Sven Giegold / Peter Wahl
Internationale Steuern werden ein Kind der
Globalisierung sein
Der Kampf gegen Steuerflucht ist eine Frage des
politischen Willens
Für die öffentlichen Kassen (nicht nur in der
Bundesrepublik) stellt die Globalisierung eine gewaltige
Herausforderung dar. Denn die Liberalisierung der globalen
Finanzmärkte und die Aktivitäten transnationaler
Unternehmen untergraben zunehmend die nationalen Steuersysteme.
Die Mechanismen sind dabei vielfältig: So nutzen immer mehr
Privatanleger Steueroasen, um ihr Kapital zu verwalten. Allein in
der Schweiz, in Liechtenstein und in Luxemburg liegen nach
Schätzungen des Bundesfinanzministeriums 450 bis 550
Milliarden Euro an deutschem Sparkapital; dadurch entgehen dem
Fiskus rund 14 Milliarden Euro im Jahr. Transnationale Unternehmen
verschieben ihre Gewinne durch interne Verrechnungen
regelmäßig dahin, wo die geringsten Steuern anfallen.
Außerdem leisten sich die verschiedenen Staaten einen immer
schärferen Wettbewerb im Bereich der Unternehmensbesteuerung:
So sind die Körperschaftssteuersätze in der OECD zwischen
1997 und 2004 von durchschnittlich 37 Prozent auf unter 30 Prozent
gefallen; die Bundesregierung wird diesen Wettlauf mit der
geplanten Senkung der Körperschaftsteuer weiter anheizen. Und
neben diesem "regulären" Steuerwettbewerb existiert auch ein
scharfer "unfairer" Steuerwettbewerb, bei dem ausländisches
Kapital besser gestellt wird als inländisches - allein die EU
fand zwischen den Mitgliedsländern 66 derartige
Regelungen.
Löchrig wie ein Schweizer Käse
Die Gegenmaßnahmen, die OECD und EU bisher beschlossen
haben, geben wenig Anlass zur Hoffnung. Die Regeln gegen private
Steuerflucht - etwa die EU-Zinsrichtlinie - sind löchrig wie
ein Schweizer Käse; daher haben die Umsätze in den
klassischen Steueroasen auch nicht nachgelassen, wie Experten des
Tax Justice Network berichten. Beim unfairen Steuerwettbewerb
wurden so lange Übergangsfristen für die wichtigsten
Sünderländer eingeräumt, dass noch keine belastbaren
Erfahrungen vorliegen.
Doch ein wirksamer Kampf gegen Steuerflucht und Steuerwettbewerb
ist dringend notwendig, denn diese Praktiken haben tiefgreifende
soziale und ökonomische Konsequenzen. Kleine und mittlere
Unternehmen werden im Wettbewerb mit transnationalen Unternehmen
benachteiligt. Den Industrie- und den Entwicklungsländern
gehen öffentliche Einnahmen verloren, die entweder zu
Ausgabenkürzungen führen oder durch andere Steuern
kompensiert werden müssen, die zumeist eher kleine und
mittlere Einkommen treffen. Mit transnationalen Unternehmen und
Personen mit Einnahmen aus Kapitalvermögen entziehen sich
gerade die wirtschaftlich Leistungsfähigsten der Besteuerung,
und darunter leidet die Akzeptanz aller öffentlich
finanzierten Aktivitäten. Ein gerechtes Steuersystem ist die
Legitimationsbasis für den demokratischen Rechts- und
Sozialstaat.
Wenn Steuerflucht wirksam unterbunden werden soll, kann nicht
gewartet werden, bis die letzte Steueroase bereit ist, ihre
ungerechten Privilegien aufzugeben. Stattdessen sollten die
Länder, die dem internationalen Steuerdumping nicht
länger tatenlos zusehen wollen, sich zusammentun und
multiilaterale Maßnahmen ergreifen: Erfolg versprechende
Ansätze gibt es genug: Von der Pflicht für Unternehmen,
ihre Tochterfirmen und die in einzelnen Ländern gezahlten
Steuern zu veröffentlichen, über die Aufhebung des
steuerlichen Bankgeheimnisses und die Nutzung vorhandener Daten aus
dem internationalen Zahlungsverkehr bis zur Festlegung gemeinsamer
Berechnungsgrundlagen und Steuersätze im Rahmen einer
internationalen Konvention. Der Kampf gegen Steuerflucht ist allein
eine Frage des politischen Willens.
Parallel zu den neuen Möglichkeiten, Steuern zu
hinterziehen und zu vermeiden, eröffnet die Globalisierung
völlig neuartige Wege, Gewinne zu machen. Die liberalisierten
und deregulierten Finanzmärkte bieten in Kombination mit
schneller, digitaler Kommunikation die Voraussetzung dafür,
dass pro Börsentag 1,9 Billionen US-Dollar von einem
großen Finanzplatz zum nächsten jagen. Der
größte Teil dieser Summe dient nicht realen
Geschäften oder deren Absicherung, sondern ist spekulativ und
kommt dadurch zustande, dass selbst geringste Schwankungen von
Kurs- oder Zinsdifferenzen von einem hundertstel Prozent Profite in
Millionenhöhe ermöglichen, wenn man große
Finanzmassen einsetzt.
Wenn es aber möglich ist, auf diese neue Art international
Gewinn zu machen, dann ist es nur logisch, auch Steuern
international zu erheben. Die Einnahmen können an die
Verlierer der Globalisierung umverteilt werden, etwa zur
Armutsbekämpfung. In der UNO gibt es eine intensive Diskussion
dazu, Belgien hat bereits ein Gesetz zur Besteuerung von
Devisentransaktionen verabschiedet. Am Rande des jüngsten
UN-Gipfels in New York haben unter anderem Frankreich, Brasilien
und Deutschland eine Abgabe auf Flugtickets vereinbart; die
Einnahmen sollen vor allem den Entwicklungsländern und der
Bekämpfung von AIDS zugute kommen.
Steuern bringen aber nicht nur Geld, sondern haben einen
weiteren Vorteil: ihre Lenkungswirkung. So wie die Alkohol- und
Tabaksteuern eine gesundheitspolitische Wirkung erzielen sollen,
könnten auch internationale Steuern prohibitiv wirken und
helfen, Probleme zu vermeiden.
Bei den globalen Devisenströmen würde eine
Umsatzsteuer (bekannt als Tobin-Steuer) von nur 0,01 Prozent bei
den beschriebenen riesigen Umsätzen nicht nur viel Geld
bringen; zudem würde ein Teil der spekulativen Geschäfte
unrentabel werden und so von vornherein unterbleiben. Durch ein
mehrstufiges Verfahren mit steigenden Steuersätzen bei
steigender Volatilität, wie es der deutsche Ökonom
Professor Bernd Paul Spahn entwickelt hat, würde die
Krisenanfälligkeit der Finanzmärkte weiter reduziert,
wovon vor allem die Entwicklungsländer profitieren
würden. Diese Steuer könnte problemlos von Europa als
Vorreiter eingeführt werden. Dazu müsste ein eindeutiger
politische Wille vorhanden sein.
Auch Steuern mit ökologischer Lenkungswirkung sind im
Gespräch, beispielsweise auf Emissionen von Flugzeugen oder
auf CO2. Interessant sind auch die Besteuerung des
Bankgeheimnisses, von Finanztransfers mit Steueroasen oder des
Sekundärhandels mit Aktien.
Im Kern geht es darum, die zentrale Aufgabe von Steuern auf die
internationale Ebene zu übertragen: nämlich das
Gemeinwesen - in diesem Fall das global village - zu finanzieren
und die Gesellschaft durch die Lenkungswirkung von Steuern zu
gestalten. Internationale Steuern können so eine zentrale
Rolle dabei spielen, die Globalisierung zu regulieren.
Das Konzept internationaler Steuern ist neu. Und da es
mächtige Interessen tangiert, gibt es noch erheblichen
Widerstand, etwa von Seiten der USA. Auch muss man sich von der in
den letzten Jahren verbreiteten Ideologie verabschieden, Steuern
seien per se ein Übel. Kein modernes Gemeinwesen ist ohne
Steuern lebensfähig. Entscheidend ist, dass sie gerecht
erhoben und für gesellschaftlich nützliche Zwecke
verwendet werden.
Internationale Steuern sind ein Kind der Globalisierung.
Früher oder später werden sie sich durchsetzen. Eine gute
Idee, sagte Schopenhauer einmal, durchläuft immer drei Phasen:
In der ersten wird sie für idiotisch erklärt, in der
zweiten auf das Heftigste bekämpft, in der dritten
schließlich realisiert. Das Thema internationale Steuern
befindet sich derzeit zwischen Phase zwei und drei.
Sven Giegold ist Sprecher der Arbeitsgruppe Steuern des
globalisierungskritischen Netzwerks Attac und Vorsitzender des
Steering Committee des "Tax Justice Network". Peter Wahl ist
Finanzmarktexperte im bundesweiten Attac-Koordinierungskreis und
Mitarbeiter der Berliner NGO Weed (World Economy, Ecology and
Development).
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