5.2 Teilhabe
an der und Recht in der Wissensgesellschaft
5.2.1
Digitale Spaltung – Ursachen, Risiken, Überwindung
Definition und Einführung in das
Problem:
Mit der zunehmenden Verlagerung der
Kommunikation, des wirtschaftlichen Handelns aber auch der
politischen Willensbildung und -äußerung in das Internet,
stellt sich die Frage nach einer gerechten Partizipation aller
Staaten und Bevölkerungskreise an den durch die neuen
Techniken eröffneten Möglichkeiten. Als digitale Spaltung
– oft auch als „digital divide“ bezeichnet
– wird die Spaltung derjenigen in der Gesellschaft, die
Zugang zu Informationen und neuen Techniken haben, von denjenigen,
die keinen Zugang dazu haben, bezeichnet (Holznagel 2002: 7). Der
Begriff der digitalen Spaltung beschreibt zudem die weltweit extrem
ungleiche Verteilung von Informations- und Kommunikationstechniken.
Dabei ist zwischen der digitalen Spaltung zwischen Industrie- und
Entwicklungsländern (vgl. Kapitel
5.2.1.1.1) und der digitalen Spaltung innerhalb der
Industrieländer (vgl. Kapitel
5.2.1.1.2) zu unterscheiden.
Die Teilung der Gesellschaft in Teilnehmer
und Teilnehmerinnen sowie Nichtteilnehmer und Nichtteilnehmerinnen
an neuen Informations- und Kommunikationstechniken ist angesichts
des umfassenden Strukturwandels in Europa und in der Welt hin zur
Wissensgesellschaft ein zentrales Zukunftsproblem. Zum einen zeigt
sich, dass die Diskrepanz zwischen den
„Information-Haves“ und den
„Information-Have-Nots“ im globalen Maßstab
größer geworden ist, zum anderen hat die wirtschaftliche
und gesellschaftliche Bedeutung des Zugangs zu Informationen im
Übergang zu einer stärker wissenszentrierten
Ökonomie erheblich zugenommen. Die digitale Spaltung von heute
kann die soziale Spaltung von morgen bedeuten. Je mehr
wirtschaftliche und öffentliche Angebote elektro nisch sowie digital
angeboten werden, desto weniger ist die Trennung in Nutzer und
Nutzerinnen sowie Nichtnutzer und Nichtnutzerinnen politisch
hinnehmbar. Je stärker gesellschaftlich relevante
Informationen und Kommunikationen in elektronischen Netzwerken
stattfinden, desto stärker wirken sich soziale Unterschiede im
Zugang und Umgang mit den neuen IuK-Möglichkeiten aus.
Teilhabe und Erfolg in den schulischen, akademischen und
beruflichen Karrieren sowie die Organisation der Freizeitgestaltung
setzen zunehmend einen selbstverständlichen und kompetenten
Umgang mit den neuen Medien voraus. Aber auch die verstärkten
Bemühungen, etwa Verwaltungsvorgänge oder die politische
Teilhabe mittels IKT einfacher, bürgernäher und
effizienter zu gestalten, sowie neue Dienstleistungsformen
anzubieten, müssen an Grenzen stoßen, wenn immer noch ein
Großteil der Bevölkerung die neuen IuK-Chancen nicht
nutzen will oder kann. Aus politischer Sicht muss die Zielsetzung
aller Initiativen sein, die hinreichende Teilnahme aller
Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen, neue digitale
Klüfte zu ver hindern und sich auf internationaler Ebene
für eine bessere Chancengleichheit in den
Entwicklungsländern einzusetzen.
Die Unterscheidung der digitalen Spaltung
zwischen Industrieländern und Entwicklungsländern ist
unscharf, weil es innerhalb der Gruppe der Entwicklungsländer
wie auch innerhalb der Gruppe der Industrieländer große
Unterschiede gibt. Treffender ist z. B. die von der Weltbank
benutzte Unterscheidung in Leader, Adopter und Latecomer. Leader
sind die auf dem IT-Weltmarkt führenden Länder, z. B.
USA, Kanada und Skandinavien. Die Adopter werden die digitale
Lücke zu den Leadern in den nächsten zehn Jahren
verringern können, z. B. Brasilien, Russland, Malaysia. Als
Latecomer bezeichnet man die Länder, bei denen sich die
digitale Lücke zu den Leadern in den nächsten zehn Jahren
erheblich vergrößern wird, z. B. Bolivien, China, Indien
und – mit Ausnahme Südafrikas – der ganze
afrikanische Kontinent (BMZ 2001a: 29f.).
Eine andere Unterscheidung (nach Ursula Huws)
teilt die Länder nach ihrer digitalen Netzentwicklung
(E-Indikators) in sechs Gruppen ein:
– eLeaders: diese
Länder sind auf dem Gebiet der elektronischen
Datenverarbeitung führend.
– eCapables: zwar
sind diese Länder kleiner, operieren jedoch auf derselben
Stufe wie die eLeaders.
– eHares: diese
Länder sind relativ klein und verfügen nur über
begrenzte infrastrukturelle Telekommunikationsmöglichkeiten,
weisen allerdings ein schnelles Wachstum auf.
– eTigers: diese
Länder sind groß und besitzen eine recht gut entwickelte
Infrastruktur sowie verfügbares Humankapital. Oft spielen sie
eine signifikante Rolle in der weltweiten elektronischen
Datenverarbeitung.
– eMaybes: diese
Länder haben eine kleine Bevölkerung, eine gut
entwickelte Infrastruktur und Humankapital.
– eLosers: diese
Länder haben weder die nötigen infrastrukturellen
Gegebenheiten noch das Humankapital, um von der weltweiten
Datenverarbeitung zu profitieren.
Die Hauptfrage der internationalen und
nationalen digitalen Spaltung ist, ob es sich um ein
vorübergehendes Phänomen oder um eine permanente
Eigenschaft der Wissensgesellschaft handelt. Da der Zugang zu den
modernen Kommunikationsnetzen mehr und mehr zu einem sine-qua-non
für berufliches Weiterkommen und persönliche Teilnahme am
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben wird, wäre ein
permanenter Ausschluss bestimmter Ländergruppen oder einiger
Bevölkerungskreise eine Gefahr für den sozialen
Zusammenhalt der Gesellschaft (Eckert 2001: 3).
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