11.1.5.5 Volkswirtschaften verbinden:
Direktinvestitionen, transnationale Unternehmen und den Mittelstand
unterstützen
Das starke
Ansteigen von Direktinvestitionen im Ausland ist eines der
wesentlichen Kennzeichen der Globalisierung. Weltweit hat sich ihr
Volumen von 1980 – 1999 etwa verhundertfacht. Oft stammen
diese von großen weltweit tätigen Unternehmen, sog.
transnationalen Unternehmen.
Gründe für ausländische Direktinvestitionen
Direktinvestition
erfolgen in aller Regel nicht, um Arbeitsplätze zu verlagern.
Das Motiv der meisten Direkt investitionen ist die
Erschließung neuer Märkte. Angesichts der Vorteile der
direkten Marktnähe sind dazu meist
(Produktions-)Niederlassungen im Ausland erforderlich. In anderen
Fällen werden in den Produkten bestimmte Anteile an heimischen
Komponenten verlangt, was Inves titionen in
Produktionsanlagen bedingt. Ein weiteres Motiv für
Direktinvestitionen ist auch die Risikominderung, etwa durch
Verteilung der Risiken auf verschiedene Märkte oder die
Verringerung von Wechselkursrisiken. Die meisten
Direktinvestitionen finden innerhalb von Industrieländern
statt. Hier zeigt sich, dass die mögliche Senkung der
Produktionskosten durch geringere Energie-, Rohstoff- oder
Arbeitskosten zumindest im Vergleich von Industrie- zu
Entwicklungsländern eine eher geringe Rolle spielt.
Arbeitsplätze sichern durch
ausländische Direktinvestitionen
Gerade solche
Entwicklungsländer, deren Verwaltung international
übliche Standards der Rechtsstaatlichkeit beachtet, ziehen
allerdings auch immer stärker ausländisches Kapital an.
Grundsätzlich führen derartige Investitionen zu mehr
Wohlstand und Arbeitsplätzen im Zielland. Aber auch das
Herkunftsland der Investitionen zieht Vorteile aus
Auslandsinvestitionen. Zusätzliche Märkte werden
erschlossen, bestehende abgesichert. Neue Impulse strahlen in das
Heimatland zurück. Auslandsaktive Unternehmen vernichten durch
die Auslandsinvestition nicht Arbeitsplätze im Heimatland,
sondern sichern sie im Gegenteil, da sie die
Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Unternehmen erhöhen
(Döhrn 2002). Austausch von Wissen und Technologie wirkt in
beiden Richtungen positiv. Das gleiche gilt für
gesellschaftliche Wechselwirkungen, etwa im Hinblick auf
Menschenrechte.
Rolle von
Multinationalen Unternehmen
Transnationale
Unternehmen wirken heute oft als Vorbild. Im Gegensatz zu ihrem
allgemein schlechten Image in der Öffentlichkeit gilt es unter
Fachleuten als unbestritten, dass die transnationalen Unternehmen
einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Situation im
ökonomischen, gesellschaftlichen und ökologischen Bereich
in den Ländern leisten, in denen sie investieren – auch
wenn dies nicht die ursprüngliche und erstrangige Zielsetzung
der Unternehmen ist. Zahlreiche Studien belegen einerseits die
Notwendigkeit des Transfers von Wissen und Technologie in die
Entwicklungsländer und andererseits, dass transnationale
Unternehmen hierzu entscheidende Impulse geben. Wer heute in einem
Entwicklungsland investiert, wendet grundsätzlich dieselbe
Technik an wie in einem Industrieland. Wer heute in einem
Entwicklungsland erfolgreich arbeiten will, muss dafür Sorge
tragen, dass seine Mitarbeiter gut ausgebildet sind und
ständig weitergebildet werden. Deshalb unterscheiden sich
ausländische Direktinvestitionen von landeseigenen in der
Regel positiv in ihrer Modernität: in der Qualität der
geschaffenen Arbeitsplätze und der wettbewerblichen
Zukunftsfähigkeit.
Die Löhne,
die von ausländischen Unternehmen in Entwicklungsländern
gezahlt werden, sind in der Regel deutlich höher als das
landeseigene Durchschnittseinkommen. Damit können es sich
immer mehr Eltern leisten, ihre Kinder zur Schule anstatt zur
Arbeit zu schicken. Qualifiziertere Arbeit führt dann wieder
zu höheren Löhnen. Auch Frauen bekommen verstärkt
Gelegenheit zu regulären Arbeitsverhältnissen. Dies gilt
zum Beispiel für Volkswagen in Mexiko.
Hohe
internationale Standards durch unternehmenseigene Leitbilder
Auch vor dem
Hintergrund funktionierender Aufsicht durch Aktionäre,
Tarifpartner und Politik im Heimatland sind transnationale
Unternehmen bestrebt, die Sozialbeziehungen in ihren
ausländischen Gesellschaften so zu gestalten, dass die
landesspezifischen Regelungen übertroffen werden. Das gilt
für die Entlohnung und soziale Leistungen und ebenso für die
Arbeitsorganisation oder die Nichtdiskriminierung von Minderheiten.
Gewerkschaften sind in transnationalen Unternehmen signifikant
häufiger als in anderen Unternehmen aktiv. Nahezu alle
transnationalen Unternehmen in den Industrieländern
verfügen heute über unternehmenseigene Leitbilder und
Visionen, die weltweite Geltung haben. Sie sollen sicherstellen,
dass grundsätzlich auf der gesamten Welt die gleichen Normen
gelten – ohne die vielfältigen und unterschiedlichen
rechtlichen und kulturellen Rahmenbedingungen im jeweiligen Land zu
verletzen.
Beispiele aus der Vergangenheit und der
Gegenwart zeigen, dass es gelegentlich unverantwortbares Verhalten
von Unternehmen gibt. Hierzu gehören z.B. Missachtung von
Menschenrechten, ausbeutungsähnliche Arbeitsverhältnisse
und das Verursachen von Umweltschäden. Sie können nicht
geduldet werden. Internationale Organisationen entwickeln deshalb
Verhaltenskodizes, wie etwa die von fast allen Staaten anerkannten
ILO-Kernarbeitsnormen oder die OECD-Guidelines für
transnationale Unternehmen.
Notwendige Flexibilität in der
Praxis
Bei der Diskussion darüber, welche
konkreten Vorgaben oder Leitlinien Unternehmen bezüglich ihres
Verhaltens im Ausland gemacht werden sollen, muss aber auch
berücksichtigt werden, dass mittlerweile nicht mehr nur die
großen transnationalen Unternehmen, sondern vielfach auch
Mittelständler Auslandsinvestoren sind. Die Anforderungen
müssen auch ihnen gerecht werden und dürfen keinen
übermäßigen Aufwand verursachen. Zudem darf die
Politik die Verantwortung für bestimmte politische Ziele nicht
einseitig auf Unternehmen abschieben. Schließlich muss
berücksichtigt werden, dass die politischen, rechtlichen,
wirtschaftlichen und kulturellen Rahmenbedingungen in
Entwicklungsländern z. T. völlig verschieden von denen in
den Industrieländern sind. Daher lassen sich die bei uns
vorherrschenden Vorstellungen über sozial und ökologisch
„richtiges“ Verhalten oft nur eingeschränkt auf
Länder in anderen Teilen der Welt übertragen. Hier
stellen freiwillige Leitsätze die weitaus bessere Alternative
dar. Sie lassen den Unternehmen den Raum für die notwendige
Flexibilität in der unternehmerischen Praxis.
Unternehmenskodizes können so dazu beitragen, das Vertrauen
zwischen Investoren und Gaststaaten zu stärken. Damit
fördern sie insbesondere für Entwicklungs- und
Schwellenländer wichtige Direktinvestitionen. Diese Funktion
können Leitsätze nur dann übernehmen, wenn sie
weiterhin ihren Empfehlungscharakter behalten.
Gerade die letzten Jahre haben gezeigt, dass
die Staaten bei ihren Bemühungen um eine Verbesserung der
weltweiten Lebensbedingungen immer mehr an (z. B. finanzielle)
Grenzen stoßen. Zunehmend werden daher solche Probleme von
Staat und privaten Unternehmen gemeinsam angegangen. Das bedeutet
den Austausch von Kenntnissen, Erfahrungen, Finanzmitteln und
Humanvermögen. Beide Seiten können davon profitieren.
Diese Initiativen wollen wir unterstützen, denn solche
positiven Ansätze einer Entwicklungsförderung, die
wettbewerbsorientiert bleibt, sind im ureigensten
Entwicklungsinteresse der entsprechenden Länder.
Voraussetzung für das Gelingen solcher
Ansätze ist jedoch eine klare Zuordnung der Verantwortung und
der Steuerung der Projekte einschließlich der finanziellen
Risiken. Je freiwilliger das Zusammengehen von Staat und Wirtschaft
ist und bleibt, desto höher sind die Erfolgschancen für
beide Parteien.
Die Vorteile des Mittelstandes nutzen
und dem Mittelstand Chancen geben
Die Rolle des Mittelstandes in den
Produktions- und vor allem in den Dienstleistungssektoren ist im
Prozess der Globalisierung der Weltwirtschaft von großer
Bedeutung. Der eigentümergeführte oder genossenschaftlich
organisierte Mittelstand ist sowohl volkswirtschaftlich wie
gesellschaftspolitisch von außerordentlich großem Nutzen.
Die Chancen und Risiken der Globalisierung für den Mittelstand
sind sorgfältig zu prüfen. Hierbei können die
Auswirkungen auf den Mittelstand, der weltweit seine Produkte und
Dienstleistungen anbieten will und der damit auch der weltweiten
Wettbewerbssituation auf der einen Seite unterliegt und den
mittelständischen Strukturen, die regionale Märkte und
Bedürfnisse abdecken, durchaus unterschiedlich sein. Beiden
gemeinsam ist, dass sie sich durch hohe Anpassungsfähigkeit,
große Innovation und Arbeitsplatzintensität auszeichnen,
so wie sie unter dem gemeinsamen Mangel an Kapital und der
Behinderung durch Bürokratie besonders leiden. Als dritte
Gemeinsamkeit ist ihre besonders hervorzuhebende stabilisierende
Wirkung für gesellschaftliche Entwicklungen zu benennen. Diese
positive Wirkung liegt nicht zuletzt in der Tatsache
begründet, dass der Mittelstand dezentrale Siedlungsstrukturen
ermöglicht, große Standorttreue aufweist und Generationen
übergreifend nachhaltig plant.
Soweit der Mittelstand selbst in seinen
Möglichkeiten global antritt, ist er in besonderer Weise auf
offene, unbürokratische Märkte, auf
Investitionssicherheit und auf durchsetzbares Handelsrecht
angewiesen. Er reagiert besonders empfindlich auf Diskriminierung
sowie tarifäre und nicht tarifäre Handelshemmnisse.
Auch für den Mittelstand gilt, dass die
Globalisierung Chancen und Risiken birgt. Die Chancen liegen
insbesondere in der weltweiten Informationsmöglichkeit und in
der weltweiten Nischenpolitik. Sie liegen aber auch darin, dass
deutsche Global Player ihre Kernkompetenzen entwickeln und
„outsourcen“. Sie eröffnen damit neue
Chancen und Tätigkeitsfelder für mittelständische
Unternehmen.
Eigenkapital und Wettbewerbsrecht
stärken
Die Risiken liegen in zunehmender, auch
weltweiter Konzentration und im Entstehen von
übermächtigen Marktteilnehmern, die Marktwirtschaft durch
Machtwirtschaft ersetzen. Die Öffnung von
Dienstleistungsmärkten erhöht selbstverständlich den
Konkurrenzdruck auf den ansässigen Mittelstand. Um ihn fit
für die neuen Herausforderungen zu machen, gilt für den
nationalen Politikansatz das Folgende: Die Eigenkapitalbasis muss
durch vernünftige
Steuerpolitik deutlich verbessert werden. Auch im Interesse des
Mittelstandes muss der Arbeitsmarkt flexibler werden. Die
Finanzierung des Mittelstandes darf durch Entwicklungen wie in
Basel II nicht erschwert werden.
Unverzichtbar ist deshalb ein energischer
Einsatz der deutschen Verhandlungsführer bei den Baseler
Konsultationen für eine stärkere Mittelstandsorientierung
der geplanten Eigenkapitalvorschriften, um Schaden für kleine
und mittlere Unternehmen abzuwenden. Dazu gehören u.a. der
Verzicht auf Aufschläge für langfristige
Kreditlaufzeiten, eine stärkere Berücksichtigung der
bisher in Deutschland banküblichen Sicherheiten sowie ein
Bonus für kleinere Unternehmen beim internen Rating durch die
Banken.
Die in Basel zu entwickelnden neuen
Richtlinien müssen so ausgestaltet werden, dass sie die
Stabilität der Finanzmärkte gewährleisten, ohne die
Finanzierungsmöglichkeiten unserer mittelständischen
Unternehmen zu gefährden.
So wichtig aber eine stärkere
Berücksichtigung mittelständischer Belange bei Basel II
ist: es führt kein Weg an umfassenden politischen
Maßnahmen in Deutschland vorbei, die zur Verbesserung der
geringen Eigenkapitalausstattung der Betriebe beitragen. So muss
insbesondere das steuerliche Umfeld die Eigenkapitaldeckung
erheblich erleichtern und stärken.
Eine verschärfte Wettbewerbspolitik und
ein klar geregeltes Vergabewesen sind von lebenswichtiger
Bedeutung. Die Gründerszene einschließlich der
Kapitalversorgung muss in Deutschland auf hohes Niveau gebracht
werden. National und international müssen moderne und neue
Kooperationsformen entwickelt werden, um den Mittelstand auch im
Verband und im Verbund vor übermächtiger Konkurrenz zu
schützen und ihm neue Felder in der globalisierten Wirtschaft
zu eröffnen.
Mittelstand – Pate von
Demokratie und Menschenrechten
Ein zukunftsweisendes modernes
Entwicklungspolitik-Konzept muss realisieren, dass die
wirtschaftlichen Strukturen in den Entwicklungsländern und in
den Schwellenländern nur dann in der Breite erfolgreich
aufgestellt werden können, wenn die Mittelstandsförderung
in diesen Ländern ein zentrales Anliegen wird.
Genossenschaftliche Ansätze, Ansätze für Handwerk
und Dienstleistung, Familienunternehmen und vor allem auch
Existenzgründungen durch Frauen müssen unverzichtbare
Bestandteile der Entwicklungshilfe-Konzepte sein. Dies gilt auch
für Ansätze der Weltbank und des internationalen
Währungsfonds. Diese Forderungen sind auch vor dem Hintergrund
der entwickelten demokratischen Strukturen in vielen Ländern
unverzichtbar. Ein selbstbewusstes ökonomisch starkes
Bürgertum ist immer ein entscheidender Pate an der Wiege von
Demokratie und Menschenrechten gewesen. Durch die
Vielfältigkeit eines selbstbewussten Mittelstandes kann
Clanbildung, Vetternwirtschaft und Oli garchie erfolgreich
und dauerhaft durchbrochen werden.
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