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Marco Dalan
China startet mit viel PS durch
Deutschlands Automobilkonzerne kämpfen mit
hohen Lohnkosten
Frankfurts Messehallen sind wieder autofrei. Kein
glänzendes Chrom mehr, kein polierter Lack, keine
optimistischen Vorstände. Wo noch vor wenigen Wochen
automobile Träume im Scheinwerferlicht der Internationalen
Automobilausstellung (IAA) strahlten, ist der graue Alltag
zurückgekehrt. Auch die PS-Branche konzentriert sich nach den
Feierlichkeiten in eigener Sache wieder auf ihre Probleme.
Weltweite Überkapazitäten von 20 Prozent, der
Wettbewerbsdruck, ausufernde Preiskämpfe in Nordamerika und
mittlerweile auch Europa, steigende Rohstoffkosten, ungünstige
Wechselkurse oder die mangelnde Nachfrage belasten die Branche.
Zudem drängen Billiganbieter aus der Volksrepublik China in
die gesättigten Märkte Europas und Nordamerikas. "Gerade
der Eintritt neuer, asiatischer Hersteller in den internationalen
Wettbewerb, bringt Bewegung in die Branche und beweist, dass die
Konsolidierung der Automobilindustrie fortschreiten wird", sagte
der Stuttgarter Vorstandsberater und Industrieexperte Karlheinz L.
Knöss. Der verschärfte Wettbewerb fordere von den
Herstellern selbstkritisches, strategisches Umdenken auf Produkte,
Kundenorientierung und Kooperationen.
Drei Trends scheinen sich in der PS-Branche aktuell
herauszubilden. Erstens: Die Nachfrage nach Mittelklassemodellen
sinkt. Die Verbraucher orientieren sich zunehmend hin zu Klein- und
unteren Mittelklassewagen oder aber zu Oberklassemodellen. Das
bedeutet, dass sich Volumenhersteller wie Peugeot, Opel, VW, Ford
oder Renault neu orientieren müssen, während Unternehmen
wie Toyota oder Hyundai im unteren und BMW, Audi oder Mercedes-Benz
im oberen Segment bereits gut positioniert sind.
Zweitens: Die Verbraucher wollen keine Autos mehr von der
Stange. Gab es 1987 noch neun Fahrzeugsegmente, waren es 1997 schon
26 Marktbereiche. Heute gibt es 40. Allerdings unterstreicht diese
Entwicklung auch, wie unsicher die Produktplaner agieren. So gibt
es allein vom Golf eine "Plus-Variante", einen Kompaktvan "Touran"
und eine Stufenheckform. "Das veränderte Käuferverhalten
ist auch eine Reaktion auf die Plattformstrategie der Hersteller,
die nicht nur mehrere Marken auf eine Basis setzen, sondern
über die Karosserieformen Varianz und Individualität
vorgetäuscht haben. Insofern ist hier ein eigendynamisches
Verbraucherverhalten entstanden, das zu verkürzten
Modellzyklen und am Ende zum Verlust der Produktqualität
geführt hat", sagt Knöss. Auch der Vorstandsvorsitzende
des französischen PSA-Konzerns (Peugeot Citroën),
Jean-Martin Folz, sieht die Branche durch die zunehmende
Segmentierung vor großen Herausforderungen. "Auf diesem Markt
muss man in der Lage sein, Gewinne mit kürzeren Serien als in
der Vergangenheit einzufahren."
Gleichzeitig sinkt die Zahl der unabhängigen Hersteller
stetig. 1964 gab es 52 Autobauer, in diesem Jahr sind es noch 14
Hersteller. Experten schätzen, dass die Zahl bis 2010 auf
sieben bis elf Unternehmen sinken wird. "Niemand ist sicher in
unserer Industrie", bekennt Carlos Ghosn, Vorstandsvorsitzender von
Renault Nissan. Das zeigt nicht zuletzt der Einstieg des "David"
Porsche bei "Goliath" Volkswagen. Der Sportwagenhersteller hat 18,5
Prozent an Europas größtem Autokonzern gekauft.
Allerdings schränkt PSA-Chef Folz ein: "Man stirbt, wie das
Beispiel Rover zeigt, sehr langsam in unserer Industrie."
Die Frage ist, ob es zu großen Fusionen, vergleichbar mit
dem Zusammenschluss von Daimler-Benz und Chrysler, kommt.
Wahrscheinlich ist dies vor allem bei mittelgroßen und
kleineren Herstellern. Aus den Erfahrungen bei der
deutsch-amerikanischen Allianz von DaimlerChrysler scheinen die
Hersteller der großen Automobilkonzerne jedoch ihre Lehren
gezogen zu haben - und verzichten auf entsprechende Pläne.
Denkbar ist vielmehr eine Zunahme von punktuellen Kooperationen bei
einzelnen Projekten. Ein System, das eben der französische
PSA-Konzern bevorzugt. Dabei können einerseits Entwicklungs-
und Produktionskosten gespart werden, andererseits wollen die
Partner keine finanziellen Verflechtung.
Wenn es zu Übernahmen kommt, dürften vor allem
chinesische Hersteller wie Shanghai Automotive (SAIC), Dongfeng
oder FAW die treibenden Kräfte sein. Sie benötigen vor
allem das westliche Know-how und die Vertriebsnetze der Hersteller.
Das zeigte sich etwa am Interesse von SAIC an MG Rover.
Der dritte sich abzeichnende Trend ist die steigende Nachfrage
nach Dieselmotoren. 1998 etwa lag die Durchdringungsrate von
Selbstzündern in Europa noch bei mehr als 20 Prozent, heute
sind es über 50 Prozent. In den USA steht der Dieselmotor erst
vor dem Durchbruch. Hier sind die deutschen und europäischen
Hersteller mit ihrer Kompetenz im Vorteil. Allerdings sind
spätestens nach der Rußpartikeldiskussion bei der
Diesel-Technik Kritikpunkte bezüglich der gesundheitlichen
Schädigungen durch Dieselmotoren öffentlich geworden, die
bisher dank der offenen Steuersubvention für diese
Antriebstechnik verdeckt geblieben sind. Der hektische Sprung der
deutschen Hersteller auf die Hybrid-Technik könnte so auch als
Zweifel an der eigenen Motorenphilosophie gewertet werden. "Die
Industrie folgt einem Markttrend für Hybridfahrzeuge und will
damit in erster Linie das eigene Image polieren. Die
Innovationskraft und Zukunftsfähigkeit dieser Technik wird
leider nicht in Frage gestellt", gibt der Industrieexperte
Knöss zu bedenken.
Deutschlands Schlüsselindustrie steht vor wichtigen
Herausforderungen. Ein gewichtiges Problem sind vor allem auch die
hohen Arbeitskosten. "Massenautomobile haben am Produktionsstandort
Deutschland langfristig keine Chance", sagt Willi Diez, Leiter des
Instituts für Automobilwirtschaft in Nürtingen.
Deutschland werde langfristig "nur als Standort für
Premiumautomobile überleben können". Entfielen 1995 noch
62,2 Prozent aller in Deutschland produzierten Fahrzeuge auf das
Massensegment, sank der Anteil im Jahr 2004 auf 50 Prozent. Ursache
für diese Entwicklung seien einerseits die Einführung
neuer Modelle durch die deutschen Premiumhersteller Audi, BMW,
Mercedes-Benz und Porsche, andererseits aber die zunehmende
Verlagerung der Massenfahrzeug-Produktion in ausländische
Standorte. Diez: "Ganz offensichtlich sind die Produktionskosten am
Standort Deutschland zu hoch, um hier profitabel Volumenfahrzeuge
herstellen zu können."
Der Druck in der Branche ist gewaltig. VW leidet unter den
Imageschäden durch die VW-Affäre und will Milliarden
sparen, Ford und General Motors (GM) wollen und müssen auf
ihren Heimatmärkten Zehntausende Stellen streichen und
Fabriken schließen. Der italienische Autobauer Fiat ist nur
noch ein Schatten früherer Tage. Selbst Mercedes-Benz schrieb
im ersten Quartal tiefrote Zahlen und will nun 8.500
Arbeitsplätze abbauen.
Nicht allen geht es jedoch schlecht. Toyota, BMW oder Porsche
sind die Gegenbeispiele. Ihr Vorteil im Wettbewerb neben
Qualität, Technik und Design ist ihre Originalität.
Weltweit sind Autos kaum noch zu unterscheiden. Die Folge: Die
Markentreue gehört immer mehr der Vergangenheit an. Toyota,
BMW und Porsche aber haben ihr Profil bewahrt. Das erlaubt es BMW
und Porsche sogar, weiter Fahrzeuge im Hochlohnland Deutschland zu
bauen. Ihr Markenimage ist geprägt von
Sportlichkeit/Exklusivität (Porsche und BMW) oder
Zuverlässigkeit (Toyota). Ein gutes
Preis/Leistungsverhältnis führt im unteren und mittleren
Segment wie etwa bei Hyundai zum Erfolg.
Die Lage der Branche wird sich noch verschärfen. Chinas
Autobauer werden in Kürze ihre Designschwächen und
Verarbeitungsmängel, wie sie zuletzt auf der IAA in Frankfurt
noch zu beobachten waren, beheben. DaimlerChrysler, VW und Co.
sollten die Newcomer daher auf keinen Fall unterschätzen.
Toyota brauchte 20 Jahre, um sich in der Branche hochzuarbeiten -
heute sind die Japaner vom Absatz her die weltweite Nummer zwei und
schicken sich an in den nächsten Jahren an die Spitze
vorzurücken. Die Koreaner waren bereits nach zehn Jahren
konkurrenzfähig. Die Chinesen werden die Schlagzahl
erhöhen. Waren auf der IAA nur drei Autobauer aus dem Reich
der Mitte, werden es auf der IAA 2007 deutlich mehr sein.
Marco Dalan ist Wirtschaftskorrespondent der "Welt" in
Düsseldorf.
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