Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 11 / 13.03.2006
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Susanne Kailitz

Aufgekehrt


Zum Glück gibt es den amerikanischen Family Media Guide: Hier können Filme und Videospiele auf ihre Familientauglichkeit überprüft werden. Akribisch listet die Betreiberfirma auf ihrer Homepage das auf, was wirklich wichtig ist: Wie oft in Filmen geflucht wird, ist dort ebenso abrufbar wie die Zahl der sexuellen Handlungen - inklusive nackter Brüste und Hinterteile - und gewalttätigen Handlungen.

Wer sich also unsicher ist, ob er sich und seinen Angehörigen den Besuch des Oscar-prämierten Streifens "L.A. Crash" - 182 Flüche - zumuten kann oder ob er den Film "Brokeback Mountain" - 92 Flüche - verkraftet, kann sich auf der Internetseite von Family Media kundig machen. Und auch wer sich noch immer wundert, dass die Liebesgeschichte zweier Cowboys, anders als von vielen angenommen, nicht der große Oscar-Abräumer war, wird auf der Seite fündig. Da nämlich prangt der Hinweis, bei "Brokeback Mountain" handele es sich um "Most Sexual Nominee of the Year" - mit sage und schreibe 22 Szenen voll sexueller Handlung. Den Hinweis darauf, dass es sich dabei auch noch um zum Teil homosexuelle Begegnungen handelt, spart sich Family Media - denn das weiß nach der großen Debatte darüber, ob die Oscars derart gewagte Filme verkraften, ohnehin jeder.

Amerikas größte Tugendwächter, die beiden Familienverbände "Focus on the Family" und "American Family Association", verzichteten denn auch auf jeglichen Kommentar, um dem Film nicht unnötig Werbung zu verschaffen. Im Mormonenstaat Utah wurde er gleich wieder aus den Kinos verbannt, um es gar nicht erst zum Verfall der Sitten kommen zu lassen. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt: Schließlich hatten viele Kirchenvertreter und Konservative Regisseur Ang Lee vorgeworfen, mit "raffinierten Mitteln" einen homosexuellen Lebensstil zu propagieren.

Sie können ihrer Klientel nun eine ganz andere Freizeitbeschäftigung empfehlen: Im Jerusalemer Bibelzoo trennte sich unlängst ein homosexuelles Geierpaar. Jahrelang hatten sich Daschik und Jehuda ein Nest geteilt und ein gemeinsam adoptiertes Geierküken aufgezogen. Doch nach dem Auftauchen des Geierweibchens Beatrice wechselte Jehuda die Seiten und verließ seinen langjährigen Gefährten. Nach heftiger Trauerphase fand auch er auf den rechten konservativen Pfad und lebt nun ebenfalls mit einem Weibchen zusammen. Sollte die Geschichte von Daschik und Jehuda je verfilmt werden: Ein Oscar sollte drin sein, wenigstens in der Kategorie Tugend.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2005.