*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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10.4.2.4   Vermittlung von Globalisierungsfragen an die lokale Ebene im Wahlkreis

Aufgabe des Parlaments ist es, die Sorgen und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger im Zusammenhang mit der Globalisierung aufzunehmen. Wenn Globalisierung in den Wahlkreisen jedoch kaum Thema ist und bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort noch nicht als politisch gestaltbare Aufgabe wahrgenommen wird, kann das dreierlei bedeuten. Entweder wird Globalisierung nicht zur Kenntnis genommen, ihr wird mit Resignation begegnet oder die Parlamentarier erscheinen den Bürgerinnen und Bürgern als die falschen Ansprechpartner. Auch hier könnte ein Schulterschluss mit NGOs hilfreich sein, um Auswirkungen der Globalisierung zu thematisieren und positive Handlungsmöglichkeiten aufzeigen zu können.

In diesem Zusammenhang ist an den Vorschlag zu erinnern, Ausschusssitzungen des Parlaments öffentlich abzuhalten.71 Um den Charakter der Ausschusssitzungen als parlamentarische Arbeitsgremien zu erhalten, muss eine sinnvolle Mischung zwischen öffentlichen und nicht-öffentlichen Sitzungen gefunden werden. Im Rahmen öffentlicher Sitzungen könnte vor einer breiteren Öffent    lichkeit und im engen Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern diskutiert werden, auf welche weltweiten Interdependenzen in welcher Form reagiert werden sollte. Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen ihren Auftrag als demokratische Mittler zwischen den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und den internationalen Institutionen auf der anderen Seite wahrnehmen, um Misstrauen, Ohnmachtsgefühle und Unzufriedenheit abzubauen. Sie können auf diese Weise auch dazu beitragen, dass internationale Kooperation nicht als ein Null-Summenspiel bzw. als Wettbewerb um nationale Standortvorteile verstanden wird. Globalisierungsprozesse müssen in ihrer ganzen Komplexität diskutiert und die Notwendigkeit internationaler Kooperation verdeutlicht werden.

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:

Empfehlung 10-15    Stärkere Einbindung des Parlaments in die internationale Politik

Der Deutsche Bundestag sollte als nationales Parlament von der Regierung eine frühzeitige Informationspolitik und ein verbessertes Mitspracherecht verlangen, damit seine Kontroll- und Gestaltungsfunktion auch auf die internationale Ebene ausgedehnt werden kann. Schon bei der Vorbereitung und während internationaler Verhandlungen ist eine rechtzeitige, sachgerechte und hinreichende sowie ggf. vertrauliche Unterrichtung der Mitglieder des Deutschen Bundestages – und ggf. des Europäischen Parlaments – geboten, ohne dass damit die Verhandlungsposition gegenüber möglichen Vertragspartnern geschwächt wird. Vor der Unterzeichnung von Verträgen sollten Regierungen ihren Parlamenten Informationen über das erzielte Ergebnis vorlegen, versehen mit dem Hinweis auf voraussichtlich notwendig werdende nationale Gesetzesänderungen auf allen möglicherweise betroffenen Gesetzgebungsebenen. Die Bundesregierung wird außerdem dazu aufgefordert, die Vorsitzenden parlamentarischer Fachausschüsse in geeigneter Weise an internationalen Verhandlungen zu beteiligen, wie es die USA trotz einer strikter gehandhabten Gewaltenteilung bereits praktizieren.

Empfehlung 10-16    Systematische Nutzung und Vernetzung von Kontakten und Informationen für das Parlament

Das Parlament braucht Informationen und Austausch auf europäischer und internationaler Ebene, über herkömmliche Medien, über Internet und über Reisen. Absprachen und Ergebnisaustausch sollen zur systematischen Nutzung und Vernetzung der Kontakte führen. Verbesserte Koordinierung und gegenseitige Information über die Auslandsreisen von Parlamentariern, Ausschüssen und Parlamentariergruppen können dazu beitragen, Auslandskontakte optimal zu nutzen, einen ressortübergreifenden, innerparlamentarischen Informationsaustausch sicherzustellen und die Einbindung des Parlaments in internationale Politikprozesse zu verbessern. Eine Datenbank internationaler Gesprächspartner zu globalisierungsrelevanten Fachthemen sollte erwogen werden.

In Kontakten mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern auf EU-Ebene wie auf internationaler Ebene soll der Austausch über Parlamentsarbeit und Demokratieerfahrungen erleichtert und ermöglicht werden. Vor allem für Abgeordnete aus Entwicklungsländern und jungen Demokratien soll dieser Austausch auch durch Reisen zum Deutschen Bundestag und zu europäischen Parlamenten gefördert werden. Die Teilnahme von Parlamentarierinnen und Parlamentarier an einem „Exposure und Dialogprogramm“ in Verbindung mit Auslandsreisen ist zu empfehlen und sollte von der Verwaltung unterstützt werden. Die Arbeit bestehender internationaler parlamentarischer Versammlungen (IPU, EP) sowie internationaler Netzwerke zwischen Parlamentariern und internationaler Parlamentarierkonferenzen zu sektoralen oder regionalen Themen sollte ausgewertet, ausgebaut und intensiv durch den Deutschen Bundestag genutzt werden.

Das Parlament benötigt größere Transparenz und Öffentlichkeit der Parlamentsarbeit auch über das Internet, also eine Stärkung von Parlamentsrechten und von Öffentlichkeitsrechten. Der Austausch über Themen kann e-vernetzt erfolgen. Das Parlament kann und soll eigene Erkenntnisse und gewonnene Beratungs- und Informationsergebnisse der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen und so mit der Zivilgesellschaft in Dialog treten. Ein e-Parliament flankiert alle anderen Ansätze zur Intensivierung und Verbesserung der internationalen Parlamentsarbeit und ermöglicht Abgeordneten, zu spezifischen Themen „Parliamentary Intergroups“ zu bilden, die z.B. gemeinsame Politikansätze, internationale Harmonisierung von Gesetzesinitiativen oder das Aufspüren und Überwinden von nationalen Interessendifferenzen beraten und so auch im Vorfeld von Verhandlungen Lösungsvorschläge beitragen können.

Empfehlung 10-17    Einsetzung einer „Task Force Globalisierung“

Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Bundestag, in der kommenden Legislaturperiode eine zeitlich befristete „Task Force Globalisierung“ einzurichten, die prüfen soll, wie eine angemessene parlamentarische Befassung mit globalen Querschnittsfragen organisatorisch gefes-tigt werden kann. Dabei soll sie auch die Einrichtung neuer parlamentarischer Gremien prüfen, sei es die Einrichtung eines ständigen „Querschnittsausschusses Globalisierung“ (etwa parallel zum Europaausschuss) oder die Einrichtung eines hochrangigen Koordinationsgremiums, dessen Aufgabe in der Herstellung einer ressort-übergreifenden Verzahnung über die Ausschussgrenzen hinweg besteht. Auch die Einrichtung themenbezogener „Task Forces“, die sich für eine begrenzte Zeit speziell mit ausgewählten globalen Fragestellungen beschäftigen und etwa die Organisation gemeinsamer Anhörungen mit den betroffenen Fachausschüssen zu globalisierungsrelevanten Themen übernehmen, sollte erwogen werden. Es sollte auch geprüft werden, wie im Rahmen der parlamentarischen Beschäftigung mit Globalisierungsfragen sichergestellt werden kann, dass Genderaspekte angemessen berücksichtigt werden, z.B. über institutionelle Einrichtungen wie Gender-Audits oder einen sog. „Genderdesk“ (s. Kasten 6.2).Um die federführenden Ausschüsse in diese Arbeit der „Task Force Globalisierung“ einzubinden, ist die Doppelmitgliedschaft der Mitglieder der „Task Force“in einem regulären Bundestagsausschuss und dem neuen Gremium sinnvoll.

Empfehlung 10-18    Intensivierung des Dialogs mit NGOs

Parlamente haben im Dialog mit nichtstaatlichen Akteuren bereits positive Erfahrungen sammeln können. Daher empfiehlt die Enquete-Kommission dem Parlament, sich diesen gegenüber weiter zu öffnen und hinsichtlich internationaler Politikprozesse den Dialog und die Kooperation zu intensivieren. Über Netzwerke kann ein dauerhafter Dialog mit gesellschaftlichen Gruppen, Organisationen, Institutionen wie Wirtschaftsverbänden, Gewerkschaften, Kirchen, NGOs, der Wissenschaft, der Kultur oder auch einzelnen Berufsvereinigungen entstehen. Während EU-interner oder internationaler Verhandlungen sollten betroffene nichtstaatliche Akteure, v.a. die Sozialpartner, von Regierung und Parlament aufgrund meist umfangreicher wirtschafts-, struktur-, arbeitsmarkt-, sozial- und umweltpolitischer Auswirkungen der Ergebnisse informiert und zu Stellungnahmen aufgefordert werden.



71 Dieser Vorschlag wird auch vom Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse unterstützt (Thierse 2001). Nach der Geschäftsordnung des Bundestages sind in der Ausschussarbeit zwei Arten von öffentlichen Sitzungen möglich: die so genannte Erweiterte öffentliche Beratung und die öffentliche Anhörung. In der 13. WP gab es insgesamt drei Erweiterte öffentliche Ausschussberatungen im Sinne des § 69 a GOBT. Ferner gab es insgesamt 209 Ausschusssitzungen mit öffentlichen Anhörungen. In 127 öffentlichen Anhörungen wurden insgesamt 169 Gesetzentwürfe beraten.

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