4.7.1.3 Die Geldpolitik
Der Europäische Gemeinschaftsvertrag
weist dem Europäischen System der Zentralbanken (ESZB) in
Artikel 105 EGV die vorrangige Aufgabe zu, die Preisstabilität
zu gewährleisten. Darüber hinaus gilt: „Soweit dies
ohne Beeinträchtigung des Ziels der Preisstabilität
möglich ist, unterstützt das ESZB die allgemeine
Wirtschaftspolitik in der Gemeinschaft ...“. Zwar
verpflichtet diese Formulierung das ESZB zur Unterstützung von
Wachstums- und Beschäftigungszielen, aber die
Entscheidungskompetenz, ob eine Unterstützung möglich ist
und wie sie ggf. auszusehen hätte, kommt uneingeschränkt
dem ESZB zu. Mit dieser Formulierung sind so unterschiedliche
Auffassungen vereinbar wie die, dass Preisstabilität
automatisch wachstumsfördernd wirke, oder die, dass eine
Zentralbank Wachstum und Beschäftigung mit ihren Mitteln nicht
zu unterstützen imstande sei, oder auch, dass die EZB
stabilitäts- und wachstumsorientierte Konjunkturpolitik zu
betreiben habe. Welche Interpretation das ESZB vornimmt, welche
geldpolitische Strategie sie wählt und wie sie im Rahmen
dieser Strategie die vorhandenen Beschäftigungsprobleme
deutet, all dies bleibt der autonomen Diagnose-, Analyse- und
Entscheidungshoheit der EZB überlassen.
Die EZB unterliegt nicht der Pflicht, unter
verschiedenen Strategien zur Sicherung der Preisstabilität die
beschäftigungsfreundlichste auszuwählen. Abgesehen von
Informationspflichten unterliegt sie keinerlei
Kooperationspflichten. Während die US-amerikanische
Zentralbank Preisstabilität, Wachstum und Beschäftigung
gleichermaßen verpflichtet ist, gibt es beim ESZB eine
einseitige Prioritätensetzung zu Gunsten der
Preisstabilität.
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