*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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7.7.1.3    Konkrete Handlungsfelder für verhaltens­ ändernde Maßnahmen mit unterschiedlichen Umsetzungs­ schwierigkeiten

Konkrete Handlungsfelder, in denen nicht nur Bedarf, sondern auch Chancen zu einer Veränderung des Verbraucherverhaltens in Richtung Nachhaltigkeit bestehen, sind Investitionen/Kapitalanlagen, Ernährung/Lebensmittel, Bildung und Wissenschaft, Mobilität und Tourismus, Bauen und Wohnen, Energienutzung. Dabei bilden die Bereiche „Bauen und Wohnen“, „Lebensmittel und Er­ nährung“, „Mobilität und Tourismus“ die drei prioritären Handlungsfelder, weil die Haushalte in ihrem Verbrauchs­ verhalten direkt Einfluss nehmen können (Spangenberg, Lorek 2001: 6, 18).

Grundsätzlich sind Verhaltensänderungen für den Menschen dort leichter, wo persönliche Vorteile erfahrbar werden. Viel schwerer sind Änderungen im Verhalten zu erzielen, wo diese Erfahrbarkeit, der persönliche Nutzen, fehlt oder nur geringfügig ausgeprägt ist. Allgemeine Hindernisse sind hohe Preise, mangelnder Komfort bzw. Bequemlichkeit, mangelnde Verfügbarkeit, Informationsdefizite und Vertrauensmangel in die „Echtheit“ von Produkten mit höherer Prozessqualität. Prozessqualität beschreibt dabei die spezifische Produktionsbedingungen, ohne dass die äußerlich wahrnehmbaren Eigenschaften – die „Ergebnisqualität“ – eine höhere Prozessqualität sichtbar wer­den lassen müssen.

Verhältnismäßig leicht zu erreichen sind Änderungen im Bereich Bauen und Wohnen und der damit verbundenen Energienutzung, mit einer energieeffizienten Heiztechnik, optimaler Gebäudedämmung und einem angepassten Nutzerverhalten, d. h. einer gesenkten Nachfrage beim    Energiebedarf. Hier können die erreichten Energieeinsparungen spürbare monetäre Vorteile bringen. Instrumente, die dieses Einsparpotenzial bereits aufgreifen, sind beispielsweise die Energieeinsparverordnung und das CO2-Gebäudesanierungsprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Einer breiteren Durchsetzung stehen entgegen das tendenziell geringe Interesse am Thema Energie, Befürchtungen der Komfortbeeinträchtigung (da „Energiesparen“ häufig mit „Frieren müssen“ gleichgesetzt wird, obwohl das Gegenteil richtig ist: Wärmedämmung und wärmedämmende Fensterverglasung führen zu merklich geringerer Kältestrahlung der Außenwände und Fenster und damit zu höherem Komfort, der es zulässt, dass die Raumlufttemperatur ohne Komfortverlust abgesenkt werden kann, da die Kältestrahlung ungedämmter Wände und einfach- oder doppelverglaster Fenster nicht mehr durch höhere Lufttemperaturen kompensiert werden muss), Investor-Nutzer-Konflikte bei Mietobjekten sowie die technische Überforderung im Umgang mit der Haushaltstechnik.

Weitaus schwieriger zu erzielen ist ein Umdenken im Bereich Mobilität und Tourismus: Umweltschutz wird hier mit Zwängen und Einschränkungen der persönlichen Freiheiten – Stichwort Auto, Stichwort Fernreisen – verbunden. Die Vorteile nachhaltigen Verhaltens sind für den Einzelnen schwer erkennbar bzw. werden von individuellen Vorteilen nicht nachhaltigen Verhaltens überwogen. Anreize zugunsten nachhaltigen Mobilitäts-Verhaltens können geschaffen werden durch Maßnahmen wie eine kontinuierliche Anhebung der Mineralölsteuer oder einer nach CO2 differenzierten Kfz-Steuer, einer für die Verbraucher transparenten Kennzeichnung von Kfz nach ihrer spezifischen Umweltbelastung, einem gleichzeitigen Ausbau der Bahn und des öffentlichen Personennahverkehrs sowie einer auf den Öffentlichen Verkehr abgestimmten Siedlungs- und Flächennutzungsstrategie. Damit können die Relationen individueller Vor- und Nachteile zwischen nachhaltigen und nicht nachhaltigen Mobilitätsverhaltens zugunsten nachhaltigen Verhaltens verschoben werden.

Im Bereich Ernährung sind die Vorteile eines nachhaltigen Konsums selten direkt erfahrbar. Der Aufwand in der Beschaffung ist oft ungleich höher als bei herkömmlichen Produkten. Damit nachhaltige Produkte mit höherer Prozessqualität – z. B. Produkte aus dem Ökolandbau – die Haushalte finanziell nicht mehr belasten als herkömmliche, könnten sich die Verbrauchsstrukturen der Haushalte in Richtung weniger Fleischkonsum und mehr stärkehaltige Lebensmittel (z. B. Getreide) verändern, was im übrigen schon aus ernährungsphysiologischen Gründen empfehlenswert ist. Gleichzeitig müssen die Produkte das Kriterium der Überallerhältlichkeit (Ubiquität) erfüllen, um als Alternative für breite Schichten in Frage zu kommen. Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung in der Nahrungsmittelproduktion ist die Änderung unserer heutigen Ernährungsgewohnheiten und -ansprüche. Da nachhaltige Nahrungsmittelproduktion arbeits- und wissensintensiv ist, ist sie nicht zu Billigpreisen erhältlich, vermeidet aber externe Umwelt- und Gesundheitskosten, die sonst die Allgemeinheit, also die Verbraucher, indirekt zu tragen hätten. Daher muss sich auch die Wertschätzung von Ernährung, die sich als Posten im Haushaltsbudget des deutschen Verbrauchers mit lediglich zehn Prozent niederschlägt (vier Prozent unter europäischem Durchschnitt), ändern, um in diesem Bereich eine Entwicklung in Richtung Nachhaltigkeit zu bewirken. Schon eine allmähliche Internalisierung externer Kosten (z. B. der Gesundheit und Umwelt) würde in diese Richtung führen. Andererseits gibt es zahlreiche Beispiele aus der jüngsten Zeit, die zeigen, dass Verbraucher zur Änderung ihrer Konsumgewohnheiten bereit sind, wenn sie der Auszeichnung der Produkte vertrauen. So ist der Absatz an Eiern aus der Freilandhaltung beim Lebensmitteldiscounter Aldi höher als der Absatz an Eiern aus der Käfighaltung – und dies bei einer durchaus preisbewussten Klientel dieses Discounters.

Das Beschaffungswesen der öffentlichen Hand erhält quer durch alle genannten Kategorien eine besondere Funktion: Zum einen als Vorbild für Verbraucher und Privatwirtschaft, zum anderen aber auch als Großkunde, der klare Zeichen setzt für an Nachhaltigkeit orientierten Produkte, indem er durch hohe Stückzahlen konkrete wirtschaftliche Anreize zu einer Umorientierung in Industrie und Handel schafft. Diese Funktionen können jedoch nur wahrgenommen werden, wenn die Mitarbeiter in den Beschaffungsstellen entsprechend geschult sind bzw. politische Vorgaben zur Beschaffung erhalten. Die Bundesregierung sollte entsprechende Vorschläge der EU-Kommission unterstützen.




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