5.2.1.3
Handlungsempfehlungen
Die
Hauptaufgaben der Politik zur Überwindung der digitalen
Spaltung bestehen darin, Wettbewerb und Liberalisierung im
IKT-Sektor zu fördern, Anreize für die Wirtschaft zur
Kos tensenkung für Internet anschlüsse und
-nutzung zu schaffen, die Zugangsmöglichkeiten durch Schaffung
infrastruktureller Voraussetzungen zu erhöhen, Aus- und
Weiterbildungs- sowie Schulungsmaßnahmen zur Förderung
der Medien kompetenz von Vielen zu gewährleis ten,
die Daten sicherheit im Netz sicherzustellen bzw. zu
erhöhen sowie die Internetinhalte qualitativ und quantitativ
zu verbessern.
Zu den allgemeinen politischen Aufgaben zur
Überwindung der digitalen Spaltung zwischen Industrie- und
Entwicklungsländern gehören die Steigerung der Kaufkraft
der Armen, die Ausbildung und der Aufbau von Humankapital, der
Abbau des Analphabetismus, die Verbesserung der
Elektrizitätsversorgung, die Erhöhung des
Versorgungsgrades von Telefonnetzen sowie die Senkung der Tarife
für IuK-Dienste.
Bei strikter Beachtung des instrumentellen
Charakters von IKT sind vor allem drei eng miteinander zu
verknüpfende Ziele konstitutiv für den Erfolg
entsprechender Strategien:
– Zum einen gilt es,
die Zugangsmöglichkeiten zu IKT durch „angepasste“
technisch-organisatorische Infrastrukturprojekte zu erweitern
(„connectivity“).
– Zum zweiten kommt
es darauf an, die Fähigkeit der Menschen, der Gemeinschaften
und der Gesellschaften zu stärken, IKT sinnvoll und in ihrem
eigenen Interesse einzusetzen („capacity“) – u.
a. durch Alphabetisierung und Qualifizierung, aber auch durch Hilfe
bei der Schaffung eines innovationsfreundlichen Markt- und
Regulierungsumfeldes.
– Drittens
müssen bedarfsgerechte IKT-Anwendungen und -Inhalte entwickelt
und angeboten werden, die realen Nutzen stiften und Bezug zur
Lebenswirklichkeit in den Entwicklungsländern haben
(„content“). Dies heißt z. B., dass im Internet
auch Informationen in der Sprache des jeweiligen Landes bzw. der
Region – und nicht nur in Englisch bereitgestellt werden.
Die IKT-Projekte und -Maßnahmen
dürfen nicht ohne Beteiligung der Menschen in den
Entwicklungsländern und ihrer Interessen entwickelt werden.
Deshalb kommt es entscheidend auf Kooperation an, d. h. auf die
Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren und den Communities (Sommer
2001: 20). Dabei ist von Bedeutung, zentralen Institutionen und
wichtigen Akteuren des Entwicklungsprozesses wie Schulen,
Ausbildungszentren und wettbewerbsorientierten Unternehmen den
Zugang zu IKT zu ermöglichen (Stamm 2001: 2).
Das Spektrum der Bereiche, in denen
IKT-Entwicklungschancen verbessern, ist breit. In bestimmten
Bereichen ist – wie Erfahrungen gezeigt haben – der
Einsatz von IKT aber besonders effektiv.
Gemeinde-Kommunikationszentren verringern die Isolierung
abgelegener ländlicher Gegenden; sie beleben Wirtschaft und
Handel und sie führen zu mehr sozialer Partizipation und
Mitgestaltung. Die Gesundheitsversorgung wird durch
Informationssysteme verbessert, die beispielsweise ansteckende
Krankheiten, ihre Behandlungsmethoden und Behandlungserfolge
erfassen, ebenso durch interaktive Behandlungsberatung zwischen
Referenzkrankenhäusern und Basisgesundheitsstationen.
Bildungschancen werden durch vernetzte Lernumgebungen und durch
Vernetzung von Schulen untereinander, mit Gemeinden und – in
der beruflichen Bildung – mit Unternehmen verbessert.
E-Commerce schafft für Handwerk, Klein- und Mittelindustrie
neue inländische und – sofern bereits eine gewisse
industrielle Struktur besteht – ausländische
Absatzmärkte (BMZ 2001a: 30).
Aus dem konkreten Inhalt der Empfehlung
ergibt sich, ob sie zur Überwindung der digitalen Spaltung
zwischen Industrie- und Entwicklungsländern oder innerhalb der
Industrieländer bzw. nur innerhalb Deutschlands gilt.
Empfehlung 5-1
Förderung von
Wettbewerb
Der Wettbewerb zwischen Anbietern der
verschiedenen Übertragungswege und deren Schnelligkeit
(Fernsprechnetz, xDSL, Breitbandkabel, UMTS und Powerline) sollte
gefördert werden. Staatliche Initiativen müssen
dafür sorgen, dass technische Systeme von den Unternehmen
angeboten werden, die für alle Wettbewerber
„offen“ sind.
Empfehlung 5-2
Förderung von
Liberalisierung und Wettbewerb in Entwicklungsländern
Die Schaffung eines Universalzugangs
schließt eine selektive Liberalisierung auch in
Entwicklungsländern nicht aus. Wettbewerb mit privaten
IKT-Dienstanbietern soll gefördert werden, wenn die Versorgung
dadurch verbessert werden kann und Preissenkungen erzielt werden
können. Hierzu gehört auch die Festlegung von klaren,
objektiven und transparenten Regeln12 und Auflagen und deren Überwachung
durch Regulierungsbehörden sowie die internationale
Zusammenarbeit von Behörden mit dem privaten Sektor. Die
optimale technische Lösung (fest oder drahtlos, Satelliten,
Glasfaserleitungen etc.) für ein Entwicklungsland richtet sich
nach einer Reihe von Faktoren wie Geographie,
Bevölkerungsdichte und Wirtschaftstätigkeit. Der
Rechtsrahmen muss die Betreiber veranlassen, die kostenwirksamste
Strategie zu wählen und die Kostensenkung an den Verbraucher
weiterzugeben.
Empfehlung 5-3
Ermöglichen eines
Universal zugangs, Schaffung weiterer Nutzungsanreize
Der Universalzugang ist eindeutig ein
Hauptanliegen. Das Konzept bezeichnet in der Regel ein
Mindestangebot an Diensten für alle Bürger und
Bürgerinnen zu einem akzeptablen Preis. Dies schließt die
Verfügbarkeit von IKT in jeder Region eines Landes ein, um ein
Ungleichgewicht bei der Ver sorgung der Bevölkerung
zwischen Stadt und Land zu verhindern. Durch die Einrichtung
öffentlicher Zugangspunkte (öffentliche Fernsprecher,
Internet-Cafes, Telezentren) und dadurch, dass ihre Nutzung
für bestimmte Benutzergruppen kostengünstiger oder sogar
kostenlos gestattet wird, kann der physische und wirtschaftliche
Zugang zu Telekommunikationsdiensten für bestimmte
Bevölkerungskreise erleichtert werden. Weitere Nutzungsanreize
ließen sich schaffen, indem z.B. eine online eingereichte
Steuererklärung oder eine via Internet durch
geführte Anmeldung zu einer kostenpflichtigen kommunalen
Veranstaltung mit einer Prämie vergütet wird. Es ist an
die Schaffung eines Fonds (Digital Citizen Fonds) zu denken, mit
dem der Zugang zu bestimmten Diensten (z.B. Gesundheitsangeboten)
für ausgewählte gesellschaftliche Gruppen finanziert
wird. Auf die neuen Möglichkeiten des Internets sollte durch
öffentlichkeitswirksame Aktionen aufmerksam gemacht
werden.
Für Unternehmen sind Steuererleichterungen
zur Förderung ihres Engagements bei der Schaffung von
Internet-Zugängen zu erwägen, die zur Verminderung von
Zugangs-Barri eren beitragen.
Empfehlung 5-4
Förderung der Aus-
und Weiterbildung und der Medienkompetenz
Gefördert werden soll die Realisierung
eines Angebotes an Lehrinhalten, Fortbildungskursen und
-materialien für die Internet-Nutzung und des Engagements von
Internet-Multiplikatoren. Das Internet sollte als Instrument der
Fortbildung und des lebenslangen Lernens genutzt
werden.
Die Nutzung der Medien muss einfacher werden.
Durch Schulungs- und Förderinitiativen muss das für die
Nutzung neuer Medien nötige Wissen vermittelt werden. Diese
sollten sich gezielt an bestimmte gesellschaftliche Gruppen
richten. Individuelle Schulungsmaßnahmen können die
Unterschiede der Internetnutzer und -nutzerinnen nach Alter,
Geschlecht, Bildungsgrad, Einkommen und Berufstätigkeit
abbauen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und
Volkshochschulen sind prädestiniert, diese Kenntnisse zu
vermitteln.
Empfehlung 5-5
Förderung
angepasster IKT-Inhalte
Neben die zahlreichen internationalen, vor allem
US-amerikanischen Angebote im Internet sollten vermehrt Angebote
und Portale des europäischen und deutschen Kultur- und
Sprachraumes treten. Staatliche Institutionen sollten als gutes
Beispiel vorangehen und ihre Internetpräsenzen ausbauen.
Hochwertige Inhalte sollten aber vor allem in Eigeninitiativen von Bürgern und
Bürgerinnen, Wissenschaft, Verbänden etc. erarbeitet
werden.
Ein politischer Rahmen sollte Bestimmungen zur
Förderung der Entwicklung lokaler Inhalte umfassen.
IKT-Inhalte werden nur erfolgreich sein, wenn sie dem Bedarf der
Nutzer und Nutzerinnen entsprechen, in einer
allgemeinverständlichen Sprache abgefasst und den lokalen
Bedingungen sowie dem Arbeitsumfeld der Nutzer und Nutzerinnen
angepasst sind. Das lokale Eigentum an Informationen ist der
Schlüssel zur Nachhaltigkeit des Projekts.
Empfehlung 5-6
Verstärkte
geschlechtsspezifische Bildungsanstrengungen und Förderung der
Präsenz von Frauen im Internet und in IT-Berufen
Zu fördern sind
der Zugang zu Grundbildung und IT-relevanten Fertigkeiten von
Mädchen und Frauen durch die Aufnahme ins Curriculum der
Schulen, Angebote von IT-Training sowie das Studium
technischer und naturwissenschaftlicher Fächer durch Frauen.
Frauen-Technik-Tage und Praktika sollen die Kenntnisse über
das Berufsfeld in der IT-Branche erhöhen.
Die Vorschläge der Expertengruppe
„Frauen in der Informationsgesellschaft“ zur
Einrichtung von öffentlich finanzierten
Medien-Beratungsstellen bei Frauenorganisationen und eine
Ausweitung des Angebotes an Frauen- und Mädchen-Internet-Cafes
werden unterstützt. Zudem wird eine Ausweitung der Aktion
„Frauen ans Netz“ und die Förderung
geschlechtshomogener Angebote sowie die Entwicklung einer
mädchengerechteren Didaktik im Bereich der Informatik
gefordert.
Um die Präsenz von Frauen im Netz zu
fördern, sind z. B. Konzeptionen für frauengerechte
Informationssysteme zu fördern,
online-Frauenbranchenbücher und Jobbörsen für Frauen
zu schaffen, online-Angebote öffentlicher Institutionen besser
auf die Interessenlage von Frauen auszurichten und Frauenserver
einzurichten. Die Schaffung von Mentorinnennetzwerken soll die
Postition von Frauen in IT-Berufen verbessern und ihnen den
Einstieg erleichtern. Frauen sollten verstärkt bei
Qualifizierungsmaßnahmen berücksichtigt
werden.
Empfehlung 5-7
Förderung der
Infrastruktur und der Ausstattung mit Hardware in der Entwicklungs-
und Bildungs politik
Die Versorgung der Bevölkerung in
Entwicklungsländern mit Möglichkeiten zur elektronischen
Selbstdarstellung und Interaktion, IKT-Nutzung zur Verbesserung des
Gesundheits- und Bildungswesens sollten verstärkt Bestandteil
der Entwicklungshilfe- und Bildungspolitik sein.
Empfehlung 5-8
Internationale
Hochschul kooperation
Eine zentrale Zukunftsaufgabe stellt die
internationale Hochschulkooperation dar. In Kooperation von
Instituten vor Ort mit deutschen Einrichtungen, die Erfahrung in
der Geschlechterforschung bzw. mit geschlechtssensiblen
Ansätzen in Deutschland und Europa haben, könnte ein
Angebot für verschiedene Zielgruppen in
Entwicklungsländern aufgebaut werden, wie z. B. in den
Bereichen Informatik, Wasserwirtschaft, (ökologische)
Landwirtschaft und Sozialwissenschaften. Materialien, die vor Ort
kaum erhältlich sind, könnten virtuell zur Verfügung
gestellt werden. Auch für die berufliche Bildung und
Weiterbildung sind virtuelle Bildungsangebote zu
machen.
Empfehlung 5-9
Datensicherheit,
Gütesiegel, Haftungsregeln
Es muss gewährleistet sein, dass
Onlinetransaktionen sicher und unter Wahrung datenschutzrechtlicher
Grund sätze abgewickelt werden
können.
Dazu sind die Haftungsregeln so zu ändern,
dass Unternehmen bei groben Verstößen gegen die
IKT-Sicherheitsgrundsätze zu Schadensersatzzahlungen
verpflichtet werden. Hierdurch wird ein ökonomischer Anreiz
geschaffen, um den Sicherheitsstandard zu erhöhen.
Förderprogramme können die kleinen und
mittelständischen Unternehmen unterstützen, wenn sie ihre
Anstrengungen im Bereich IKT-Sicherheit verbessern wollen. Durch
die Verleihung von Gütesiegeln können besondere
Leistungen im Bereich der IKT-Sicherheit ausgezeichnet
werden.
Empfehlung
5-10 Untersuchung der positiven und
negativen Folgen des Internets
Im Rahmen der Forschungsförderung des
Bundes für die Informationstechnik sollen die positiven und
negativen Folgen des Internets stärker untersucht werden, vor
allem auch die sozialen Folgen im nationalen und globalen
Rahmen.
Empfehlung
5-11 Vorreiterrolle der
öffentlichen Verwaltung
Die öffentliche Verwaltung sollte eine
Vorreiterrolle bei der Anwendung von IKT und Bereitstellung von
Informationen und Dienstleistungen übernehmen.
Empfehlung
5-12 Maßnahmenbündelung in
einer Task Force „Informations gesellschaft für
alle“
Hierbei sollte es sich um eine offene
Arbeitsgruppe handeln, die gemeinsam mit der Wissenschaft die
zentralen Problemstellungen bearbeitet. In einem solchen Gremium
wäre auch zu ermitteln, inwiefern eine intensive
Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen
europäischen Staaten in diesem Bereich anzustreben ist.
Aufgabe der Task Force wäre es neben der kurz- und
mittelfristigen Umsetzung eines bestimmten Maßnahmenkataloges
schließlich, langfristige Visionen und Strategien für die
weitere Entwicklung der Wissensgesellschaft zu formulieren, um die
Gefahr eines deutschen Rückstands auf diesem Gebiet auf lange
Sicht zu bannen.
12 1) Lizenzen zur Kontrolle des Zugangs neuer
Marktteilnehmer 2) Zusammenschaltung zwischen neuen
Marktteilnehmern und den Netzen etablierter Betreiber 3)
Preispolitik
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