Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 25 / 14.06.2004
Götz Hausding

Länderkammer stoppt Ausbildungsplatzabgabe

Vermittlungsausschuss angerufen
In seltener parteiübergreifender Einigkeit hat der Bundesrat in seiner Sitzung am 11. Juni das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur Ausbildungsförderung mit großer Mehrheit abgelehnt. Das Gesetz sieht die Schaffung einer Ausbildungsplatzabgabe vor. Diese soll grundsätzlich allen Arbeitgebern mit mehr als zehn sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auferlegt werden, wenn sie im Bezugsjahr unterhalb einer gesetzlich festgelegten so genannten notwendigen Lehrstellenquote ausgebildet haben.

Während Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) erklärte, man werde wieder einmal mit einem "untauglichen Gesetz aufgehalten", dass in die "Mottenkiste" gehöre, lehnten auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) sowie Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) die Ausbildungsabgabe ab. Vielmehr müsse es, so Clement, zu einem freiwilligen Ausbildungspakt mit der Wirtschaft kommen. Dabei sei man auf einem guten Weg.

Für Christian Wulff ist es völlig unklar, wie dieses Gesetz den Bundestag passieren konnte. "Alle, die von der Materie Ahnung haben, sind gegen dieses Gesetz," sagte er bezugnehmend auf Aussagen von SPD-Ministerpräsidenten und Fachminister Clement. Man hoffe regelrecht darauf, dass die unionsgeführten Länder mit ihrer Mehrheit in der Länderkammer das Gesetz stoppen. Mit dieser Haltung missbrauche man die Institution Bundesrat, kritisierte er und fragte: "Was wäre, wenn wir nun zustimmen würden?" Blankes Entsetzen wäre wohl die Reaktion in den SPD-Ländern, äußerte er seine Vermutung, machte jedoch klar, dass für solche Spielchen die Sache zu ernst sei. Das Gesetz gehöre abgeschafft, da es nicht zu einer Verbesserung der Ausbildungssituation führen würde, sondern sie weiter verschlechtere. Die Tendenz zu einer Verstaatlichung der Ausbildung sei falsch, dies zeige sich auch in einigen europäischen Nachbarländern. Sowohl Frankreich als auch Dänemark hätten eine Ausbildungsplatzabgabe, stünden jedoch in Sachen Jugendarbeitslosigkeit und der Zahl der Ausbildungsplätze schlechter als Deutschland da. Auf freiwilliger Basis müsse man zu Vereinbarungen kommen, forderte Wulff, so wie es in Niedersachsen in den letzten Jahren erfolgreich praktiziert wurde. Die jetzige Diskussion habe den positiven Trend jedoch gestoppt, da viele Ausbildungsbetriebe verunsichert seien, so Wulff. Auch sein Amtkollege aus Nordrhein-Westfalen, Peer Steinbrück, sieht eher in freiwilligen Ausbildungspakten als in einer Zwangsabgabe den Weg zu einer Verbesserung der Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Im Mittelpunkt der Diskussion müsse immer die Frage stehen: Wie kann man jungen Menschen trotz schlechter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen eine Perspektive geben? Diese Frage müssten Wirtschaft und Politik gemeinsam beantworten, sagte Steinbrück und räumte ein, mit der gesetzlich vorgesehenen Abgabe werde das Problem der Ausbildungsplatzmisere nicht gelöst. Allerdings räume das vorliegende Gesetz einer freiwilligen Lösung einen Vorrang gegenüber der Zwangsabgabe ein. Die Chancen auf einen solchen freiwilligen Ausbildungspakt stünden gut - in den nächsten 14 Tagen könne man dabei zu einem Abschluss kommen.

Ebenfalls abgelehnt wurde die Ausbildungsabgabe von Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP). Die Betriebe könnten sich dadurch von der Ausbildungspflicht frei kaufen, was mit Sicherheit einen Verlust von Ausbildungsplätzen zur Folge hätte. Die Abgabe stelle daher ein völlig falsches Instrument dar, welches auch nicht überarbeitet werden könne, sondern ersatzlos gestrichen gehöre, verlangte Döring. Er frage sich, wie man ein Gesetz auf den Weg bringen könne, das die eigenen Experten für verfehlt halten. Diese Frage beschäftigte auch Minister Hans Kaiser (CDU) aus Thüringen. Trotz vieler Warnungen habe man das Gesetz auf den Weg gebracht und nun stelle es sich als "Rohrkrepierer" dar. Die Vorlage müsse möglichst schnell weg, denn sie schade sowohl den Auszubildenden wie auch den Betrieben. Mit dem vorliegenden Gesetz stelle die Bundesregierung erneut ihre verfehlte Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik unter Beweis, sagte Bayerns Arbeitsministerin Christa Stewens (CSU). Bayern lehne das Gesetz ohne "wenn und aber" ab und verlange die vollständige Aufhebung. Zwar seien Maßnahmen zur Verbesserung der Lehrstellensituation dringend erforderlich, doch sei eine Zwangsabgabe dazu völlig ungeeignet.

Damit würden lediglich die Lohnnebenkosten weiter erhöht, was die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft zusätzlich gefährde. Die Folge wären Abwanderungen und Insolvenzen, womit die Zahl der Ausbildungsbetriebe und damit auch der Ausbildungsplätze weiter zurückginge. Verwaltungsvereinfachung und Deregulierung sei mit diesem bürokratischen Monster nicht zu erreichen, stattdessen müsse man auf freiwilliger Basis Lösungswege aus der Lehrstellenproblematik suchen. Bayern tue dies und habe dadurch im letzten Jahr 5.000 zusätzliche Ausbildungsplätze gewonnen.

Nach Ansicht von Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement werde der Wirtschaftsstandort Deutschland beschädigt, wenn die Ausbildungsprobleme nicht beseitigt würden. Das Gesetz habe immerhin diese Probleme in den Blickpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Außerdem räume es freiwilligen Lösungen ganz klar den Vorrang vor Zwangsabgaben ein. An diesen Lösungen müssten alle mitarbeiten, auch die Verwaltungen der Länder, Städte und Gemeinden.

Es gebe jedoch auch ganz andere Probleme bei der Ausbildung. Immer öfter seien Schulabgänger nicht in der Lage, den Anforderungen an einen Auszubildenden zu genügen. Daher seien eine bessere Schulausbildung, bessere Vermittlung und möglicherweise auch ein Kompetenz-Check für schwer vermittelbare Auszubildende nötig. Ebenso müsse die Berufsausbildung modernisiert werden. All diese Fragen, so Clement, seien im Ausbildungspakt zu beantworten, damit Ende des Jahres genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen - auch ohne eine Zwangsabgabe.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.