7.7.1.2 Anreize für einen an
Nachhaltigkeit orientierten Konsumstil
Verbraucherverhalten orientiert sich an individuellen
Handlungsbereitschaften und Nutzerkalkülen. Ökonomisch
betrachtet lässt sich der Nutzen aufteilen in den Grundnutzen
eines Produktes und den Zusatznutzen. Der Zusatznutzen beim Kauf
eines „nachhaltigen“Produktes ist gegebenenfalls ein
Fremdachtungsnutzen und ein Selbstachtungsnutzen, die beide
gesteigert werden können.120 Entscheidend für das Verhalten von
Individuen – hier Konsumentinnen und Konsumenten – ist
ihr soziokulturelles Umfeld, das die individuelle Meinungs- und
Präferenzenbildung prägt. Damit ein so genannter
Zusatznutzen in Form einer gesteigerten Selbst- bzw. Fremdachtung
generiert werden kann, muss das soziokulturelle Umfeld des
Verbrauchers den „nachhaltigen“ Konsum positiv
einstufen gegenüber dem „nicht nachhaltigen“
Konsum. Auf dieser Ebene muss der Nutzen eines Produktes dem
Verbraucher wie dem Produzenten und ihrem Publikum
(Fremdachtungsnutzen) erkennbar sein, um zu einer bewusst
gesteuerten Verhaltensänderung zu führen, d. h. der
größere Nutzen eines nach
Nachhaltigkeitsmaßstäben hergestellten Produktes
gegenüber einem herkömmlichen muss nicht nur konkret
erkennbar gemacht werden, sondern für die Konsumenten und die
Öffentlichkeit auch glaubhaft sichtbar sein. Anderenfalls wird
ihre Zahlungsbereitschaft für diesen Zusatznutzen nicht
ausreichend sein, um einen höheren Kos tenaufwand der
Anbieter decken zu können, und die Anbieter werden kaum eine
Möglichkeit haben, für einen solchen Zusatznutzen ihrer
Produkte und Dienstleis tungen einen höheren Aufwand zu
treiben, wenn er am Markt nicht vergütet wird. Die
Informationsbeschaffung der Verbraucher ist für die
Durchsetzung von Zusatznutzen für nachhaltige Güter und
Dienstleistungen im Markt daher essenziell. Sie sollte auch durch
entsprechende an ökologischen, sozialen und ethischen
Standards orientierte Offenlegungspflichten für Unternehmen
erleichtert werden. Ein aus England in die deutsche Gesetzgebung
übernommenes Beispiel ist die Transparenzpflicht für
Anbieter der Riester-Rente.121 Ein anderes Beispiel ist die
gegenwärtige Debatte um die Einführung einer Deklaration
der Umwelteigenschaften der elektrischen Stromerzeugung, die z. B.
bereits in etlichen Staaten der USA eingeführt ist und
gegenwärtig in der EU eingeführt werden soll. Solche
Transparenzinformationen stellen, anders als dies in weiten
Bereichen der Wirtschaft noch gesehen wird, kein Wettbewerbshemmnis
dar, sondern sind im Gegenteil notwendige Voraussetzung, um
höhere als (gesetzliche) Minimalstandards überhaupt im
Markt durchsetzen zu können. Ein Gesetz zur Verbraucher
information122, das u.
a. „dem Verbraucher den bewussten Einkauf nach seinen
ethischen Wertvorstellungen er möglichen“ soll,
wurde im Mai 2002 im Bundestag be schlossen.
Kaufentscheidungen laufen jedoch nicht rein „rational“
bzw. nutzenorientiert ab, sondern werden stark bestimmt von
emotionalen und psychologischen Einflussfaktoren – wie dies
die tägliche Flut von Werbemaßnahmen verdeutlicht
(symbolische Funktion wie Zugehörigkeit zu sozialer Gruppe,
Statussymbol u.a.). Nachhaltige Produkte bzw. eine nachhaltige
Lebensweise müssen den Verbraucher also auch emotional
ansprechen, um Erfolg haben zu können. Die Förderung
nachhaltiger Lebensstile sollte somit bei der Förderung von
Handlungsbereitschaften ansetzen und den Verbrauchern
Möglichkeiten zum „Erproben“ geben, d. h. es
müssen bereits Waren am Markt vorhanden sein. Werbung
(über Funk, Fernsehen, Internet, Plakate) hat in diesem
Zusammenhang die Funktion, einerseits zu informieren und
andererseits Lust zu machen auf das Ausprobieren und Testen eines
bereits vorliegenden nachhaltigen Warenangebots.
120 Fremdachtungsnutzen ist dabei der Nutzen, der durch
eine besondere Achtung des Individuums durch andere entsteht.
Selbstachtungsnutzen ist der Nutzen, der eine höhere
Selbstachtung generiert.
121 Im Gesetz zur Reform der gesetzlichen
Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten
Altersvorsorgevermögens (Altersvermögensgesetz AvmG)
heißt es in Artikel 6a (Zertifizierungsgesetz) § 1 Ziffer
9: „Der Anbieter muss auch darüber schriftlich
informieren, ob und wie er ethische, soziale und ökologische
Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge
berücksichtigt“. Zum ethischen Investment insgesamt
siehe auch Empfehlung 2-14.
122 Entwurf eines Verbraucherinformationsgesetzes
(BT-Drs. 14/8738) vom 08.04.02.
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