*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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6.1.1       Geschlechtsspezifische Problemlage3

Zur Veranschaulichung von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten können die beiden im UN-System akzeptierten Geschlechterindizes, die das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) zur Messung der geschlechtsbezogenen Entwicklung von den allgemeinen Entwicklungsindizes ableitet, herangezogen werden. Dabei handelt es sich um den Gender Development Index (GDI) und das Gender Empowerment Measure (GEM).

   Der GDI beruht auf den gleichen Messgrößen wie der allgemeine Index menschlicher Entwicklung (HDI). Im Gegensatz zum Gini-Koeffizienten ist der im Jahre 1990 von der UNDP eingeführte HDI ein zusammengesetzter Index, der die durchschnittlichen Errungenschaften eines Landes nicht nur in Bezug auf das Einkommen, sondern darüber hinaus auch in den beiden grundlegenden Bereichen menschlicher Entwicklung, Gesundheit und Wissen, erfasst. Aus dem HDI-Wert eines Landes geht hervor, in welchem Maße die drei vorgegebenen Ziele – eine hohe durchschnittliche Lebenserwartung, einem Zugang zu Bildung für alle und einem angemessenen Lebensstandard – erreicht wurden. Gemessen wird der Gesundheitszustand also anhand der Lebenserwartung, die Bildungschancen anhand der Analphabetismusrate und den Einschulungsquoten in allen Schulstufen sowie der Lebensstandard anhand des im Hinblick auf die Kaufkraftparität bereinigte Pro-Kopf-Einkommens. Der GDI differenziert diese Werte geschlechtsspezifisch (s. UNDP 1995: 72ff., UNDP 2000d: 23). Je größer die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind, umso niedriger fällt der GDI-Wert aus. Generell lassen sich aus der Analyse der GDI-Entwicklung folgende Schlussfolgerungen ziehen:

–    In allen Ländern der Welt liegt der GDI deutlich unter dem HDI, d. h. in keiner Gesellschaft der Welt haben Frauen die gleichen Chancen auf ein „gutes Leben“ wie Männer. In vielen Ländern erleben Frauen die prekäre Situation erheblicher Benachteiligung gegenüber Männern vor dem Hintergrund ohnehin niedriger Gesamtergebnisse bei der menschlichen Entwicklung. Nach dem Bericht über die menschliche Entwicklung weisen 33 von 146 Ländern einen GDI-Wert von unter 0,500, d.h. von weniger als der Hälfte des sehr niedrigen HDI-Wertes dieser Länder auf (UNDP 2001: 242ff.).

–    Die Gleichstellung der Geschlechter kommt in den letzten Jahren nur zögerlich voran. Nur 43 von 146Ländern weisen 2001 einen GDI-Wert von mehr als 0,800 auf. Während für die Zeit vor der Weltfrauenkonferenz von 1995 im Weltdurchschnitt ein merklicher Anstieg des GDI zu verzeichnen war, ist seitdem trotz der Selbstverpflichtung der Staatengemeinschaft auf zahlreiche Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation von Frauen in der Aktionsplattform von Peking eine Stagnation bzw. ein leichter Rückgang der Werte festzustellen (s. Abbildung 6-1,vgl. auch Ruppert 2001).

–    Geschlechtsspezifische Disparitäten stehen häufig in Zusammenhang mit menschlicher Armut. Seit Jahren weisen Länder wie Sierra Leone, Niger und Burkina Faso, die beim GDI am niedrigsten eingestuft werden, auch beim Human Poverty Index (HPI) die niedrigsten Werte auf.

–    Gleichwohl lässt sich mehr Gleichberechtigung grundsätzlich auch bei niedrigem Pro-Kopf-Einkommen und geringen HDI-Werten erreichen. Deutlich wird dies z. B. daran, dass etliche Länder im mittleren Bereich des HDI-Rankings, wie Sri Lanka oder die Republik Moldawien, ebenso wie einige Länder im unteren Bereich des HDI-Ranking, wie Haiti oder Tansania, deutlich bessere Positionen im GDI-Ranking aufweisen.

Noch plastischer als mit dem GDI wird das Ausmaß der Geschlechterungleichheit über den zweiten geschlechtsspezifischen Index GEM. Im Unterschied zum gewissermaßen rudimentären, die Grundlagen menschlicher Entwicklung bemessende GDI erfasst das Gender Empowerment Measure bestimmte Aspekte der Geschlechterverhältnisse in Wirtschaft und Politik. Als Kennzahl wird dabei der Anteil von Frauen in der Legislative, in den Führungsebenen der Wirtschaft, von Facharbeiterinnen und der Anteil von Frauen am nationalen Privateinkommen herangezogen. Der Vergleich von GDI und GEM zeigt, dass die Partizipationsmöglichkeiten von Frauen am öffentlichen Leben weltweit noch wesentlich geringer ausfallen als ihre Chancen auf Gesundheit, Einkommen und Bildung (s. Abbildung 6-2,vgl. auch Ruppert 2001).



3 Dieses Kapitel basiertauf einem Gutachten von Ruppert (2002).

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Abbildung 6-1