5.3.3.2 Technologischer
Aspekt
In der
technologischen Dimension sind die Auswirkungen von
Softwarepatenten nach den vorliegenden Ergebnissen weniger
umstritten. Exklusivlizenzen wie Patente auf Software, so die
einhellige Meinung, steigert die Rechtsunsicherheit in Forschung
und Entwicklung und gefährdet die technologische Entwicklung.
Die besonderen Rahmenbedingungen der Softwareentwicklung im Sinne
eines sequenziellen, dynamischen und rekursiven Prozesses,
erschwert es zunehmend, sich einen Überblick über den
Stand der Technik verschaffen zu können. Zudem ist sowohl die
Wiederverwendung bestehender Lösungsfragmente ein
unumgängliches Rationalisierungsinstrument als auch das
Programmieren ein logikbasierter Prozess – ähnliche
Problemlagen führen zu ähnlichen Lösungsstrategien,
auch ohne bewusst Ansprüche Dritter verletzen zu wollen (Live
2001, Lutterbeck 2000: 96ff. und Moens 2000: 418f.). Eine Folge ist
die Zersplitterung der Patentgegenstände, da immer kleinere
Fragmente gesondert geschützt werden. Eine weitere liegt aber
darin, dass es zu einer Abkopplung der (rechtlichen) Patentquote
von der (technischen) Innovationsquote kommt. Genau dieser Effekt
ist auf dem Expertengespräch des Deutschen Bundestages
empirisch aufgezeigt worden: seit Mitte der 80er Jahre hat dort die
Häufigkeit von fortschritts- oder innovationsirrelevanten
Patentanmeldungen zugenommen (Lutterbeck 2001, Bessen, Maskin
2000). Patente verhindern Innovationen im Softwarebereich nicht
notwendig, aber sie fördern und intensivieren sie
offensichtlich in einem weitaus geringeren Maße, als oft
behauptet wird.
Ein zweiter
wichtiger technologischer Aspekt sind die Auswirkungen von
Softwarepatenten auf die Rahmenbedingungen so genannter
Open-Source-Entwicklungskonzepte (Open Source Software OSS, wie z.
B. Linux). OSS besitzt gegenüber proprietärer Software
Vorteile hinsichtlich der entscheidenden Kriterien wie
IT-Sicherheit, Programmstabilität und nicht zuletzt der
Entwicklungs- und Implementierungskosten. Eine
regelmäßige Gewährung von Patenten auf Software
erhöht die Rechtsunsicherheit von Open-Source-Entwicklungs-
und Vertriebskonzepten und verhindert die Realisierung dieser
Potenziale. Die komplexen Entwicklungsbedingungen moderner Software
machen eine volle Transparenz hinsichtlich der eventuell tangierten
Patentansprüche Dritter (Wiederverwendungs- und
Weiterentwicklungsparadigma) unmög lich, wodurch allein der Akt der
Quellcode-Offenlegung bereits aufgrund zu erwartender
Patentansprüche Dritter ein erhebliches Rechts- und
Finanzrisiko darstellt (Deutscher Bundestag 2001d, Live
2001)37. Die umfangreiche
Studie des Max Planck-Instituts (MPI) für ausländisches
und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht sowie
des Fraunhofer Instituts Systemtechnik und Innovationsforschung
(ISI) kommt zum Ergebnis, dass mit einer freien Patentierbarkeit
von Software in erster Linie eine deutliche Verringerung der
Innovationsdynamik und eine eklatante Verschlechterung der
Situation für Open Source-Konzepte verbunden wird (MPI, ISI
2001:103ff.). Das Potenzial von Open-Source würde durch eine
signifikante Ausweitung der Patentierbarkeit von Software nicht nur
nicht realisierbar, das Konzept als solches wäre
gefährdet.
37 Zu den Potenzialen von OSS vgl. Köhntopp,
Köhntopp und Pfitzmann 2000, Lutterbeck 2000: 60ff. sowie
Zendel 2000: 109ff.
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