen des Kongo
ausbeutet. Die jetzigen Partner haben oft eigene Interessen im
Land. Zum zweiten muss man mit den Autoritäten im Land eine
harte und deutliche Sprache sprechen. Unser größtes
Problem ist eine schlechte Regierungsführung, die Macht
missbraucht und korrumpiert. Die größte Hilfe, die das
Ausland uns bringen kann, ist nicht Geld, sondern die Verbesserung
der Regierungsführung.
Das Parlament: Müssen die
Geberländer also den Regierenden im Kongo die Regierungsgewalt
entziehen und es selber machen?
Georges Tshionza: Das habe ich nicht
gesagt. Wir wollen bessere Kontrollmechanismen, damit es sowohl
nach innen wie nach außen Transparenz gibt. Unser Parlament
muss nachvollziehen können, welche Staatsausgaben wohin
fließen. Im Moment ist es so, dass viel Geld von der
Zentralregierung an die Provinzregierungen geht, aber
spätestens dort hört die Transparenz auf. Die
Provinzgouverneure nutzen das Geld als schwarze Kasse. Sie geben es
ihren Freunden. Es ist eine Katastrophe.
Das Parlament: Sie haben im Kongo
nationale Untersuchungen zur Armut durchgeführt, deren
Ergebnisse in ein neues nationales Armutsbekämpfungsprogramm
einfließen sollen. Was haben Sie festgestellt?
Georges Tshionza: Wir haben nach
Untersuchungen in 470 Gemeinden im ganzen Land elf Grundprobleme
identifiziert, die die Menschen immer wieder nennen.
Korrumpierbare, undemokratische Regierungsführung ist dabei
eines der wichtigsten, von dessen Lösung 80 Prozent des Restes
abhängt. Die anderen Probleme sind: Zerfall der Verkehrswege,
Ernährungsunsicherheit, Unsicherheit an Leib, Leben und
Eigentum überhaupt. Hinzu kommen Arbeitslosigkeit,
Menschenrechtsverletzungen, starker Rückgang der kommerziellen
Agrarproduktion, sehr niedrige Haushaltseinkommen und die
Marginalisierung benachteiligter Gruppen wie Kinder,
Flüchtlinge, HIV-Infizierte. Aber eine schlechte
Regierungsführung ist der Hauptgrund für diese Probleme.
Das heißt: Die Geber müssen besser kontrollieren, wo ihre
Hilfe ankommt.
Das Parlament: Ist das ein
spezifisches kongolesisches Problem oder gilt das für Afrika
insgesamt?
Georges Tshionza: Es ist kein
spezifisch kongolesisches Problem. Hilfe für Afrika ist gut,
und Afrikas Schulden müssen erlassen werden. Die Gegenleistung
muss aber gutes Managament und Einsatz der Hilfe zur
Armutsbekämpfung sein. Bisher gibt es in Afrika noch nicht
viel Veränderung. Überall gibt es eine Nomenklatura, die
an der Macht klebt, die Wahlen fälscht, die die Bürger
korrumpiert und einschüchtert. Helft Afrika, seine
Regierungssysteme zu verbessern! Das ist unser größtes
Problem. Es ist nicht normal, dass Leute, die Steuern für den
Staat eintreiben müssen, selber nicht bezahlt werden. Man muss
verhindern, dass Gelder aus Schuldenerlassprogrammen nur den
Mächtigen nützen.
Das Parlament: Es gibt ja dafür
die HIPC-Programme, wonach Gelder aus dem Schuldenerlass in
Armutsbekämpfungsprogramme fließen müssen, deren
Inhalt von Gebern und Empfängern gemeinsam ausgearbeitet wird.
Kann das etwas bringen oder ist das ein rein technokratischer
Ansatz?
Georges Tshionza: Es besteht die
Gefahr, dass das ein rein technokratischer Ansatz wird. Die Idee
ist gut, aber man braucht dafür vier Partner, nicht zwei -
nicht nur die Regierungen von Geber- und
Empfängerländern, sondern im Empfängerland auch
Privatsektor und Zivilgesellschaft. Im Kongo haben wir dafür
ein HIPC-Komitee. Es hat sich nur einmal getroffen. HIPC-Gelder
fließen in die Bürobauten von Ministerien, aber niemand
kontrolliert den Mittelabfluss. Jetzt will die Regierung mit
HIPC-Geldern die Gehälter im öffentlichen Dienst zahlen.
Es muss dafür Kontrollen geben. Sonst wird auch das eine
schwarze Kasse, aus der sich die Regierenden bedienen.
Das Parlament: Gibt es Länder in
Afrika, wo das besser funktioniert?
Georges Tshionza: Es gibt kein Land,
wo die Zivilgesellschaft wirklich an der Kontrolle der Verwendung
von HIPC-Geldern beteiligt ist. In Kamerun wird sie nicht an den
Entscheidungsprozessen beteiligt, sondern sie kriegt daraus selber
Geld und macht damit was sie will. In Ruanda realisiert die
Regierung mit den HIPC-Geldern Entwicklungsprojekte, aber die
Zivilgesellschaft hat überhaupt nichts zu sagen. Bei uns ist
das Besondere, dass die sozialen Bereiche davon gar nichts haben.
Das Geld geht in die staatlichen Verwaltungsapparate, die unter
Kontrolle der einstigen Kriegsparteien stehen.
Das Parlament: Haben Sie den Eindruck,
dass die unterschiedlichen Geber eine harmonisierte Politik
gegenüber dem Kongo fahren?
Georges Tshionza: Nein, überhaupt
nicht. Es gibt zwar multilaterale Strukturen zur Harmonisierung bei
der Weltbank und beim UN-Entwicklungsprogramm UNDP. Aber diese
beiden sind wiederum völlig unterschiedlich. Die Weltbank
interveniert direkt auf Minis-terialebene oder bei der Zentralbank,
das UNDP integriert systematischer die verschiedenen kongolesischen
Akteure. Aber am schlimmsten sind die bilateralen Geber. Sie sind
Klientelisten. Jeder Akteur im Kongo sucht die Gunst des einen oder
anderen bilateralen Partners, jeder bilaterale Geber sucht nach
Partnern für sich allein, deren Schwächen er ausnutzen
kann.
Das Interview führte Dominic Johnson
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