*) Eingesetzt durch Beschluss des Deutschen Bundestages vom 15. Dezember
1999 - entspricht der Bundesdrucksache 14/2350

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7.7.3.1    Technologietransfers als strategisches Arbeitsfeld

Das Thema „Technologietransfer“ hat einen außerordentlichen Stellenwert in den Agenden der internationalen Organisationen. Von EU, OECD, UNCTAD sowie den umwelt- und entwicklungsrelevanten Organisationen des UN-Systems wird es mitunter fast als Zauberformel angesehen. Überall wird die Notwendigkeit einer Steigerung der technischen Leistungsfähigkeit, insbesondere der Entwicklungsländer, durch wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit betont, und das heißt insbesondere der Austausch von Know-how und fortgeschrittener Technologie. So soll Technik dazu beitragen, dass auch in Fällen großer Armut wirtschaftliche Entwicklung und Umweltentlastung Hand in Hand gehen. Generell – so die optimistischen Einschätzungen – könne die Technik eine relative, in Einzelfällen sogar eine sehr weitgehende Entkopplung zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltbelastung herbeiführen und damit eine Entwicklung einleiten, die Schwellen- und Entwicklungsländer an die Industrieländer heranführt, ohne deren ressourcen- und umweltintensiven Lebensstil zu übernehmen. Die Empfängerländer modernster Technologien sollen teure und umweltintensive Entwicklungsstufen der Industrieländer quasi überspringen und den Prozess ihrer wirtschaftlichen Stärkung von Anfang an unter dem Leitbild der Nachhaltigkeit gestalten.

Daher greift die Agenda 21 an vielen Stellen, insbesondere in Kapitel 34127,die Notwendigkeit eines verstärkten Transfers von Technologien und Wissen als wichtige Ansatzpunkte zur Überwindung des globalen Entwicklungsgefälles sowie zur Bewältigung nationaler und globaler Umweltprobleme heraus. Gemäß der Kommission der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (CSD) soll zur Entwicklungsförderung und zur Umweltvorsorge in Kooperation beim Transfer das „gesamte Technologiespektrum“ zum Einsatz kommen, das umweltschonend und ressourcensparend ist.

Zur Ambivalenz des Technologietransfers

Die außerordentlich hohe Wertschätzung von Wissenstausch und Technologietransfer in den Agenden der internationalen Organisationen und die großen Hoffnungen, die – von Seiten der Industrieländer und vieler Entwicklungsländer – in einen umfassenden Austausch von Know-how und Technologie auch und gerade unter dem Aspekt der nachhaltigen Entwicklung gesetzt werden, sind die eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die sehr viel weniger rühmliche Rolle, die der Export von Know-how und Technik in der Vergangenheit gespielt hat. Selbst in den Fällen, in denen der Transfer von Wissen und Technik nicht an unmittelbar wirtschaftlichen Interessen der Urheberländer orientiert war, ist in aller Regel von der selbstverständlichen Voraussetzung ausgegangen worden, dass am Ende einer auch mittels Technologietransfer betriebenen Entwicklungshilfe leidlich industrialisierte und in ihrer Wirtschafts- und Sozialstruktur mit den „Geberländern“ vergleichbaren Staaten stehen müssten. Die besonderen Gegebenheiten in den Entwicklungsländern sind – wenn sie überhaupt wahrgenommen worden sind – lediglich als Hemmnisse angesehen worden, die es so schnell wie möglich zu überwinden galt. Dabei wurde nur unzureichend Rücksicht auf die natürlichen Gegebenheiten und die soziokulturellen Rahmenbedingungen in den Zielländern genommen.

Technologietransfer und Wissensaustausch – Die richtige Mischung

Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass ein Technologietransfer ohne umfassenden Wissensaustausch scheitern muss. Bei der Überwindung globaler Entwicklungsunterschiede und Umweltprobleme kommt es nicht nur auf den Transfer von Kenntnissen über das engere Technologiesystem oder auf die Vermittlung von Wissen über technische Handlungsmöglichkeiten an. Zum Wissenstransfer zählt vor allem auch die Vermittlung von Kenntnissen über ökonomische und gesellschaftspoltische Facetten des Technologietransfers. Insofern müssen Technologien in aller Regel an die im weitesten Sinne sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Bedingungen in den Zielländern angepasst werden (Appropriate Technologies). Ein Teil dieser Anpassungen geschieht sinnvollerweise zusammen mit den Menschen vor Ort, mittelfristig in den Zielländern selbst, so dass auf die Dauer dort Produktions- und Instandhaltungskapazitäten, entsprechende Teilmärkte und vor allem das erforderliche Know-how sich entwickeln. Eine enge Auslegung des Technologietransfers führt zwangsläufig zu einem Übergewicht der Hardware (der technischen Ausrüstung) gegenüber der Software (der wissenschaftlichen und technischen Kompetenz), zu einem Übergewicht an Fremdbestimmung und zu einer Unterbewertung dessen, was Menschen in den Empfängerländern selbst zu leisten imstande sind.

Inzwischen beginnt sich die Auffassung durchzusetzen, zu transferierende Technologie als zu optimierende Dienstleis­ tungsbündel zu betrachten, die die technische Komponente, das Know-how im Sinne breiter Wissensvermittlung, Organisation und Produkt umfassen. Der Technologietransfer soll vor allem dem Aufbau informeller und organisatorischer Kapazitäten dienen und soll die Empfängerländer in die Lage versetzen, Innovationen schneller und effektiver in den eigenen Entwicklungsprozess zu integrieren und dabei selbst innovativ tätig zu werden. Nur so kann der Substanzverlust an wissenschaftlichem Know-how durch Abwanderung von Experten in die Industrieländer aufgehalten werden (Stichwort „Green Card“).

Bei Fördermaßnahmen ist auch darauf zu achten, dass beispielsweise Projekte einen Demonstrationscharakter haben. Die bi- und multilateralen Fördermittel sind im Vergleich zum gesamten Investitionsbedarf sehr gering.    Daher ist es besonders wichtig, dass die Maßnahmen einen nachhaltigeren Effekt haben und geeignet sind, als Beispiel für weitere Anwendungen zu dienen (Impuls- oder Katalysatorfunktion, Demonstrationscharakter).

Ein ausschließlich langfristiger, software-orientierter Ansatz des Technologietransfers birgt hingegen das Risiko, dass die Beteiligten mangels in absehbarer Zeit erzielter konkreter Ergebnisse Lust und Interesse verlieren. Auch bestehen bei Softwaremaßnahmen (einschließlich der Forschungsförderung, Messprojekten, Konzeptstudien etc.) oftmals Legitimationsprobleme, die in demokratischen Zielländern in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Verantwortliche in den Zielländern müssen sich sehr bald und zu recht den ungeduldigen Fragen aus der betroffenen Bevölkerung stellen: Was habt ihr erreicht mit eurer Politik? Wie wurden die ausländischen Fördergelder und Kredite verwendet? Wie wurde damit beispielsweise konkret die Umwelt verbessert?

Rahmenbedingungen und Restriktionen im Wissens- und Technologietranfer

Die praktischen Erfahrungen mit Technologietransfer zeigen, dass er sinnvollerweise als Projekt organisiert werden sollte, für dessen erfolgreichen Verlauf in aller Regel eine Reihe konkreter Grundvoraussetzungen vorliegen müssen. Wichtig ist in vielen Fällen die Einbindung des Transferprojektes in ein Programm der bi- oder multilateralen Zusammenarbeit. Bei der Auswahl von Projekten ist nicht nur auf die Beurteilung der maßgeblichen Akteure zu achten, sondern auch auf den Stand der Vorbereitung des Projektes. Insbesondere ist die Berücksichtigung sozialer und kultureller Aspekte von vorneherein in Projekten zu integrieren und ihr ist eine wesentliche Bedeutung beizumessen. Wichtig für den Anschub gemeinsamer Projekte ist eine Anschubfinanzierung. Die Finanzierung hat insgesamt große Bedeutung. Sie ist die Basis einer dauerhaften konkreten Zusammenarbeit, die über den Rahmen eines allgemeinen Informationsaustauschs hinausgeht. Ein aktives Projektmanagement und -controlling muss sichergestellt werden. Dabei ist die Trennung zwischen operativ-fachlichen und strategisch-politischen Aufgaben frühzeitig einzuleiten. Gerade unter dem Gesichtspunkt sozialer und ggf. gewünschter polititscher Effekte muss der Förderung dezentraler Kleinprojekte außerhalb von Regierungsabkommen – oder in diese global eingebettet – großes Gewicht gegeben werden. Auch hier ist auf Demonstrationscharakter, ein gutes Projektmanagement und -controlling zu achten, die Vergabe von Mitteln für solche Projekte sollte jedoch möglichst unkompliziert sein.

Ein beachtlicher Teil des Wissenstransfers vollzieht sich im Rahmen von Markt- und Wettbewerbsprozessen bei gleichzeitiger Gewährung von Verfügungs- bzw. Zugangsrechten zu bestehendem und neu hinzukommendem Wissen. Der Ausschluss anderer von neuem Wissenszuwachs, etwa über Patentanmeldungen, ist in Grenzen möglich und löst im regionalen Umfeld bzw. bei Ländern, die mit innovativen Gütern und Techniken handeln, Anreize für technischen Fortschritt aus. Für potenzielle Empfängerländer solcher in den Industrieländern entwickelten Technologien stellt die mit dem Patentwesen verbundene Zugangsbeschränkung demgegenüber zumindest ein finanzielles Problem dar.

Wissensaustausch und Technologietransfer sind an einige wichtige Prämissen gebunden. Hierzu zählt als Mindestvoraussetzung die Vermittlung einer soliden Grundausbildung, um einen besseren Informationsaustausch zu ermöglichen. Vor allem der nicht marktdeterminierte Transfer von Wissen und technischem Know-how kann durch die Hochschulen und Fachhochschulen geleistet werden. Sie sind eine wichtige Basis für den Aufbau der eigenen Forschung, die stärker am regionalen Umfeld und seinen Problemen orientiert ist. Hinzu treten in der Regel die Notwendigkeit des raschen Ausbaus der Telekommunikations- und Verkehrsinfrastruktur, um die individuellen Kontaktmöglichkeiten zu stärken, die Unterstützung des Forscheraustauschs und die Gewährleistung an Eigentumsrechten an neuem Wissen.

Akteure des Technlogietransfers in Deutschland

Wissens- und Technologietransfer beispielsweise zur Umwelttechnik stützt sich in Deutschland vor allem auf wirtschaftliche Beziehungen, die Entwicklungszusammenarbeit, auf bilaterale Umweltabkommen und auf Forschungs- und Bildungskooperationen mit Drittländern. Eine Übersicht über die deutschen Institutionen und deren Aktivitäten zum Umwelttechnologietransfer bietet die Publikation „Umwelttechnologietransfer in Nichtindus­ trieländer“ (Seidensticker 1999).

Voraussetzungen für den Technologietransfer

Ein entscheidender Faktor für den Technologietransfer ist die erfolgreiche Anwendung der zu transferierenden Technologien in den Ursprungsländern selbst. Hier kommt den Industrieländern eine wichtige Vorbildfunktion zu. Die Entwicklung in Schwellen- und Entwicklungsländern vollzieht sich nicht autonom, d. h. unab­ hängig vom Wohlstandsmodell in den Industrieländern. Vielmehr sind die zu transferierenden Technologien, Hardware wie Software, von den Wert- und Zielvorstellungen der Geberländer geprägt. Die Empfängerländer sind zwar in der Pflicht, selbständige Strategien einer nachhaltigen Entwicklung zu definieren und in ihre nationale Politik umzusetzen. Konkrete Beispiele der Geberländer für eine nachhaltige Entwicklung wären jedoch am ehesten dazu in der Lage, eine solche Entwicklung auch in den Empfängerländern anzuregen. Daher kommt beispielsweise einer Intensivierung von Nachhaltigkeit in Deutschland und in der EU eine hohe Bedeutung für den Übergang zu einer nachhaltigen Entwicklung in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu. Ein Beispiel für die Verknüpfung dieser Aspekte und zugleich einer Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen stellt das Transferzentrum für angepasste Technologien in Nordrhein-Westfalen dar.



127 Kapitel 34 der Agenda 21: Transfer umweltverträglicher Technologien, Kooperationen und Stärkung von personellen und institutionellen Kapazitäten (BMU 1993: 248ff.).

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