Einige der Sentenzen von Karl Garbe, dem Bonner Erfinder des "Genossen Trend" und des viel gemütlicher klingenden "Onkel Herbert" für den grimmigen Herbert Wehner, sind so treffend, dass sie in seinem jüngsten Werk gleich doppelt veröffentlicht werden. Zum Beispiel jener bildreich-paradoxe Satz von Engeln und Teufeln: "Um sich die Hörner abzustoßen, halten junge Teufel Ausschau nach gefallenen Engeln." Tiefsinniger: "Wer ewiger ist - darüber streiten sich Zukunft und Vergangenheit."
Die List der alten Lateiner, dass die Repetitio, die Wiederholung, die Mutter der Studien sei, ist eine der wenigen Schwächen dieses starken Werkes. Karl Garbes 1.014 Sentenzen bestätigen den Satz von Marie von Ebner-Eschenbach, dass der Aphorismus das Ende einer langen Gedankenkette sei. Er veranschaulicht den Sinn dieses ursprünglich griechischen Wortes. Es hängt mit "zuspitzen" zusammen. In diesem Welttheater der Sprache wo im Sinn der Unsinn und im Unsinn der Sinn zu finden ist, widerlegt Garbe das Vorurteil des journalistischen Aphoristikers Karl Kraus, dass Journalismus die Fähigkeit sei, keinen Gedanken zu haben, ihn aber ausdrücken zu können.
Einige Beispiele für Garbes "Kleinkunst", die über seinen "Onkel Herbert" oder über den "Genossen Trend", der zu oft zum Genossen Hiob wird - als Verbindungsmann zwischen SPD-Hauptquartier und Kanzleramt fungiert neuerdings der Genosse Hiob -, hinaus bleiben werden oder sollten:
"Dementi nennt man die Reaktion der Regierung auf Flagranti."
"Bei den Politikern könnten die Fußballer lernen, wie man erfolgreiche Fallrückzieher macht."
"Der Weg vom Genossen zum Genießer ist gemeinhin kürzer als umgekehrt."
"Ein Politiker verliert eher sein Gesicht als seine Maske."
"Manche Politiker machen sich um das Vaterland verdient, andere verdienen am Vaterland."
"Zwie-Tracht nennt man die Arbeitskleidung der CDU/CSU."
"Politiker vergessen oft, woher sie kommen, aber selten, wohin sie wollen."
Immer wieder blitzt die Erfahrung des ehemaligen SPD-Öffentlichkeitsarbeiters auf: "Die Macht der Verhältnisse bestimmt nicht selten die Machtverhältnisse." Aus dieser besonderen "Sozialisation" stammt auch jener Satz:
"Jeden zu duzen heißt, das Du kleinzuhalten."
Fortschrittsskepsis, die der progressive Karl Garbe mit Nestroy teilt, der einmal geschrieben hat, dass der Fortschritt nie so riesig ist, wie er zuerst ausschaut, ist in solchen Sätzen erkennbar:
"Die Summe aller Rückschritte nennt man Fortschritt."
"Chromosomen sind die erfolgreichsten Erbschleicher."
Garbes besondere Kunst ist die Metamorphose des Bekannten, die Umwandlung und damit Erneuerung "klassischer" Sätze, die aufblitzende Fähigkeit, auf einem Allgemeinplatz das Einmalige und Besondere zu entdecken und durch Veränderung etwas Neues zu schaffen. Der Satz von Descartes - "Cogito ergo sum - ich denke, also bin ich" - wird bei Garbe zu einer Liebes- und damit Seins-Erklärung: "Ich denke an Dich - also bist Du."
Angesichts des früher bei den Linken umstrittenen "imperativen Mandats" und des benedektinischen "Bete und arbeite" werden aus altem Gestein neue Funken geschlagen. "Imperatives Management: Trete und Arbeite!"
Man kann über und gegen den Krieg ganze Bücher wie Karl Garbes erschütterndes "Soldbuch" schreiben oder aber das Grauen des Krieges in einem einzigen Satz zuspitzen:
"Gott mit uns, sagte das Koppelschloss zum Bajonett, als dieses sich in dessen Ebenbild bohrte."
Garbe kennt die List des Alphabets:
"Die kleinste Armee, die ein Weltreich erobert hat, besteht nur aus 26 Buchstaben." Was man mit diesen Buchstaben anrichten kann, wie schnell aus diesem Spiel Ernst wird, führt er selbst vor: "Ist es der Druckfehlerteufel, der aus den USA die SAU gemacht hat?"
"Die Begriffe fressen die Wörter, ohne jemals satt zu werden."
"Substantive sind Exhibitionisten. Sie zeigen öffentlich ihr Geschlecht."
Diesem Rhetoriker will es behagen, lächelnd die Wahrheit über die Wirklichkeit des öffentlichen Betriebes zu sagen:
"Es gibt Schönredner, die sogar gezierte Initialen aussprechen können."
Bekannter als Kants kategorischer Imperativ ist der kategorische Genitiv: 'Wes Brot ich ess', des Lied ich sing'" - ein Garbismus, der leider Aussicht auf Bestand hat; vermutlich ebenso seine Wahlverwandtschaft mit Karl Kraus und dessen journalistischer Selbstkritik: "Bei der Entführung der Politik aus dem Detail stehen die Journalisten Schmiere."
Zum Schluss noch der Hinweis: Garbe ist ein musischer und kulinarischer Mensch. Konzert, Theater, Oper, Bildende Kunst, Essen und Trinken regen ihn an:
"Auch das Reich der Töne wird mehr von Banknoten als von Noten dirigiert."
"Eine kleine Machtmusik pflegt auf Taktgefühl und guten Ton keinen Wert zu legen."
"Dürer kannte Pferde, die nicht einmal vor Ritter, Tod und Teufel scheuten."
Der Lebenskenner ist trotz allem ein Lebensgenießer geblieben, weshalb ihm seine kulinarischen Sprüche besonders am Herzen liegen, zumal sie auch der Reklame dienen können und Garbes westfälische Herkunft bezeugen:
",Ähre, wem Ähre gebührt', sagte der Doppelkorn."
Und ein bisschen Patriotismus darf am Ende auch nicht nicht fehlen: "Deutsche Einheit bedeutet: die Rückkehr vom Leipziger Einerlei zum Leipziger Allerlei."
Karl Garbe
Spruchbude. Tausend Aphorismen mit Senf.
Verlag Meissner, Remagen 2004; 122 S., 10,- Euro.