7.6.2.2 UNEP-Reformdiskussion im
Kontext des IEG-Prozesses
Bereits 1997 hatte die Bundesregierung
zusammen mit Brasilien, Singapur und Südafrika einen
Vorstoß unternommen, das Thema auf die internationale
Tagesordnung zu setzen. Inzwischen wird das Thema von UNEP selbst
bearbeitet. Eine erste internationale Umweltministerkonferenz tagte
im Mai 2000 in Malmö und hob den organisatorischen
Reformbedarf der globalen Umweltpolitik hervor. Anfang Februar 2001
richtete der UNEP-Verwaltungsrat in Nairobi eine
intergouvernementale Arbeitsgruppe („Open-ended
Intergovernmental Group of Minis ters or their
Representatives“, IGM/IMG) zum Thema „International
Environmental Governance“ (IEG) ein. Diese Arbeitsgruppe
sollte sowohl vorhandene institutionelle Schwächen bewerten
als auch den Bedarf und die Möglichkeiten für die
Weiterentwicklung von UNEP eruieren. Im Rahmen der Treffen dieser
Arbeitsgruppe wurden im Jahr 2001 auch je eine Anhörung von
Expert(-innen) und Vertreter(-innen) der Zivilgesellschaft
durchgeführt.110
Während insgesamt sechs Sitzungen der Intergouvernementalen
Arbeitsgruppe zu IEG wurde in mehreren Arbeitsgruppen
diskutiert.
Auf der dritten Sitzung am 09./10. September
2001 in Algier, Algerien, stellte UNEP-Exekutivdirektor
Klaus Töpfer seinen überarbeiteten Bericht zu IEG vor
(UNEP/ IGM/3/2).111 Des
Weiteren präsentierte der kanadische Umweltminister David
Anderson, Vorsitzender des UNEP-Verwaltungsrats wie auch der
Intergouvernementalen Arbeitsgruppe, zur Sitzung ein Arbeitspapier
mit ersten Elementen („Building Blocks“) möglicher
Reformen. Elemente der in den beiden Papieren vorgeschlagenen
Reformen wurden in Algier in zwei Arbeitsgruppen diskutiert. Eine
erste Arbeitsgruppe beriet Schritte zur Reform von UNEPs Globalem
Umweltministerforum (GMEF) und weitere Maßnahmen zur
Stärkung von UNEP. Vorgeschlagen wurde, dass das GMEF eine
universelle Mitgliedschaft erhalten und als Steuerungsinstrument
innerhalb von UNEP ausgebaut werden soll. Das GMEF soll damit auch
als Forum für die Koordination in der internationalen
Umweltpolitik dienen. Eine zweite Arbeitsgruppe beriet die
Möglichkeiten einer noch weiter verbesserten Zusammenarbeit im
Rahmen bestehender multilateraler Umweltabkommen (MEAs) und die
Rolle der „Environment Management Group“ (EMG). Zur
verbesserten Koordinierung der MEAs und ihrer Umsetzung wurde das
so genannte „Clus tering“-Konzept diskutiert.
„Clustering“, d.h. die vertiefte Kooperation von
Konventionen und Programmen, soll zunächst v. a. auf
inhaltlicher Ebene gefördert werden. Die bereits bestehende
„Environmental Management Group“ (EMG) soll auch die
oben genannte Reformen als Koordinationsforum vorbereiten. Die
G77/China brachten Vorschläge für weitere „Building
Blocks“ ein, v. a. mit Blick auf die inhaltliche Einbettung
in ein Konzept „nachhaltiger Entwicklung“ und den
Transfer von Ressourcen und technischer Hilfe (Capacity Building).
Als UN-Programm kann UNEP bislang keine operativen Maßnahmen
durchführen. Der Töpfer-Bericht enthält nun u. a.
Vorschläge zum Ausbau der Kapazitäten von UNEP für
operationelle Maßnahmen in Entwicklungsländern (z.B.
Kapazitätenaufbau, Technologietransfer). Diese sollten jedoch
möglichst auf Pilotvorhaben im engeren Umweltbereich
beschränkt bleiben, damit eine klare Arbeitsteilung im
UN-System gewahrt wird. Die Neufassung des „Building
Blocks“-Papiers soll um die zwei Be reiche
„Sustainable Development“ und „Finance, Capacity
Building and Technology Cooperation“ erweitert werden.
Seither fanden mehrere Treffen statt, auf dem
die oben genannten Themen weiter diskutiert wurden.112 Bei der Sondersitzung des
UNEP-Verwaltungsrates sowie des Globalen Mi nisterforums
Umwelt im Februar 2002 in Cartagena konn te sich die EU mit
ihrer Forderung durchsetzen, UNEP durch die Aufwertung des GMEF zu
stärken. Das Ministerforum soll künftig deutlicher als
bisher die politische Debatte zur globalen Umweltpolitik
prägen und Empfehlungen auch gegenüber anderen
UN-Einrichtungen mit Umweltaktivitäten geben können
(„Political Guidance“). Als Forum für die
Koordination in der internationalen Umweltpolitik soll das GMEF
Empfehlungen für die kohärente Umsetzung der
verschiedenen multilateralen Umweltabkommen formulieren. Ferner
wird die Notwendigkeit unterstrichen, UNEPs Rolle auf den Gebieten
„Monitoring und Assessment“ und
Kapazitätenförderung in den Entwicklungs- und
Schwellenländern unter Beachtung der Tätigkeitsfelder und
Mandate anderer VN-Organisationen auszubauen. Ein weiteres Element
der Stärkung UNEPs ist die Etablierung eines strategischen
Plans zur technologischen Unterstützung und zum
Kapazitätenaufbau in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Dies soll UNEP in Zu sammenarbeit mit anderen betroffenen
internationalen Organisationen umsetzen und dabei auf die positiven
Erfahrungen aus der strategischen Partnerschaft zwischen UNEP und
GEF zurückgreifen.
Der Bericht der intergouvernementalen
Arbeitsgruppe wird der UN-Kommission für nachhaltige
Entwicklung (CSD), die als Vorbereitungsausschuss des Weltgipfels
für nachhaltige Entwicklung (WSSD) fungiert, vorgelegt. Auf
dem Weltgipfel in Johannesburg sollen die Vorschläge
erörtert und entsprechende Beschlüsse gefasst werden.
Das Stichwort
„Weltumweltorganisation“ wird im obigen Zusammenhang
insgesamt eher zurückhaltend verwendet.
Die USA und Japan sowie Vertreter der G77 und
Chinas nehmen eine eher zögerliche Haltung ein. Kritische
Stimmen mahnen an,
zunächst solche Reformen anzustreben, die sich in
überschaubaren Zeithorizonten sowie mit vertretbarem Aufwand
erreichen lassen (vgl. Juma 2000). Auf der Basis
vertrauensbildender Maßnahmen in diesem Bereich öffnet
sich die Position der Entwicklungsländer jedoch in
jüngster Zeit. Auch der WBGU empfiehlt nachdrücklich,
sich gezielt um Koalitionen mit wichtigen Entwicklungsländern
zu bemühen, um die Akzeptanz politischer Initiativen von
vornherein sicherzustellen. Frankreich und Kanada unterstützen
Vorschläge nach Reformen in Richtung einer
Weltumweltorganisation. Die Bundesregierung votiert in Abstimmung
mit der EU dafür, dass die auf dem Weltgipfel für
Nachhaltige Entwicklung anstehende Beschlussfassung der
Ausgangspunkt für eine Aufwertung des UN-Umweltprogramms
(UNEP) sein sollte, mit der Perspektive, UNEP zu einer
Weltumweltorganisation fortzuentwickeln.113 Sowohl der Bereich Umwelt (UNEP) als
auch der Bereich nachhaltige Entwicklung (insbesondere CSD) soll
institutionell gestärkt werden.
Umstritten ist auch der Standort Nairobi. Mit
Blick auf die angestrebten Maßnahmen des Capacity Building in
Entwicklungsländern sollte der Standort Nairobi allerdings
beibehalten werden. Dennoch sind massive Verbesserungen vor Ort
notwendig, auch um die Personalsituation UNEPs in Nairobi zu
optimieren. Voraussetzungen dafür sind insbesondere stabile
finanzielle Ressourcen, politische Unterstützung für das
in Nairobi angesiedelte UNEP und verbesserte Sicherheitsbedingungen
in Nairobi. Zudem könnten die anderen regionalen Zentren UNEPs
(Genf, Paris) weiter ausgebaut werden.
Die Gründung einer
Weltumweltorganisation wird von Entwicklungs- und
Industrieländern wohl nur dann akzeptiert werden, wenn beiden
Seiten effektive Ein fluss möglichkeiten bei deren
Steuerung und Fortent wicklung eingeräumt werden. Als
Modell bietet sich die Übernahme des
nord-süd-paritätischen Entscheidungs ver
fahrens des Multilateralen Fonds im Montrealer Protokoll oder des
ähnlich angelegten Mechanismus in der GEF an. Den
Entwicklungsländern brächte die Gründung einer
Weltumweltorganisation unter anderem den entscheidenden Vorteil
einer räumlichen Zentralisierung von Verhandlungen.
Sämtliche internationalen umweltpolitischen Treffen
könnten am Sitzort der Weltumweltorganisation organisiert
werden, was fast allen Entwicklungsländern den Aufbau eines
professionellen Diplomaten- und Expertenteams vor Ort erleichtern
würde. Dasselbe gilt für Umweltschutzverbände und
andere Nichtregierungsorganisationen vor allem aus
Entwicklungsländern, die sich das bisherige Verhandlungssystem
weltweit wechselnder Konferenzen nicht leisten können.
Außerdem muss das legitime Interesse der
Entwicklungsländer an deren nachholender und nachhaltiger
Entwicklung berücksichtigt werden. Dies muss durch die
finanzielle Stärkung der GEF und den Ausbau der entsprechenden
Ressourcen- und Technologie-Transfers unterstützt werden. UNEP
sollte nach Auffassung der EU auch vermehrt die Möglichkeit
nutzen, anhand von kleinen, ausgewählten Pilotprojekten die
konkreten ökologischen und ökonomischen Vorteile von
Um welt schutzpolitik und Umweltschutztechnologie zu
demonstrieren. Im IEG-Prozess hoben die G 77/China die
Notwendigkeit einer „Sustainable
Development“-Komponente hervor und sprachen sich in diesem
Zusammenhang auch für den Erhalt der UN-Kommission für
Nachhaltige Entwicklung (CSD) aus.
110 Eine Zusammenfassung der Ergebnisse dieser
Konsultationen sowie weiterer Unterlagen zum IEG-Prozess finden
sich unter UNEP (2002).
111 Der Bericht findet sich ebenfalls unter UNEP
(2002).
112 Die vierte Sitzung der IGM/IMG fand am 31.
November/1. Dezember 2001 in Montreal, Kanada, statt, eine
fünfte Sitzung der IGM/IMG am 25. Januar 2002 in New York. Das
sechste „Final Meeting of the Open-ended Intergovernmental
Group of Ministers or Their Representatives on International
Environmental Governance“ fand am 12. Februar 2002 in
Cartagena, Kolumbien, statt. Direkt im Anschluss tagte das Globale
Ministerforum Umwelt.
113 Schon im Algier-Statement der Bundesregierung
hieß es: „Besonders im Hinblick auf die Globalisierung
ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die Belange der Umwelt auf
internationaler Ebene wirksam vertreten werden. Mit dem
Johannesburg-Gipfel sollte eine Aufwertung der UNEP in Nairobi
beginnen, mit der Aussicht auf Weiterentwicklung der UNEP zu einer
Weltumweltorganisation.“
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