4.7.1.5 Die Lohnpolitik
Die Lohnpolitik beeinflusst die
Nominallöhne und damit indirekt das Preisniveau. Orientiert
sich die Lohnpolitik am Produktivitätsfortschritt, so bleibt
– bei unverändertem Preisniveau – die
Einkommensverteilung zwischen Arbeit und Kapital konstant. Es wird
also auf Umverteilung verzichtet, zugleich aber auch die
konsumptive Nachfrage stabilisiert.
Ähnlich wie in vielen anderen
europäischen Ländern geht die Lohnquote (Anteil der
Einkommen aus abhängiger Beschäftigung im Verhältnis
zum gesellschaftlichen Gesamt einkommen) in Deutschland
zurück. Die Bruttoreallöhne stiegen folglich langsamer
als die Produktivität. Es fand also
„Lohnzurückhaltung“ im Sinne der neoklassischen
Beschäftigungslogik, die sich an der Kostentheorie des Lohnes
orientiert, statt.
Die realen Nettolöhne und –gehälter
je Arbeitnehmer stiegen in den 70er Jahren im Jahresdurchschnitt um
1,8 Prozent und in den 80er Jahren um 0,7 Prozent,
während sie im gesamten Zeitraum 1991 bis 2000 um 5,9 Prozent
fielen (s. 4-5):
Im gleichen Zeitraum stiegen die realen
Nettogewinne der Unternehmen in Deutschland erheblich an. In den
Jahren 1980 bis 2000 nahmen sie um 96,5 Prozent zu (s.
Tabel le 4-6). Die Kluft zwischen Löhnen und
Gewinnen hat sich folglich seit 1980 nahezu verdoppelt.
Diese Entwicklung hat den sinkenden
Wachstumstrend und gleichzeitig steigende Arbeitslosigkeit nicht
aufhalten können. Die nachhaltige Einkommensumverteilung zu
Lasten der abhängig Beschäftigten dämpfte die
Binnennachfrage.
Gleichzeitig bestehen auf der Ebene der
Europäischen Union weder ein einheitlicher Lohnfindungsprozess
noch ein lohnpolitischer Koordinierungsmechanismus. Vielmehr haben
sich die Lohnverhandlungssysteme historisch unterschiedlich
entwickelt. Während sektorale und unternehmensspezifische
Lohnverhandlungen in jedem Land existieren, werden in einigen
Ländern Lohnverhandlungen auch auf zentraler Ebene
geführt. Demgegenüber bestehen Ansätze zu einem
Lohnunterbietungswettbewerb, der tendenziell deflationär wirkt
(vgl. Kromphardt 1999, Gern, Kamps und Scheide 2002).
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