*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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4.7.2       Beschäftigungsrelevante Aspekte der europäischen Steuerpolitik36, 37

4.7.2.1    Direkte Beschäftigungswirkungen

Grundsätzlich dienen Steuern dazu, öffentliche Leistungen zu finanzieren, die wiederum Wirtschaft und Privat    haushalten zugute kommen. Beides ist im Zusammenhang zu sehen. Für die belasteten Bürger und Unternehmen sind Steuern daher kein reiner Kostenfaktor und auf einzelwirtschaftlicher Ebene gilt zumindest bei längerfristigen Standortentscheidungen, dass Investoren oder auch zuwandernde Arbeitnehmer grundsätzlich bereit sind, höhere Steuern zu zahlen, wenn sie dafür ein entsprechendes Angebot an öffentlichen Gütern erhalten (Buchanan 1950). Steuerlicher und fiskalischer Wettbewerb zwischen Regionen und Staaten kann zwar nach verbreiteter Meinung dazu beitragen, dass der Staat sparsam wirtschaftet und bei seinem Angebot an öffentlichen Leistungen die Präferenzen der Bürger und Unternehmen optimal berücksichtigt. Auf der anderen Seite sorgt der Steuerwettbewerb durch sinkende Steuersätze auf den mobilen Produktionsfaktoren zunächst einmal für eine Reduzierung der staatlichen Einnahmen. Ohne eine Erhöhung der Staatsverschuldung müssten deshalb als Folge des fiskalischen Steuerwettbewerbs die öffentlichen Leistungen eingeschränkt werden, was insbesondere die Lebensqualität derjenigen beeinträchtigt, die auf Grund ihres geringen Einkommens auf ein funktionsfähiges Angebot an staatlicher Leistungen angewiesen sind. Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die kostenlose Bereitstellung von öffentlichen Gütern durch den Staat. Öffentliche Güter haben die Eigenschaft, dass man niemanden von ihrer Nutzung ausschließen kann. Damit wird tendenziell strategisches „Trittbrettfahrer“-Verhalten ausgelöst – sowohl bei den Unternehmen und Bürgern, als auch durch die einzelstaatlichen Steuer- und Finanzpolitiken, wenn sie um florierende Unternehmen und leistungsstarke Bürger konkurrieren. Auch wenn steuerlicher und fiskalischer Wettbewerb als grundsätzlich sinnvoll erachtet wird, gefährdet ein ausgeprägter Steuersenkungswettlauf langfristig das Angebot an öffentlichen Leistungen, und damit auch die für die Standortqualität wichtigen staatlichen Angebote im Bereich wirtschaftsnaher Infrastruktur, die allgemeine und berufliche Bildung, die technologische Leistungsfähigkeit und längerfristig auch die soziale und politische Stabilität. Eine schlechte Standortqualität hätte jedoch unmittelbar negative Beschäftigungswirkungen.

Die genaue Definition, welcher Steuerwettbewerb „ruinös“ und welcher „grundsätzlich sinnvoll“ ist, konnte seitens der geladenen Experten nicht geklärt werden (vgl. auch Tanzi 1995, 1998b, OECD 1998). Dieser theoretische Kenntnisstand rechtfertigt jedenfalls keine politischen Handlungsempfehlungen in Richtung eines noch größeren Steuerwettbewerbs. Die empirische Tatsache, dass sich die Struktur des Steueraufkommens kontinuierlich zu Gunsten der mobilen Produktionsfaktoren verschiebt, spricht eher für einen politischen Handlungsbedarf in Richtung internationaler Steuerharmonisierung, damit die Steuergerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft nicht weiter erodiert.

Weitere direkte Beschäftigungswirkungen von Steuermaßnahmen sind nur sehr begrenzt festzustellen. Bei Standortentscheidungen steht zumeist die Erschließung von Marktpotenzialen der Zielländer im Vordergrund. Die konkreten Produktionskosten im Ausland weisen insgesamt eine geringere Bedeutung auf. Auch innerhalb der Kosten werden die Lohnkosten höher gewichtet als die Besteuerung. Zugleich legen die Investoren ebenso großen Wert auf produktivitätssteigernde Standortfaktoren wie Infrastrukturausstattung, Humankapital, FuE-Umfeld etc. Wichtig erscheinen nicht zuletzt die Infrastrukturangebote in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Bildung und Kultur – etwa wenn es darum geht, spezialisierte Arbeitskräfte zum Wohnortwechsel zu bewegen. Auch hierbei zeigt sich, dass Steuerlasten und öffentliche Leistungen tendenziell im Zusammenhang zu sehen sind. Beschäftigungseffekte können jedoch politisch initiiert sein, wenn mehr oder weniger gezielt Steuervergünstigungen zur Wirtschaftsförderung eingesetzt werden. Dies geschieht offen im Rahmen der regionalen Gebietsförderung.

Bei „Standortentscheidungen“ von Arbeitnehmern bzw. privaten Haushalten spielt die Besteuerung allenfalls bei hochspezialisierten und gutverdienenden Fachkräften eine gewisse Rolle. Manche Einkommensteuersysteme gewähren vor diesem Hintergrund Nachlässe bei der Besteuerung von ausländischen Arbeitnehmern, die aufgrund ihrer Fachkenntnisse ins Land geholt werden. Gesamtwirtschaftlich fallen diese Aspekte bisher kaum ins Gewicht, im Zuge der demografischen Alterung und der damit verbundenen Engpässe auf bestimmten Arbeitsmarktsegmenten könnten sie aber künftig eine größere Rolle spielen (Bach 2002: 7, 20f.).



36 Dieses Kapitel basiertauf auf einem Gutachten von Bach (2002).

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37 Vgl. hierzu auch das abweichende Minderheitenvotum von der PDSFraktion in Kapitel 11.3.5.

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