4.2.2.3 Unzureichende Makropolitik und
Sonderprobleme in Ostdeutschland?
Eine andere
Auffassung widerspricht der Einschätzung, die
Beschäftigungskrise hierzulande und der Anstieg der
Arbeitslosigkeit seien durch die Rigidität der
Arbeitsmärkte und die niedrige Rentabilität zu
erklären (vgl. z.B. Lindlar u. a. 1998). Danach hat die unbefriedigende
Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland im Wesentlichen zwei
Ursachen: zum einen die besonderen Transformationsprobleme
Ostdeutschlands, zum anderen die Nachfrage- und
Wachstumsschwäche in Westdeutschland. Die Hauptursache dieser
Nachfrage- und Wachstumsschwäche liege in der unkoordinierten,
widersprüchlichen und prozyklischen makroökonomischen
Steuerung – mangelhafte Koordination von Fiskal-, Geld- und
Lohnpolitik – und in der wachsenden Abgabenbelastung der
Löhne. Die hohe Finanzierungslast der Sozialversicherungen bei
den Kosten der deutschen Einheit sei dafür mit ursächlich
gewesen. Hinzu käme noch ein chronischer und empfindlicher
Mangel an öffentlichen Investitionen, besonders auf kommunaler
Ebene.
Die
Angebotsbedingungen in Westdeutschland seien hingegen nicht
generell ungünstiger geworden. In diesem Zusammenhang wird
angeführt, dass sich die Kapitalrendite – von
Schwankungen der Kapazitätsauslastung abgese hen –
nicht verschlechtert und die Steuerlast auf Kapitaleinkünfte
und Gewinne nicht erhöht habe (Lindlar u.a. 1998: 12, 14).
Zudem wird darauf
hingewiesen, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland, wie auch in
den anderen europäischen Ländern, nicht kontinuierlich
zugenommen habe, wie es nach der Rigiditätstheorie zu erwarten
gewesen wäre, sondern diskontinuierlich und in großen
Schüben. Die Phasen stark zunehmender Arbeitslosigkeit fielen
mit Konjunktur einbrüchen zusammen, die ihrerseits durch
restriktive Geldpolitik verstärkt worden seien.
Dementsprechend
beruhe der Erfolg von Volkswirtschaften, die im Vergleich zu
Deutschland in der Arbeitsmarkt entwicklung günstig
abschneiden, wie z.B. der USA oder Großbritannien, nicht auf
deren Arbeitsmarktverfassung und Sozialsystem, sondern
hauptsächlich auf der besseren Makropolitik, besonders in der
stärker wachstumsorientierten Geldpolitik (Horn 1998, DIW
2000: 80). Zwar sei der Arbeitsmarkt in Deutschland in der Tat viel
stärker reguliert als beispielsweise in den USA oder
Großbritannien. Dies könne jedoch die deutsche
Arbeitsmarktkrise nicht erklären, denn diese Rigiditäten
hätten seit Mitte der 70er
Jahre in Deutschland nicht zu-, sondern abgenommen12. Auch das RWI ist der Auffassung,
dass die Erfolge der US-amerikanischen Arbeitsmarktpolitik nicht
durch die Deregulierung erklärt werden können, da der
Arbeitsmarkt in den USA in den 80er und 90er Jahren nicht
wesentlich dereguliert worden, sondern vielmehr seit jeher wenig
reguliert gewesen sei (Heilemann u.a. 2000, Kalmbach
2001).
12 Zum Beispiel erhebliche
Arbeitszeitflexibilisierungen, Rückgang der Bedeutung des
Flächentarifvertrages und des Einflusses der Gewerkschaften,
Verminderung der passiven Geldleistungen bei Arbeitslosigkeit,
teilweise strengere Sozialhilferegeln bei Arbeitslosen.
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