*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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6.1.2       Feministische Ökonomie

Ökonomische Theorien und Statistiken sind größtenteil „gender-blind“. So werden beispielsweise die Beiträge der Frauen zur Wirtschaft systematisch unterschätzt: Der ausgedehnte Bereich unbezahlter Versorgungswirtschaft, in dem Frauen einen großen Teil der Arbeit übernehmen, um die soziale Kohäsion und mitmenschliche Verantwortung aufrechtzuerhalten, wird nicht sichtbar. Das heißt, dass der wirkliche Produktionsprozess vom Leben, also alles, was notwendig ist, um Tag für Tag die Subsistenz zu sichern, nicht als Leistung innerhalb einer Volkswirtschaft wahrgenommen wird. Diese vorwiegend häusliche und mütterliche Arbeit, die meistens von Frauen geleistet wird und der Gesellschaft kostenlos zugute kommt, erfährt weder eine breite gesellschaftliche Schätzung noch angemessene Beachtung innerhalb der Sphären der Wirtschaft und Wissenschaft.

Die Integration der Versorgungswirtschaft in das makro­ ökonomische Denken setzt eine Analyse der nationalen Produktionskreisläufe voraus. Es zeigt sich, dass der na    tionale Output das Resultat einer Interaktion von vier Wirtschaftsbereichen ist. Dabei handelt es sich erstens um die Warenwirtschaft des Privatsektors, die aus einem formalen Sektor und einem expandierenden informellen Sektor besteht. Der zweite Bereich umfasst die staatliche Dienstleistungsökonomie. Drittens werden in der sogenannten „care economy“ familien- und gemeinwesenorientierte Güter erzeugt. Schließlich bezieht sich der vierte Sektor auf ehrenamtliche Tätigkeiten, der sowohl bezahlte als auch unbezahlte Tätigkeiten beinhaltet (insbesonders in dem neuen Bereich von Nichtregierungsorganisationen).

Dieser Kreislauf von formaler und informeller privatwirtschaftlicher Warenproduktion bis hin zu den neuen ehrenamtlichen Tätigkeiten in Nichtregierungsorganisationen erzeugt den Gesamtreichtum einer Gesellschaft. Der Großteil der konventionellen makroökonomischen Theorien und Modelle ignoriert sowohl den Sektor der unbezahlten Hausarbeit als auch den NGO-Bereich. Ferner ist die weit verbreitete Annahme problematisch, dass nur die private Warenwirtschaft Wohlstand schafft, während die staatliche Dienstleistungsökonomie und die Versorgungswirtschaft der Haushalte und Gemeinwesen vor allem konsumieren, was in der privaten Warenwirtschaft produziert worden ist. Insgesamt läßt sich feststellen, dass die Ökonomie sich vor allem auf die Zirkulation der Waren- und Geldwirtschaft auf dem Markt bezieht (UNIFEM 2000, Bakker und Elson 1998). Diese verengte Perspektive erklärt auch, dass in der derzeitigen Diskussion um den Umbau des Sozialsystems die Verlagerung der Familienarbeit in die Privatsphäre mit dem Leitbild einer geschlechtsspezifischen Trennung von Arbeitssphären verknüpft ist (Goldmann 2002).

Die feministische Ökonomik hat sich im vergangenen Jahrzehnt als Forschungszweig auffällig rasch entwickelt. In ihrer Kürze werden die in diesem Kapitel dargestelltenZusammenhänge der feministischen Ökonomie nicht gerecht, bei der es sich – trotz des pauschalierenden Begriffs – um sehr unterschiedliche Ansätze in den verschiedenen ökonomischen Denkrichtungen handelt. Zwar zielen sie letztlich alle darauf, die Situation der Frau in der Gesellschaft zu verbessern und ihre spezifische Situation in der ökonomischen Theorie zur Geltung zu bringen. Unterschiede bestehen jedoch bezüglich der Frage, mit welchen theoretischen Ansätzen und Methoden bzw. welchen    politischen Forderungen dieses Ziel bestmöglich erreicht werden kann.4



4 Vgl. hierzu beispielsweise Bakker 1994, 2002, Elson 1995, Elson und Cagatay 2000, Grown, Elson und Cagatay 2000, Peterson und Lewis 1999, Jennings und Waller 1990; Hoppe 2002, Kuiper 1995, Nelson 1996, Ott 1992, Seiz 1995, Sen 1990, Young 2002.

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Abbildung 6-2