|
![](../../../layout_images/leer.gif) |
Anja Struve
Das heutige Währungsgefüge ist auf
Dauer nicht stabil
Mehr Flexibilität ist dringend
erforderlich
Physiker wissen nur zu gut, dass ein Perpetuum
mobile nicht funktionieren kann - eine Maschine, die ohne
Energiebedarf immer weiter läuft. An den Finanzmärkten
wird diese Erkenntnis derzeit wieder einmal verdrängt. Die
Investoren tun so, als ob sich die Weltwirtschaft ewig auf die
jetzige Konstellation verlassen könnte: Ein
Wechselkursgefüge mit dem Dollar als faktischer
Leitwährung, um die die Kurse einiger weniger Währungen
wie Euro, Pfund oder Franken frei schwanken, während ein
großer Teil der übrigen Devisen mehr oder minder fest an
den Dollar gekettet ist. Dieses System scheint so festgezurrt, dass
einige Ökonomen von einer Art "Bretton Woods II" sprechen,
einer modernen Version jenes Festkurssystems also, auf das sich die
Wirtschaftsmächte 1944 einigten, und das der Welt über
zwei Jahrzehnte lang stabile Wechselkurse bescherte.
Wie trügerisch die Hoffnung ist, dass
das heutige Währungsgefüge langfristig stabil sein
könnte, zeigt ein Blick auf die Zahlen: Rund 650 Milliarden
Dollar, mehr als die Niederlande pro Jahr erwirtschaften,
müssen die USA 2005 an ausländischem Kapital ins Land
locken, damit der Dollar nicht fällt. Bislang ist das vor
allem deshalb gelungen, weil die Zentralbanken Asiens enorme
Dollar-Reserven aufgekauft haben, um die Kurse ihrer Währungen
künstlich niedrig zu halten. Leidtragender ist der Euro, der
als einziger unter den großen Devisen wie Dollar, Renminbi und
Yen bislang die Hauptanpassungslast tragen muss, sobald der Dollar
fällt. Die negativen Folgen einer solchen einseitigen
Euro-Aufwertung auf das Wachstum bekommen exportabhängige
Volkswirtschaften wie Deutschland besonders stark zu spüren.
Sollte der Appetit auf den Greenback (US-Dollar) nachlassen, etwa
weil Investoren Zweifel an der Kreditwürdigkeit des
weltgrößten Schuldners Amerika kommen, droht ein
Kursrutsch des Dollar, der im schlimmsten Fall das globale
Finanzsystem und damit die Weltwirtschaft in die Krise stürzen
könnte.
Es ist daher nur eine Frage der Zeit, bis die
Diskussion über eine neue Weltwährungsordnung wieder auf
die Tagesordnung kommt. Im Kern geht es dabei um die Frage, wie
viel Flexibilität die Weltwirtschaft tatsächlich braucht
- und ob festgeschriebene Wechselkurse nicht die bessere
Alternative wären. Die Vorteile liegen auf der Hand.
Würden sich die G8-Staaten offiziell darauf einigen, feste
Wechselkurse einzuführen, gäbe es zwischen ihnen keine
Kursunsicherheiten mehr. Der Welthandel würde profitieren,
denn Exporteure müssten sich nicht mehr teuer gegen das Risiko
von Kursschwankungen absichern oder Absatzeinbußen hinnehmen.
Starke Kursauschläge, wie sie häufig durch das
Herdenverhalten von Devisenspekulanten ausgelöst oder
verstärkt werden, wären im Idealfall
Geschichte.
Doch die schön geordnete
Währungswelt, von der Anhänger fester Wechselkurse
träumen, hat große Nachteile. Das hat das gescheiterte
Festkurssystem von Bretton Woods gezeigt. Dieses zerbrach 1971
letztlich daran, dass sich die USA mit dem Dollar als
Ankerwährung nicht an die Absprachen hielten und die Welt mit
billigem Geld überschwemmten. Den übrigen Ländern
blieb nichts anderes übrig, als die US-Schuldenpolitik zu
finanzieren, indem sie Dollar aufkauften und sich dadurch die
Inflation ins Land holten. Der Traum von geordneten
Wechselkursverhältnissen wurde zum Alptraum.
Auch ein Kompromiss aus festen und flexiblen
Wechselkursen - ein System fester Bandbreiten, in denen die
Währungen frei schwanken können - bietet auf Dauer keine
stabile Lösung. Vielmehr scheint dies Spekulanten geradezu
einzuladen, gegen einzelne Devisen zu wetten, wie das Beispiel des
Europäischen Währungssystems (EWS) 1993 gezeigt hat.
Damals gelang es nicht, das britische Pfund gegen die Attacken von
Spekulanten zu stabilisieren. Großbritannien musste daraufhin
das EWS verlassen. Dieses Problem lässt sich nur vermeiden,
wenn man konsequent einen Schritt weitergeht und nach dem Vorbild
des Euro einen gemeinsamen Währungsraum schafft. Dieser hat
den Staaten der Euro-Zone unterm Strich deutlich mehr Vor- als
Nachteile gebracht. Ehemalige Weichwährungsländer
profitieren von den niedrigen Zinsen, Wechselkursturbulenzen
innerhalb des Euro-Raums sind Vergangenheit, und der Handel unter
den Ländern ist kräftig gestiegen. Davon konnte vor allem
Deutschland profitieren. Die Bundesrepublik ist heute
Exportweltmeister - keine Lira-Abwertung oder D-Mark-Aufwertung
kann der deutschen Wirtschaft die mühsam erkämpften
Wettbewerbsvorteile wieder nehmen.
Ähnliche
Wirtschaftsstrukturen
Warum also nicht auch weltweit auf eine
gemeinsame Währung zurückgreifen, wie es der
US-Nobelpreisträger Robert Mundell vorschlägt? Eine
Antwort darauf liefert ebenfalls der Euro-Raum. Vor Einführung
des Euro wurden Unterschiede bei Wachstum und Inflation über
den Wechselkurs geregelt. Heute sind die Mitglieder darauf
angewiesen, ihre Wettbewerbsfähigkeit über Löhne,
Staatsfinanzen und die Struktur der Wirtschaft zu steuern.
Funktionieren kann das auf Dauer nur, wenn alle Beteiligten eine
stabilitätsorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik
betreiben. Zudem müssen Länder möglichst
ähnliche Wirtschaftsstrukturen besitzen oder den fehlenden
Wechselkurs durch andere Anpassungsmechanismen wie den freien
Verkehr von Waren, Arbeitskräften und Kapital ausgleichen. Auf
die globale Wirtschaft bezogen bedeutet das, dass die Politiker
entweder Transfermilliarden um den Globus schicken oder eine Art
Turbo-Globalisierung aus frei über Grenzen und Sprachbarrieren
hinweg strömenden Arbeitskräften und Produktionsmitteln
entstehen müsste, um in einer Welt mit nur einer Währung
die Unterschiede zwischen Staaten einzuebnen.
Weit entfernt vom Ideal
Doch gerade das Beispiel der Euro-Zone zeigt
auch, wie weit ein Zusammenschluss verschiedener Staaten mit
unterschiedlichen Sprachen noch von diesem Ideal einer
Währungszone entfernt ist. Ein weltweiter Verbund, der die
rund 180 Währungen unter dem Dach einer Weltwährung
bündelte, wäre angesichts der globalen Divergenzen von
vornherein zum Scheitern verurteilt. Solange es die wichtigsten
Industriestaaten noch nicht einmal schaffen, gemeinsame
Maßnahmen umzusetzen, um die globale Schieflage auszugleichen,
bleiben flexible Wechselkurse zwischen den großen
Währungsräumen die bessere Alternative.
Das schließt nicht aus, dass es auf
regionaler Ebene nicht auch zu Währungsverbünden nach dem
Vorbild des Euro kommen kann. Doch selbst in diesem Fall
würden die wichtigsten Währungsmächte nicht darum
herum kommen, die weltweiten Ungleichgewichte abzubauen und
zwischen Amerika, Asien und Europa eine Wechselkursfreiheit zu
schaffen, die diesen Namen tatsächlich verdient. Geschieht das
nicht, weil die notwendigen Anpassungen - Amerika muss mehr sparen,
Europa stärker wachsen und Asien eine Aufwertung der eigenen
Währungen zulassen - weiter verschleppt werden, könnte
die Welt schon bald schmerzhaft zu spüren bekommen, wie
endlich das vermeintliche Perpetuum mobile in der Weltwirtschaft
tatsächlich ist.
Anja Struve ist Korrespondentin der "Welt" in
Frankfurt/Main.
Zurück zur Übersicht
|