Nahezu 80 Jahre nach der internationalen Ächtung der Sklaverei werden Menschen in vielen Teilen der Welt immer noch unterdrückt, ausgebeutet oder - wie im Sudan - regelrecht versklavt. Die Sklaverei hat viele Gesichter, sei es die so genannte Schuldsklaverei (bonded labour) in Indien und Brasilien, die Ausbeutung illegaler Immigranten in Nordamerika und Europa oder die Zwangsprostitution von afrikanischen, asiatischen und osteuropäischen Frauen. In diese Kategorie gehört auch das Schicksal weiblicher Hausangestellter, die wie Sklaven gehalten und nicht selten sexuell missbraucht werden. Ein besonderes düsteres Kapitel ist die Kindersklaverei; trotz weltweiter Kritik werden in Indien immer noch Kinder - zum Beispiel als Teppichknüpfer - zur Arbeit gezwungen. Ähnlich ist die Situation in China und Pakistan.
Das Abkommen über Sklaverei und Menschenhandel aus dem Jahr 1927 wurde 30 Jahre später von der Generalversammlung der Vereinten Nationen ergänzt: "Das Übereinkommen erklärt die Schuldknechtschaft und den Verkauf oder die Vergabe von Personen wie Frauen und Kindern als sklavereiähnliche Praktiken und verpflichtet zu sofortigen Maßmahmen, diese abzuschaffen. Sklavenhandel wird als Verbrechen deklariert und zu schwerer Strafe aufgerufen."
Von solchen Strafandrohungen lassen sich skrupellose Frauen- und Mädchenhändler nicht abschrecken. Sie knüpfen ihre Fäden über Grenzen hinweg, schüchtern Opfer und Zeugen mit brutalsten Mitteln ein und schotten sich nach außen völlig ab. Die in Frankfurt ansässige Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) beobachtet in jüngster Zeit eine "gefährliche Zunahme rechtsfreier Räume, durch die der internationale Menschenrechtsschutz ausgehöhlt wird". Bei dieser Form der Organisierten Kriminalität sei der Zeugenbeweis durch die oft traumatisierten Opfer das schwächste Glied in der Beweiskette.
Die meisten der verängstigten Opfer aber schweigen, so dass nur relativ wenige Fälle überhaupt aktenkundig werden. Wenn Mädchenhändler in Europa ihrem üblen Handwerk viel zu oft ungestraft nachgehen können, wie schlimm muss es dann erst in Ländern zugehen, wo die Menschenrechte systematisch zurückgedrängt werden. Beispiel Saudi Arabien. Die boomende Wirtschaft des Ölstaates braucht Arbeitskräfte und findet sie vorwiegend in den armen Ländern Asiens, inzwischen teilweise auch in Afrika. Diese Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen, die rund 70 Prozent der Arbeitskräfte in dem Königreich überhaupt stellen, haben so gut wie keine Rechte und kaum Bewegungsfreiheit. Kamen sie zunächst aus Pakistan und Indien, so überwiegen heute Gastarbeiter aus Indonesien und den Philippinen.
Abhängigkeitsverhältnisse
Diese Menschen rangieren auf der sozialen Skala ganz unten und führen schlecht bezahlte Arbeiten aus. Sind die Frauen meist in Haushalten wohlhabender Saudis beschäftigt, so arbeiten die Männer als Straßenkehrer, Müllmänner oder Packer. Nicht die einfachen Arbeiten sind das Problem, sondern die Praxis, dass die zumeist ungelernten Arbeiter von Agenturen nach Saudi-Arabien vermittelt werden und Reisekosten und Vermittlungskosten selbst bezahlen müssen. So geraten die Gastarbeiter sofort in ein Abhängigkeitsverhältnis, aus dem sie sich lange Zeit nicht befreien können. Ihre Bewegungsfreiheit ist erheblich eingeschränkt; sie dürfen den Ort, an dem sie arbeiten, nicht verlassen, sonst droht ihnen das Gefängnis.
Die saudische Wirtschaft funktioniert über ein so genanntes Sponsorensystem. Fast alle Ausländer brauchen einen saudischen Sponsor für die Einreise. Dieser übernimmt meist auch die Rolle eines Arbeitgebers und besorgt die Aufenthaltserlaubnis. Da der Sponsor den Pass des Gastarbeiters einbehält, entsteht ein Abhängigkeitsverhältnis, das einer modernen Form von Sklaverei gleichkommt. Der Lohn wird vom Arbeitgeber willkürlich festgelegt.
Noch schlimmer ergeht es den Frauen; als Haushaltshilfen werden sie von der Familie des Arbeitgebers oft hemmungslos ausgenutzt und manchmal auch sexuell missbraucht. Das von Willkür gekennzeichnete saudische Justizsystem verschlechtert die Situation der Gastarbeiter zusätzlich. Geraten sie in Haft, kann es passieren, dass sie gezwungen werden, Dokumente in Arabisch zu unterschreiben, obwohl sie die Sprache nicht verstehen. Gastarbeiter sind überdurchschnittlich oft von drakonischen Strafen wie Auspeitschungen, Amputationen und sogar Hinrichtungen betroffen. Saudi-Arabien hat im weltweiten Vergleich eine der höchsten Hinrichtungsraten. Die Hälfte der Hingerichteten in den 90er-Jahren waren ausländische Staatsbürger.
Vor knapp 120 Jahren hat Brasilien die Sklaverei offiziell abgeschafft. Doch es gibt sie bis heute, wenn auch in anderer Form. Vor zwei Jahren ist zum ersten Mal in dem lateinamerikanischen Land ein Großgrundbesitzer wegen Sklavenhalterei festgenommen worden. Doch: Schon nach wenigen Tagen war er wieder frei und wurde lediglich dazu verurteilt, seinen Arbeitern den gebührenden Lohn zu zahlen. Die kirchliche Organisation CPT deckt in dem riesigen Land immer wieder solche und ähnliche Fälle auf, doch ihre Bemühungen ähneln dem Kampf gegen Windmühlen. Vor allem im Amazonas-Teilstaat Parà herrscht nach Angaben von CPT fast völlige Straflosigkeit. Die zur Überwachung der Farmen eingesetzte Bundespolizei ist personell viel zu schlecht ausgestattet, als dass sie in den Konflikten mit den Großgrundbesitzern viel ausrichten könnten.
In Brasilien ist die Schuldsklaverei noch weit verbreitet. Die Arbeiter erhalten nicht nur keinen Lohn, ihnen wird auch noch eröffnet, dass sie zunächst ihre Schulden in Form von Arbeitsgerät oder Verpflegung zu begleichen haben. Wer, wie die immer stärker werdende Landlosenbewegung, diese unwürdigen Zustände anprangert, muss damit rechnen, von bezahlten Killertrupps ermordet zu werden.