6.5
Handlungsempfehlungen
Empfehlung 6-1
Erarbeitung von
gender spezifischen Indikatoren und Statistiken
Die Ausgangslagen von Frauen in der
Globalisierung sind in allen zentralen Lebens- und Arbeitsbereichen
von Ungleichheit geprägt. Darüber besteht in Politik und
Gesellschaft kein ausreichendes Problembewusstsein. Ein solches
Bewusstsein herzustellen, kann nicht allein Aufgabe der
Frauenpolitik sein. In den Veröffentlichungen aller
Politikressorts, die Daten und Fakten über die Entwicklung
menschlicher Lebensverhältnisse präsentieren, müssen
die Lebenslagen von Frauen umfassend dokumentiert werden.
Sonderpublikationen über die spezifische Situation von Frauen
sind dafür hilfreich, aber kein Ersatz für die
Verpflichtung auf eine Querschnittspolitik. Sonderkapitel in
allgemeinen Publikationen wirken hingegen dann kontraproduktiv,
wenn sie als Ersatz für eine durchgängige geschlechtliche
Differenzierung von Daten und Fakten fungieren.
Der Bundesregierung wird empfohlen, auf die
entsprechenden Ministerien und Verwaltungen hinzuwirken,
genderspezifische Indikatoren und Statistiken auf nationaler,
europäischer und globaler Ebene zu erheben, um
genderspezifische Auswirkungen der Globalisierung transparent zu
machen. Gender Audits and Gender Accounting sind die Voraussetzung
zur Durchsetzung von Gender Mainstreaming auf allen Ebenen von
Politik und Gesellschaft.
Unter anderem ist der Human Poverty Index ein
zentrales Instrument zur Messung von Ausmaß und Verbreitung
menschlicher Armut. Es wird der Bundesregierung empfohlen, sich
dafür einzusetzen, dass dieses Instrument so weiter entwickelt
wird, dass geschlechtliche Unterschiede in Bezug auf menschliche
Armut erfasst werden können.
Empfehlung 6-2
Erweiterung der
Definition von Menschenhandel in § 180, 181b StGB
Um ausreichende Handhabe nicht nur gegen
Zwangspros titution, sondern gegen alle Formen des
Menschenhandels zu entwickeln und um vollen Schutz der
Menschenrechte von Frauenhandelsopfern zu gewährleisten, wird
der Bundesregierung empfohlen darauf hinzuwirken, dass die
strafrechtliche Definition von Menschenhandel in § 180, §
181b entsprechend dem „Protokoll zur Verhütung und
Bestrafung des Menschenhandels, insbesondere des
Frauenhandels“ erweitert wird. Das genannte Protokoll ist
Teil der von der Bundesrepublik ratifizierten UN-Überein
kommen gegen grenzüberschreitende Kriminalität.
Verschleppten Frauen ist Opferschutz zu gewährleisten, der
medizinisch und sozioökonomisch die Basis für ein
selbstbestimmtes Leben in Sicherheit bietet.
Die Konvention zur „Unterdrückung des
Menschenhandels“ von 1949 soll erweitert werden, weil diese
sich auf den Handel in die Prostitution beschränkt und andere
Ausbeutungsverhältnisse nicht erfasst. Menschenhandel soll an
Zwang, Täuschung, Schuldknechtschaft, Zwangsarbeit,
Knechtschaft und Sklaverei festgemacht werden.
Empfehlung 6-3
Egalitärer Zugang
zu beruflicher Bildung und Qualifikation
Es wird der Bundesregierung empfohlen, sich in
der internationalen Arbeitspolitik und der
Entwicklungszusammenarbeit umfassend für den gleichen Zugang
zu beruflicher Bildung und Qualifikation, auch im IuK-Sektor und in
technischen Berufen, einzusetzen:
In der Entwicklungszusammenarbeit sind
kurzfristig Maßnahmen zum verstärkten Einbezug von
Mädchen und Frauen in technische und Ausbildungs
projekte im IuK-Sektor und von Jungen und Männern in Pflege-
und lehrende Berufe auf breiter Ebene zu entwickeln.
Angesichts der Engpässe in der
tertiären Bildung und Weiterbildung in vielen
Entwicklungsländern bietet die virtuelle Lehre in
Kooperationsprogrammen mit Insti tuten vor Ort auch unter
Gleichstellungsaspekten große Chancen und ist zu fördern.
Allerdings ist darauf zu achten, dass die Angebote qualitativ
hochwertig, interkulturell und ge schlechtspezifisch angelegt
sind. Solche Ansätze bieten die Virtuelle Internationale
Frauenuniversität (VIFU) und die Virtuellen Internationalen
Geschlechterstudien (VINGS).
Der Deutsche Akademische
Austauschdienst (DAAD) und die Carl Duisberg Gesellschaft (CDG)
müssen auf Gender Mainstreaming achten, wobei hier bereits
gute Ansätze existieren, und auf eine Orientierung von
mindestens 40 Prozent jedes Geschlechts unter den verschiedenen
Gruppen von Geförderten abzielen. Der DAAD kann Modellprojekte
für verstärkte Förderung von Frauen in Natur- und
Ingenieurswissenschaften, sowie in der Informatik
entwickeln.
Empfehlung 6-4
Förderung und
Schutz der Rechte von Arbeitnehmerinnen
Es wird empfohlen, geeignete Maßnahmen zu
ergreifen, die die Rechte von Arbeitnehmerinnen zur Beseitigung
der Segregation am
Arbeitsmarkt, der Belästigung am Arbeitsplatz, der
Diskriminierung bei den sozialen Schutzleistungen und bei den
betrieblichen Aufstiegschancen fördern und schützen.
Solche Maßnahmen entsprechen Abschnitt 82 a der Resolution der
Sondergeneralversammlung Peking +5 der Vereinten
Nationen.
Empfehlung
6-5 Verwirklichung
des Menschen rechts auf gleichen Lohn für gleiche
Arbeit
Mit den Kernarbeitsnormen der ILO existiert ein
geeigneter Mechanismus zur Verwirklichung des Menschenrechts auf
der Basis von gleichem Lohn für gleiche Arbeit. Bis die
uneingeschränkte Umsetzung der Arbeitsstandards verwirklicht
ist, müssen spezielle Programme zur sukzessiven Reduzierung
der Einkommensunterschiede von Frauen und Männern angewendet
werden, die zu den festen Bestandteilen der Arbeitsmarktpolitik,
der Entwicklungspolitik und der internationalen Politik der
Bundesregierung gehören müssen.
Empfehlung 6-6
Die Benachteiligung von
Frauen beseitigen
Die Einbeziehung von Frauen in
Entscheidungspositionen im Wirtschafts- und Finanzbereich, die
Erhöhung ihrer Wirtschaftskompetenz durch Förderung der
Forschung, der universitären und außeruniversitären
Bildung, der beruflichen Aus- und Weiterbildung und die Beratung
stellen eine Grundvoraussetzung für eine Überwindung der
wirtschaftlichen Benachteiligung dar. Geschlechtsspezifische
Hürden im Zivil- und Wirtschaftsrecht sind zu korrigieren. Die
Errichtung von Gender referaten („Gender-Desks“)
in den Verwaltungen, wie sie von vielen Frauenorganisationen
vorgeschlagen werden, könnte dazu beitragen, Frauen
verstärkt an politischen Entscheidungsprozessen zu
beteiligen.
Empfehlung 6-7
Soziale
Sicherungssysteme stärken
Eine Voraussetzung neben Zugang zu Bildung und
Gesundheitsversorgung sind soziale Sicherungssysteme, die der
besonderen Situation von Frauen, vor allem von armen, kinderreichen
Frauen, die auf Grund ihrer familiären Verpflichtungen oder
fehlender Qualifikationsmöglichkeiten nur schwer oder nur
für beschränkte Zeit über Zugang zum formellen
Arbeitsmarkt verfügen, gerecht werden. Es wird empfohlen
darauf hinzuwirken, dass die konkrete Umsetzung der 20:20
Initiative des Weltgipfels für soziale Entwicklung (WSSD) 1995
in Kopenhagen erfolgt.
Empfehlung 6-8
Genderspezifische
Koheränz der Internationalen Verhandlungen
Es wird empfohlen, darauf hinzuwirken, dass eine
Gender-Perspektive bei Handelsverträgen berücksichtigt
wird. Das heißt für die vorgeschlagenen Handelsabkommen
sollen vor der Unterzeichnung geschlechtsspezifische
Folgenabschätzungen durchgeführt werden. Es handelt sich
also um einen Bildungs- und Kohärenzprozess, der eingeleitet
werden muss. Die gleichen Regierungen, die in der WTO eine ganze
Reihe von Abkommen beschliessen, sind dieselben Regierungen, die
auch in den Diskussionen zu Gender Mainstreaming und an fünf
Weltfrauenkonferenzen,
Umweltabkommen unterzeichnen und in den Vereinten Nationen
über Menschenrechtskonventionen diskutieren. Eine
Gleichrangigkeit der unterschiedlichen Abkommen ist
anzustreben.
Empfehlung 6-9
Gezielte
Unterstützung von Frauen in Entwicklungsländern
Die gezielte Förderung von Frauen in der
ökonomischen Transformationsphase hat Auswirkungen auf das
Gesamtwohl einer Gesellschaft. In Zeiten der Transformation ist aus
afrikanischer und europäischer Perspektive historisch
ersichtlich, dass Frauen auch in kritischen Zeiten eine
Schlüsselfunktion einnehmen, z.B. während und nach dem
Ersten und Zweiten Weltkrieg in Europa. Die Unterstützung von
Frauen und ihr Recht auf Selbstbestimmung und menschenwürdige
Arbeitsbedingungen kann viele Gesellschaften aus der derzeitigen
völligen Deprivation heraushelfen. Hinsichtlich der
politischen Partizipation gilt es, Frauen in
Entwicklungsländern sowohl bei der Wahrnehmung des passiven
wie des aktiven Wahlrechts gezielt zu unterstützen. Die
Teilhabe von Frauen an politischen Entscheidungsprozessen ist ein
wichtiger Gradmesser für eine Verbesserung der Stellung und
Einfluss der Frau. Bei parlamentarischen Kontakten zwischen
Entwicklungs- und In dustrieländern muss daher
verstärkt Wert auf die Be rück sichtigung von
Parlamentarierinnen aus den Ländern des Südens gelegt
werden.
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