Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
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Karin Bachmann

Mehr als Brückenschläge auf Zeit

Eine slowakische Mäzenin eröffnet weißrussischen Künstlern Wege aus der Isolation

Alles andere als politisch will L'ubomíra Slušná, Vorsitzende der Assoziation für Kultur, Bildung und Kommunikation in Bratislava, ihr Wirken verstanden wissen. Und doch hat die Mäzenin in den vergangenen Jahren mit ihren Vorstößen in politisch "unattraktiven" Ländern sicher mehr bewirkt als rein künstlerische Brückenschläge auf Zeit: Seit einem Afghanistan-Tag im Jahre 2002 etwa wissen nicht nur slowakische Cineasten um die Qualitäten der dortigen Schauspieler und Regisseure. Für ihr eigenes Land, das auch im 13. Jahr seit seiner Eigenständigkeit noch genügend Nachholbedarf in puncto Wahrnehmung im Ausland hat, wirbt Slušná seit 2004 mit der Kampagne "Slowakei - Europa im Kleinen". Darin präsentiert sich das junge Mitgliedsland in den Hauptstädten aller anderen EU-Länder als kultureller und wirtschaftlicher Partner.

Seit dem vergangenen Oktober ist Slušná allerdings vor allem zwischen Bratislava und Minsk unterwegs. Unter der Devise "Weißer Gruß für Weißrussland" will sie vor allem, aber nicht nur, slowakische und weißrussische Künstler zu einem ständigen wechselseitigen Austausch motivieren. Ihre eigene Begeisterung für Marc Chagall nennt sie als Hauptgrund dafür, dass sie irgendwann auf die Idee für ein Weißrussland-Projekt gekommen sei: "Bei Weißrussland denke ich nicht zuerst an Lukaschenko, sondern an Chagall." Bei den notwendigen Vorrecherchen fand sie schnell heraus, dass Weißrussland schon Kulturabkommen mit vielen Ländern hatte, eine entsprechende Vereinbarung mit der Slowakei jedoch noch fehlte. "Darüber habe ich dann das Außenministerium informiert, und am 19. Oktober wurde dann das Kulturabkommen unterzeichnet, genau einen Tag nach Beginn unseres Projekts", freut sie sich immer noch.

Kommunikation ohne Dolmetscher

Mit Blick auf die Europäische Union ist die Stimmung in Weißrussland weiterhin alles andere als günstig, wenngleich beispielsweise weißrussische Filme oft genug mit EU-Geldern finanziert werden. Trotzdem hat Slušná inzwischen mehr als 20 Kulturvorhaben in Weißrussland initiiert, "das ist wohl das größte Projekt, das dort von einer Nichtregierungsorganisation je in Gang gebracht wurde". Ihren Erfolg führt sie darauf zurück, dass "die Weißrussen an sich sehr europäisch und uns Slowaken sehr ähnlich sind; vor allem können wir mit ihnen ohne Dolmetscher kommunizieren".

Begeistert erinnert sie sich vor allem an eine Papierausstellung unter Beteiligung deutscher, australischer und japanischer Künstler im Palast der Kunst in Minsk, die dort im vergangenen Oktober zu sehen war: "Papier hat eine weiße Grundlage, das war also ein hervorragender Ausgangspunkt für den weißen Gruß nach Weißrussland, zumal man sich vor Augen halten muss, dass es dort noch nie zuvor eine Papierausstellung gegeben hatte." An anderer Stelle wurden beispielsweise Werke namhafter slowakischer Grafiker, Fotografen und bildender Künstler präsentiert, es fand eine Woche des mitteleuropäischen Films statt, slowakische Spitzeninterpreten wie der Dirigent Anton Popovic ernteten beim Tag der slowakischen Kultur in der weißrussischen Philharmonie zum Projektauftakt stürmischen Beifall.

Ihre weißrussischen Gesprächspartner charakterisiert Slušná als "außergewöhnlich", das Land mit seinen mehr als 9.000 Seen als "unglaublich schön". Bei ihrer Landung auf dem Flughafen ins Minsk habe sie sich sogar an einen Wintergarten in New York erinnert gefühlt. Minsk selbst hat sie als monumentale Stadt mit einer sehr kontrastreichen Architektur erlebt, dabei "sehr sauber, sehr grün und viele Boulevards".

Im Laufe des Projekts habe sie neue Sichtweisen auf die Slowakei gewonnen, sagt die Kunstexpertin. Denn für sie selbst war die erste Reise nach Minsk am so genannten 60. Jahrestag der Befreiung so etwas wie ein Ausflug in die eigene Vergangenheit vor 1989 angesichts "all der Parolen überall". Auch wenn viele Slowaken wegen der sozialen Härten heute oft nicht zufrieden seien, sei ihr doch eines klar geworden: "Wir haben gewissermaßen fabelhafte Probleme in der Slowakei, solche, die wir managen können." Weißrussland sei aus politischen Gründen isoliert, "kulturell gesehen müsste es das aber überhaupt nicht sein". Sicherlich gebe es die offizielle Kunst, den immer noch präsenten sozialistischen Realismus, "aber das heißt ja nicht, dass nicht noch etwas anderes existiert". Slušná haben es dabei einige Sammlungen russischer Kunst und die traditionelle Kultur Weißrusslands mit den Heiligen Cyril und Method im Mittelpunkt angetan.

"Kultur kann solche Begriffe wie Botschaft, Freundschaft, Freiheit oder Demokratie häufig besser übersetzen als die Politik", glaubt sie. Kultur sei einfach das geeignetste Mittel für Kommunikation, die wechselseitige Vermittlung von Werten und die Bereichung der Zivilgesellschaft. "Eigentlich bekommen wir nur über direkte Kontakte ein besseres, ein tieferes Verständnis für das tägliche Leben der anderen."

Telebrücke Bratislava-Minsk

Nicht zuletzt darum soll es nicht allein bei slowakischen Initiativen in Weißrussland bleiben. Slušná würde beispielsweise gern in Zusammenarbeit mit der städtischen Galerie in der altehrwürdigen Universitätsstadt Nitra im Westen des Landes moderne weißrussische Kunst präsentieren. Eine entsprechende Ausstellung war schon für März angedacht, musste aber auf den Frühsommer verschoben werden.

"Momentan sind alle nur mit den Präsidentenwahlen am 19. März befasst, danach dürfte es besser gehen", entsprechende Zusicherungen von weißrussischer Seite gebe es jedenfalls, erklärt die Mäzenin die Verzögerung. Außerdem hat Slušná die weißrussische Philharmonie zum Gegenbesuch in der Slowakei eingeladen.

Bis zum Jahresende will sie am Aufbau von kulturellen Netzwerken zwischen beiden Ländern mitwirken, danach sollen die Projekte auf eigenen Beinen stehen.

Lúbomíra Slušnás größter Wunsch ist allerdings eine "Telebrücke" zwischen Bratislava und Minsk. Konkret soll dafür sowohl in der slowakischen wie in der weißrussischen Hauptstadt eine Großbildleinwand aufgestellt werden, so dass die Menschen in Bratislava und Minsk das Treiben der Menschen auf der jeweils anderen Seite live vermittelt bekommen. "Es wäre doch toll, wenn wir einander auf diese Weise einmal für einige Tage zuwinken könnten."


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.