6.3.3.2 Europäische
Union
In zahlreichen
Resolutionen hat die Europäische Kommission in den vergangenen
Jahren ihr Konzept von Gender Mainstreaming verfeinert und
präzisiert. Mittlerweile verfolgen einzelne Generaldirektionen
eine gezielte Gender-Politik. Ein wesentlicher Faktor für die
gestiegene Bedeutung der Gender Mainstreaming Verpflichtung durch
die Mitgliedstaaten der EU war deren Verankerung im Sozialfonds.
Der Gender Mainstreaming-Gedanke wurde im Luxemburger
Beschäftigungsgipfel aufgegriffen. Im Amsterdamer Vertrag
bedeutet Gender Mainstrea ming, dass bei der Umsetzung aller
Leitlinien Chancengleichheit zu berücksichtigen ist und
Strategien zur Chancengleichheit ergänzend in einer
gesonderten Leitlinie entworfen werden. Damit sind die beteiligten
Staaten verpflichtet, die Gleichstellung der Geschlechter bei
EU-kofinanzierten Projekten zu realisieren. Gender Main
strea ming spielt auch bei der Ausgestaltung der
Förderrichtlinien und der regionalen Umsetzung des
Europäischen Sozialfonds (ESF) eine herausragende Rolle. Die
Vergabe von öffentlichen Mitteln mit den Anforderungen der
Geschlechtergleichheit zu verbinden, könnte ein weiterer
wirkungsvoller Hebel sein, um die Gleichstellung von Frauen und
Männern in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu
erzielen.
In einem anderen
ESF-Programm, in der Gemeinschafts initiative EQUAL, geht es
um die Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung am
Arbeitsmarkt – aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft,
Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller
Orientierung. Im Bereich der Gleichstellung von Frauen und
Männern sollen primär neue Formen der Arbeitsorganisation
entwickelt werden, welche die Vereinbarkeit von Familie und Beruf
erleichtern, die geschlechtsspezifische Segregation am Arbeitsmarkt
verringern und die Geschlechtertrennung im Beruf aufheben.21
Trotz vieler
positiver Entwicklungen in der europäischen Union muss noch
immer festgestellt werden, dass Gender Mainstreaming die zentralen
Felder der europäischen Politik, die zudem die
größten Etats haben, nicht erreicht. Dazu gehören
Landwirtschaft, Wettbewerb, Transport und Verkehr, Ökologie,
Außenpolitik etc. Auch bei der Zukunftsfrage nach den
Voraussetzungen der Aufnahme der mittel- und osteuropäischer
Staaten, wird die Forderung nach Chancengleichheit beider
Geschlechter bisher nicht ernsthaft zu einem Beitrittskriterium
gemacht.
21 Auch die Generaldirektion Research ist mittlerweile
als Vorreiterin für eine Gender Mainstreaming Politik
anzusehen. Sie hat die Geschlechterfrage in den letzten Jahren in
einem dynamischen Prozess explizit zum Thema gemacht. Argumentiert
wird hier, dass die mangelnde Repräsentanz von Frauen in der
Wissenschaft und in den Entscheidungsgremien von Wissenschafts- und
Forschungspolitik eine Verschwendung von Humanressourcen und ein
Hindernis für die Entwicklung der Wissenschaft darstellen. In
diesem Zusammenhang wurde eine Sachverständigengruppe
„Women and Science“ eingesetzt, um den Dialog zwischen
Wissenschaftlerinnen und politischen Entscheidungsträger/innen
der Mitgliedsstaaten zu fördern. Zudem hat die Kommission die
Dimension der Chancengleichheit in das 5. Rahmenprogramm im Bereich
der Forschung, technologischen Entwicklung und Demonstration
(1998–2003) integriert. Im Jahr 2000/2001wurden die
Schwerpunktprogramme des 5. Rahmenprogramms erstmals einem Gender
Impact Assessment (GIA) unterzogen. Die Auswertung des IHP
Programms zeigte, dass die Gender Mainstreaming Politik der
Generalsdirektion Research erste Erfolge verbuchen konnte. In den
Gutachtergremien war die Zielmarke von 40 Prozent Gutachterinnen
mit 37 Prozent fast erreicht. In den Stipendienprogrammen (z. B.
Marie Curie Fellowship) wurden erste konkrete Maßnahmen
ergriffen, um die Beteiligung von Frauen zu verbessern (Goldmann
2002).
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