*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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5.2.1.3    Handlungsempfehlungen

Die Hauptaufgaben der Politik zur Überwindung der digitalen Spaltung bestehen darin, Wettbewerb und Liberalisierung im IKT-Sektor zu fördern, Anreize für die Wirtschaft zur Kos­ tensenkung für Internet­ anschlüsse und -nutzung zu schaffen, die Zugangsmöglichkeiten durch Schaffung infrastruktureller Voraussetzungen zu erhöhen, Aus- und Weiterbildungs- sowie Schulungsmaßnahmen zur Förderung der Medien­ kompetenz von Vielen zu gewährleis­ ten, die Daten­ sicherheit im Netz sicherzustellen bzw. zu erhöhen sowie die Internetinhalte qualitativ und quantitativ zu verbessern.

Zu den allgemeinen politischen Aufgaben zur Überwindung der digitalen Spaltung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern gehören die Steigerung der Kaufkraft der Armen, die Ausbildung und der Aufbau von Humankapital, der Abbau des Analphabetismus, die Verbesserung der Elektrizitätsversorgung, die Erhöhung des Versorgungsgrades von Telefonnetzen sowie die Senkung der Tarife für IuK-Dienste.

Bei strikter Beachtung des instrumentellen Charakters von IKT sind vor allem drei eng miteinander zu verknüpfende Ziele konstitutiv für den Erfolg entsprechender Strategien:

–    Zum einen gilt es, die Zugangsmöglichkeiten zu IKT durch „angepasste“ technisch-organisatorische Infrastrukturprojekte zu erweitern („connectivity“).

–    Zum zweiten kommt es darauf an, die Fähigkeit der Menschen, der Gemeinschaften und der Gesellschaften zu stärken, IKT sinnvoll und in ihrem eigenen Interesse einzusetzen („capacity“) – u. a. durch Alphabetisierung und Qualifizierung, aber auch durch Hilfe bei der Schaffung eines innovationsfreundlichen Markt- und Regulierungsumfeldes.

–    Drittens müssen bedarfsgerechte IKT-Anwendungen und -Inhalte entwickelt und angeboten werden, die realen Nutzen stiften und Bezug zur Lebenswirklichkeit in den Entwicklungsländern haben („content“). Dies heißt z. B., dass im Internet auch Informationen in der Sprache des jeweiligen Landes bzw. der Region – und nicht nur in Englisch bereitgestellt werden.

Die IKT-Projekte und -Maßnahmen dürfen nicht ohne Beteiligung der Menschen in den Entwicklungsländern und ihrer Interessen entwickelt werden. Deshalb kommt es entscheidend auf Kooperation an, d. h. auf die Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren und den Communities (Sommer 2001: 20). Dabei ist von Bedeutung, zentralen Institutionen und wichtigen Akteuren des Entwicklungsprozesses wie Schulen, Ausbildungszentren und wettbewerbsorientierten Unternehmen den Zugang zu IKT zu ermöglichen (Stamm 2001: 2).

   Das Spektrum der Bereiche, in denen IKT-Entwicklungschancen verbessern, ist breit. In bestimmten Bereichen ist – wie Erfahrungen gezeigt haben – der Einsatz von IKT aber besonders effektiv. Gemeinde-Kommunikationszentren verringern die Isolierung abgelegener ländlicher Gegenden; sie beleben Wirtschaft und Handel und sie führen zu mehr sozialer Partizipation und Mitgestaltung. Die Gesundheitsversorgung wird durch Informationssysteme verbessert, die beispielsweise ansteckende Krankheiten, ihre Behandlungsmethoden und Behandlungserfolge erfassen, ebenso durch interaktive Behandlungsberatung zwischen Referenzkrankenhäusern und Basisgesundheitsstationen. Bildungschancen werden durch vernetzte Lernumgebungen und durch Vernetzung von Schulen untereinander, mit Gemeinden und – in der beruflichen Bildung – mit Unternehmen verbessert. E-Commerce schafft für Handwerk, Klein- und Mittelindustrie neue inländische und – sofern bereits eine gewisse industrielle Struktur besteht – ausländische Absatzmärkte (BMZ 2001a: 30).

Aus dem konkreten Inhalt der Empfehlung ergibt sich, ob sie zur Überwindung der digitalen Spaltung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern oder innerhalb der Industrieländer bzw. nur innerhalb Deutschlands gilt.

Empfehlung 5-1         Förderung von Wettbewerb

Der Wettbewerb zwischen Anbietern der verschiedenen Übertragungswege und deren Schnelligkeit (Fernsprechnetz, xDSL, Breitbandkabel, UMTS und Powerline) sollte gefördert werden. Staatliche Initiativen müssen dafür sorgen, dass technische Systeme von den Unternehmen angeboten werden, die für alle Wettbewerber „offen“ sind.

Empfehlung 5-2         Förderung von Liberalisierung und Wettbewerb in Entwicklungsländern

Die Schaffung eines Universalzugangs schließt eine selektive Liberalisierung auch in Entwicklungsländern nicht aus. Wettbewerb mit privaten IKT-Dienstanbietern soll gefördert werden, wenn die Versorgung dadurch verbessert werden kann und Preissenkungen erzielt werden können. Hierzu gehört auch die Festlegung von klaren, objektiven und transparenten Regeln12 und Auflagen und deren Überwachung durch Regulierungsbehörden sowie die internationale Zusammenarbeit von Behörden mit dem privaten Sektor. Die optimale technische Lösung (fest oder drahtlos, Satelliten, Glasfaserleitungen etc.) für ein Entwicklungsland richtet sich nach einer Reihe von Faktoren wie Geographie, Bevölkerungsdichte und Wirtschaftstätigkeit. Der Rechtsrahmen muss die Betreiber veranlassen, die kostenwirksamste Strategie zu wählen und die Kostensenkung an den Verbraucher weiterzugeben.

Empfehlung 5-3         Ermöglichen eines Universal­ zugangs, Schaffung weiterer Nutzungsanreize

Der Universalzugang ist eindeutig ein Hauptanliegen. Das Konzept bezeichnet in der Regel ein Mindestangebot an Diensten für alle Bürger und Bürgerinnen zu einem akzeptablen Preis. Dies schließt die Verfügbarkeit von IKT in jeder Region eines Landes ein, um ein Ungleichgewicht bei der Ver­ sorgung der Bevölkerung zwischen Stadt und Land zu verhindern. Durch die Einrichtung öffentlicher Zugangspunkte (öffentliche Fernsprecher, Internet-Cafes, Telezentren) und dadurch, dass ihre Nutzung für bestimmte Benutzergruppen kostengünstiger oder sogar kostenlos gestattet wird, kann der physische und wirtschaftliche Zugang zu Telekommunikationsdiensten für bestimmte Bevölkerungskreise erleichtert werden. Weitere Nutzungsanreize ließen sich schaffen, indem z.B. eine online eingereichte Steuererklärung oder eine via Internet durch­ geführte Anmeldung zu einer kostenpflichtigen kommunalen Veranstaltung mit einer Prämie vergütet wird. Es ist an die Schaffung eines Fonds (Digital Citizen Fonds) zu denken, mit dem der Zugang zu bestimmten Diensten (z.B. Gesundheitsangeboten) für ausgewählte gesellschaftliche Gruppen finanziert wird. Auf die neuen Möglichkeiten des Internets sollte durch öffentlichkeitswirksame Aktionen aufmerksam gemacht werden.

Für Unternehmen sind Steuererleichterungen zur Förderung ihres Engagements bei der Schaffung von Internet-Zugängen zu erwägen, die zur Verminderung von Zugangs-Barri­ eren beitragen.

Empfehlung 5-4         Förderung der Aus- und Weiterbildung und der Medienkompetenz

Gefördert werden soll die Realisierung eines Angebotes an Lehrinhalten, Fortbildungskursen und -materialien für die Internet-Nutzung und des Engagements von Internet-Multiplikatoren. Das Internet sollte als Instrument der Fortbildung und des lebenslangen Lernens genutzt werden.

Die Nutzung der Medien muss einfacher werden. Durch Schulungs- und Förderinitiativen muss das für die Nutzung neuer Medien nötige Wissen vermittelt werden. Diese sollten sich gezielt an bestimmte gesellschaftliche Gruppen richten. Individuelle Schulungsmaßnahmen können die Unterschiede der Internetnutzer und -nutzerinnen nach Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Einkommen und Berufstätigkeit abbauen. Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und Volkshochschulen sind prädestiniert, diese Kenntnisse zu vermitteln.

Empfehlung 5-5         Förderung angepasster IKT-Inhalte

Neben die zahlreichen internationalen, vor allem US-amerikanischen Angebote im Internet sollten vermehrt Angebote und Portale des europäischen und deutschen Kultur- und Sprachraumes treten. Staatliche Institutionen sollten als gutes Beispiel vorangehen und ihre Internetpräsenzen ausbauen. Hochwertige Inhalte sollten aber    vor allem in Eigeninitiativen von Bürgern und Bürgerinnen, Wissenschaft, Verbänden etc. erarbeitet werden.

Ein politischer Rahmen sollte Bestimmungen zur Förderung der Entwicklung lokaler Inhalte umfassen. IKT-Inhalte werden nur erfolgreich sein, wenn sie dem Bedarf der Nutzer und Nutzerinnen entsprechen, in einer allgemeinverständlichen Sprache abgefasst und den lokalen Bedingungen sowie dem Arbeitsumfeld der Nutzer und Nutzerinnen angepasst sind. Das lokale Eigentum an Informationen ist der Schlüssel zur Nachhaltigkeit des Projekts.

Empfehlung 5-6         Verstärkte geschlechtsspezifische Bildungsanstrengungen und Förderung der Präsenz von Frauen im Internet und in IT-Berufen

Zu fördern sind der Zugang zu Grundbildung und IT-relevanten Fertigkeiten von Mädchen und Frauen durch die Aufnahme ins Curriculum der Schulen, Angebote von IT-Training  sowie das Studium technischer und naturwissenschaftlicher Fächer durch Frauen. Frauen-Technik-Tage und Praktika sollen die Kenntnisse über das Berufsfeld in der IT-Branche erhöhen.

Die Vorschläge der Expertengruppe „Frauen in der Informationsgesellschaft“ zur Einrichtung von öffentlich finanzierten Medien-Beratungsstellen bei Frauenorganisationen und eine Ausweitung des Angebotes an Frauen- und Mädchen-Internet-Cafes werden unterstützt. Zudem wird eine Ausweitung der Aktion „Frauen ans Netz“ und die Förderung geschlechtshomogener Angebote sowie die Entwicklung einer mädchengerechteren Didaktik im Bereich der Informatik gefordert.

Um die Präsenz von Frauen im Netz zu fördern, sind z. B. Konzeptionen für frauengerechte Informationssysteme zu fördern, online-Frauenbranchenbücher und Jobbörsen für Frauen zu schaffen, online-Angebote öffentlicher Institutionen besser auf die Interessenlage von Frauen auszurichten und Frauenserver einzurichten. Die Schaffung von Mentorinnennetzwerken soll die Postition von Frauen in IT-Berufen verbessern und ihnen den Einstieg erleichtern. Frauen sollten verstärkt bei Qualifizierungsmaßnahmen berücksichtigt werden.

Empfehlung 5-7         Förderung der Infrastruktur und der Ausstattung mit Hardware in der Entwicklungs- und Bildungs­ politik

Die Versorgung der Bevölkerung in Entwicklungsländern mit Möglichkeiten zur elektronischen Selbstdarstellung und Interaktion, IKT-Nutzung zur Verbesserung des Gesundheits- und Bildungswesens sollten verstärkt Bestandteil der Entwicklungshilfe- und Bildungspolitik sein.

Empfehlung 5-8         Internationale Hochschul­ kooperation

Eine zentrale Zukunftsaufgabe stellt die internationale Hochschulkooperation dar. In Kooperation von Instituten vor Ort mit deutschen Einrichtungen, die Erfahrung in der Geschlechterforschung bzw. mit geschlechtssensiblen Ansätzen in Deutschland und Europa haben, könnte ein Angebot für verschiedene Zielgruppen in Entwicklungsländern aufgebaut werden, wie z. B. in den Bereichen Informatik, Wasserwirtschaft, (ökologische) Landwirtschaft und Sozialwissenschaften. Materialien, die vor Ort kaum erhältlich sind, könnten virtuell zur Verfügung gestellt werden. Auch für die berufliche Bildung und Weiterbildung sind virtuelle Bildungsangebote zu machen.

Empfehlung 5-9         Datensicherheit, Gütesiegel, Haftungsregeln

Es muss gewährleistet sein, dass Onlinetransaktionen sicher und unter Wahrung datenschutzrechtlicher Grund­ sätze abgewickelt werden können.

Dazu sind die Haftungsregeln so zu ändern, dass Unternehmen bei groben Verstößen gegen die IKT-Sicherheitsgrundsätze zu Schadensersatzzahlungen verpflichtet werden. Hierdurch wird ein ökonomischer Anreiz geschaffen, um den Sicherheitsstandard zu erhöhen. Förderprogramme können die kleinen und mittelständischen Unternehmen unterstützen, wenn sie ihre Anstrengungen im Bereich IKT-Sicherheit verbessern wollen. Durch die Verleihung von Gütesiegeln können besondere Leistungen im Bereich der IKT-Sicherheit ausgezeichnet werden.

Empfehlung 5-10       Untersuchung der positiven und negativen Folgen des Internets

Im Rahmen der Forschungsförderung des Bundes für die Informationstechnik sollen die positiven und negativen Folgen des Internets stärker untersucht werden, vor allem auch die sozialen Folgen im nationalen und globalen Rahmen.

Empfehlung 5-11       Vorreiterrolle der öffentlichen Verwaltung

Die öffentliche Verwaltung sollte eine Vorreiterrolle bei der Anwendung von IKT und Bereitstellung von Informationen und Dienstleistungen übernehmen.

Empfehlung 5-12       Maßnahmenbündelung in einer Task Force „Informations­ gesellschaft für alle“

Hierbei sollte es sich um eine offene Arbeitsgruppe handeln, die gemeinsam mit der Wissenschaft die zentralen Problemstellungen bearbeitet. In einem solchen Gremium wäre auch zu ermitteln, inwiefern eine intensive Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen europäischen Staaten in diesem Bereich anzustreben ist. Aufgabe der Task Force wäre es neben der kurz- und mittelfristigen Umsetzung eines bestimmten Maßnahmenkataloges schließlich, langfristige Visionen und Strategien für die weitere Entwicklung der Wissensgesellschaft zu formulieren, um die Gefahr eines deutschen Rückstands auf diesem Gebiet auf lange Sicht zu bannen.



12 1) Lizenzen zur Kontrolle des Zugangs neuer Marktteilnehmer 2) Zusammenschaltung zwischen neuen Marktteilnehmern und den Netzen etablierter Betreiber 3) Preispolitik

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