*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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7.2          Ernährung und Landwirtschaft

7.2.1       Einleitung

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) definiert Ernährungssicherheit als „eine Situation, die eintritt, wenn alle Menschen jederzeit physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichenden, sicheren und nährstoffreichen Nahrungsmittel haben, die ihren Nährstoffbedarf decken und ein aktives und gesundes Leben ermöglichen“ (CIDSE u. a. 2002). Das Nahrungsangebot muss in Menge und Qualität verfügbar und die Stabilität der Versorgung gewährleistet sein. Der Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften Amartya Sen nennt als Schlüssel zur Verwirklichung von Ernährungssicherheit die substantielle Freiheit des Einzelnen und der Familie, sich ausreichend Nahrung zu verschaffen. Entweder die Menschen sind in der Lage, ihre Nahrung selbst zu produzieren, oder sie müssen über die entsprechenden Mittel verfügen, sie auf dem Markt käuflich zu erwerben. Das heißt, dass Menschen dann Hunger leiden, wenn sie ihr Zugangsrecht auf eine angemessene Nahrungsmenge nicht wirksam machen können (Sen 2002: 197ff.). Die Weltnahrungsmittelproduktion pro Kopf ist nicht zurückgegangen. Die größten Wachstumsraten der Pro-Kopf-Produktion verzeichneten dichter besiedelte Regionen der Dritten Welt, und zwar in China, Indien und in Asien insgesamt. Einzig in Afrika, und dort insbesondere in der Sahelzone, ist die Nahrungsmittelproduktion pro Kopf gesunken (Sen 2002: 248ff.). Trotz dieser weltweit durchschnittlich ausreichenden Menge an Nahrungsnitteln sind 826 Millionen Menschen von Hunger und Unterernährung betroffen, davon 792 Millionen in Entwicklungsländern und 34 Millionen in Ost- und Mitteleuropa (s. 7-7), und eine weitere Milliarde von Menschen ist ständig dem Risiko von Ernährungsproblemen ausgesetzt (von Braun: 2002: 1).

Die Ursachen sind vielschichtig und hängen zusammen mit Politikversagen, der Armutsproblematik, den natürlichen Umweltbedingungen und der Bevölkerungsentwicklung (s. Abbildung 7-8).Das heißt Unterernährung ist nicht nur ein Problem der in einer Region, einem Land oder auch weltweit absolut produzierten Nahrungsmittelmenge. Vielmehr ist die Frage, inwieweit der Bevölkerung der Zugang zu Nahrung ermöglicht wird.. Diese Zugangsrechte sind abhängig von der Grundausstattung mit produktiven Ressourcen und marktfähigen Gütern, von den individuellen Produktionsmöglichkeiten, die wiederum eine Funktion der verfügbaren Technologie und des Wissens- und Ausbildungsniveaus sind, und funktionierender landwirtschaftlicher und außerlandwirtschaftlicher Produkt- und Faktormärkte (lokal, regional, global). Hinzu kommt die grundlegende Bedeutung der Verwirklichung politischer, wirtschaftlicher und sozialer Freiheitsrechte als notwendige Voraussetzung einer dauerhaften Befriedigung ökonomischer Bedürfnisse.

Die Globalisierungsprozesse wirken sich massiv auf alle den Gesamtkomplex menschlicher Ernährung betreffende Faktoren aus. „Globalisierung meint das erfahrbare Grenzenloswerden alltäglichen Handelns in ... verschiedenen Dimensionen ..., und damit im Grunde genommen etwas zugleich Vertrautes und Unbegriffenes, schwer Begreifbares, das aber mit erfahrbarer Gewalt den Alltag elementar verändert und alle zu Anpassungen und Antworten zwingt“ (Beck 1999: 44). Diese Veränderungen betreffen insbesondere auch die Ressourcen, die zur Ernährungssicherheit eingesetzt werden, ihre Verfügbarkeit, ihre Nutzungsmöglichkeiten und ihre Nutzungsintensität. Landwirtschaftliche Produktion, Lebensmittelvertrieb und -verteilung sowie ländliche Entwicklung stehen dabei naturgemäß im Mittelpunkt, wenngleich keinesfalls vergessen werden darf, dass die Ursachen von Unterernährung und Hunger immer auch außerhalb des agrarischen Bereichs zu suchen sind. Obwohl die Auswirkungen der Globalisierung auf landwirtschaftliche Entwicklungen und Ernährungssicherheit bislang kaum quantifizierbar sind und die Meinungen hier weit auseinandergehen, stellt sie dennoch eine relevante Größe dar. Zu beachten sind in diesem Zusammenhang die Auswirkungen der Handelsliberalisierung, von Strukturanpassungsprogrammen, Konzentrationsprozesse multinationaler Konzerne im Agrar­ sektor sowie von Finanzkrisen, etwa der Asienkrise.




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