5.3.1.5 Landwirtschaft und
Ernährung
Ein wesentlicher
Kritikpunkt ist die Abhängigkeit der Landwirte von
Saatgutkonzernen und die Gefährdung von Nahrungssicherheit
durch Patente. Sie erstreckt sich gleichermaßen auf Saatgut,
Lebens- und Futtermittel sowie die Verwertung der Ernte. Zwar
werden in der europäischen Richtlinie Pflanzensorten von der
Patentierung ausgenommen. Sofern jedoch mehr als eine spezielle
Sorte beantragt wird, können Patente auf diese Sorte und auf
nachfolgende Züchtungen erteilt werden. Noch werden Landwirte
nach der Regelung des europäischen Sortenschutzes bei der
Wiederverwendung von Saatgut von Lizenzanforderungen verschont.
Allerdings kann nach der Novellierung der europäischen
Sortengesetzgebung eine Nachbaugebühr erhoben werden, wie es
bereits in den USA gängige Praxis ist, wo Landwirte vom
Agrokonzern Monsanto verpflichtet werden, kein Saatgut ohne
Lizenzgebühr zur Aussaat zu verwenden. Gegen diese
Unternehmenspraxis wird bereits in zahlreichen Fällen vor
amerikanischen Gerichten geklagt. In der europäischen
Richtlinie tritt an die Stelle der Freiheit der Verwendung von
Pflanzensorten zur Züchtung nunmehr die Möglichkeit, eine
Zwangslizenz zu beantragen.
Im TRIPS-Abkommen
wiederum werden die WTO-Mitglieder verpflichtet, für
Mikroorganismen sowie für mikrobiologische und
nicht-biologische Verfahren zur Herstellung von Pflanzen und Tieren
einen Patentschutz bereitzustellen. Der bekannte Wirtschaftsjurist
Lukes warnte schon 1987 vor den Folgen: „Mit der Ausdehnung
der Ausschließlichkeitsbefugnisse, die sich bisher auf
Vermehrungsgut beziehen, würde auch das letzte Weizenkorn bis
hin zum Konsum und zur industriellen Verwertung vom Ausschlussrecht
erfasst. Da die Gentechnologie in der Pflanzenzüchtung
zunehmend eingesetzt wird, würden in kürzester Zeit alle
für die menschliche Ernährung mittelbar oder unmittelbar
bedeutsamen Kulturpflanzen dem Patenrecht
unterliegen.“(Greenpeace 1999: 61f.). Die Kultivierung der
Zuchtrechte, die Landwirte jahrhundertelang erbracht haben, wird
den Monopolinteressen der großen Saatgutkonzerne unterworfen
und daneben die Sortenvielfalt eingeschränkt. Profiteure sind
die wenigen großen Agrochemie- und Lebensmittelkonzerne.
Angesichts des Weltmarktvolumens ist dies kaum verwunderlich:
Für Agrochemikalien wird es auf ca. 28 Milliarden US-Dollar
geschätzt und nur für Saatgut werden 30 bis 50 Millionen
US-Dollar veranschlagt. Die Verteilungskämpfe zwischen
Monsanto und anderen Konzernen sind in vollem Gange, während
Landwirte davon ruiniert werden.
Im OECD-Bericht zu „Biotechnologie,
Landwirtschaft und Ernährung“ von 1994 wurde diese
Entwicklung wie folgt charakterisiert: „Das Hauptaugenmerk in
diesem Sektor galt der Neuorganisation des Saatgutmarktes, was eine
stärkere Integration in den Agrochemikaliensektor zur Folge
hatte. (...) Was die Vermarktungsstrategien für neue Produkte
anbelangt, so ist die bisherige Möglichkeit als Lieferant von
Gentechnik aufzutreten, ins Wanken geraten, und an ihre Stelle
tritt nun eine neue Strategie. Man versucht, sich Kontrolle
über die Saatgutmärkte zu beschaffen, bzw. was noch
wichtiger ist, in den nachgelagerten Bereich der Absatzmärkte
vorzudringen, um so den industriellen Mehrwert für sich zu
reklamieren.“ (OECD 1994)
Eine weltweite Verknappung und Verteuerung
von Lebensmitteln kann die Folge sein, so dass auch die Weltbank
vor Monopolpreisen warnt. Neben den höheren Preisen sind die
Entwicklungsländer besonders betroffen, da 80 Prozent ihres
Saatguts bisher aus heimischer Ernte stammt, die dann ersetzt
werden könnten bzw. noch zu patentieren wären. Hinweise
darauf gibt das Verfahren einiger großer Saatgutkonzerne.
Parallel zur Umsetzung des TRIPS-Abkommens gingen sie z. B. in
Indien dazu über, den Bauern patentgeschütztes Saatgut
zunächst kostenlos zur Verfügung zu stellen. In wenigen
Jahren werden die Bauern davon abhängig, weil sie kein eigenes
Saatgut mehr zur Verfügung haben und auch kein lokales Saatgut
mehr angeboten wird. Die Sortenvielfalt nimmt angesichts der
Marktkonzentration ab, die Vielfalt der Er
nährungsgrundlagen wird eingeschränkt, viele Landwirte
sind ruiniert. Weitere Folgen sind auch die Einschränkung der
Er nährungssicherheit und die Flucht in die Slums der
Städte.
|