Täglich müssen Frauen in den Elendsquartieren in den wirtschaftlich unterentwickelten Ländern neue Wege finden, um ihre Familien zu ernähren. Das fällt ihnen leichter, wenn sie sich zusammenschließen und ihre Projekte gemeinsam betreiben. Zeigen sich erste Erfolge, dann wird das Selbstbewusstsein dieser Frauen gestärkt und sie wagen sich mit ihren Geschlechtsgenossinnen an neue Vorhaben. Ein solches beispielhaftes Projekt ist Conjunto Palmeira, benannt nach einem Stadtteil von Fortaleza, der Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaates Ceara.
Die Geschichte von Conjunto Palmeira ist inzwischen 30 Jahre alt. Im Jahre 1973 wurden die ersten Bewohner auf dem ehemaligen Sumpfgebiet angesiedelt, nachdem sie ihre Unterkünfte durch eine große Überschwemmung verloren hatten. Die Ansiedlung erfolgte planlos, es gab weder Wasserversorgung noch Abwasserregulierung, keine Stromversorgung oder sonstige öffentliche Dienstleistungen. Drei Jahre später wurde die erste Busverbindung zum Zentrum eingerichtet, zwei Jahre später begann der Bau einer kleinen Kirche.
Die Einrichtung kirchlicher Basisgruppen (Comunidades Eclesiais de Base) und intensive Jugendarbeit katholischer Priester löste einen Prozess sozialer Organisation aus, dem die damalige Militärregierung eine eigene Initiative entgegensetzte: ein Gemeindezentrum mit zwei Sozialarbeiterinnen. 1979 folgte ein Gesundheitsposten und eine erste Schule. Der Rückschlag kam Mitte der 1980er-Jahre, als wieder eine Überschwemmung die Bewohner von rund 600 Häusern obdachlos werden ließ. In diesem Jahr begannen die Bewohner von Conjunto Palmeira, ihrer Forderung nach einem Dränagekanal Nachdruck zu verleihen.
Bewohner griffen zur Selbsthilfe
Von den Behörden der Hauptstadt weitgehend alleinegelassen, griffen die Bewohner zur Selbsthilfe, kümmerten sich um die Entsorgung des Mülls und bauten gemeinschaftlich eine Ziegelproduktion auf. Ein Jahr später beschlossen die Einwohner, den 1.700 Meter langen Kanal in eigener Regie und eigener Arbeitskraft zu bauen. Ein lokaler Rat wurde gebildet, der eine so genannte Managementeinheit aus Bewohnern des Stadtteils gründete. Diese erhielt nach langen Verhandlungen die notwendigen Mittel zum Kauf von Baumaterialien und zur Anmietung von Maschinen. Der Kanal, in den die Bürger von Conjunto Palmeira so viele Hoffnungen setzten, wurde 1995 fertiggestellt.
Etwa zur gleichen Zeit wurden aus örtlichen Zuschüssen finanzierte lokale "Verfügungsfonds" eingesetzt. Mit Hilfe dieser Fonds erwarben die Bewohner des Stadtteils erste Erfahrungen mit der eigenständigen Planung kleiner Projekte und der Verwaltung der dafür notwendigen Finanzmittel. Als nächster Schritt gründeten die Bewohnervereine mit Hilfe eines Darlehens einen kleinen Rotationsfonds, der mit einem Zu-schuss aus Mitteln der deutschen technischen Zusammenarbeit und von OXFAM aufgestockt wurde. Einige Bewohner wurden in Fortaleza im Bereich Finanzmanagement geschult - die Banco Palmas war entstanden, und zwar aus der Erkenntnis heraus, dass die bereits erreichten Verbesserungen in dem Wohnumfeld nur mit Hilfe höherer Einkommen auch Bestand haben würden.
Die Kredite der Banco Palmas kommen hauptsächlich den Frauen zugute. Die Kreditkarte (PalmaCard) ist nur in dem Stadtteil Palmeiras gültig und soll den lokalen Einkauf durch die Einwohner, insbesondere der Einwohnerinnen fördern. Viele von ihnen haben keinen Zugang zum staatlichen Bankensystem mit seinen extrem hohen Zinsen oder sie erhalten keinen Kredit mehr aufgrund säumiger Ratenzahlungen. Die Zinsen liegen zwischen 1,5 und drei Prozent im Monat.
Kunsthandwerk "PalmArt"
Zwölf durch die Banco Palmas finanzierte Näherinnen haben sich zur Produktionsgruppe "PalmaFashion" zusammen geschlossen. Zehn weitere Frauen, die das neue Kreditsystem sehr erfolgreich nutzen, bieten Kunsthandwerk unter dem Motto "PalmArt" an. Nach drei Jahren besitzt die lokale Bank bereits 920 Kunden und hat 446 Kredite an Kleinstunternehmer und 1.220 Konsumkredite vergeben. In den 94 Geschäften, in denen die PalmaCard zugelassen war, stieg der Umsatz um durchschnittlich 40 Prozent. Durch die Finanzierung entstanden rund 500 Arbeitsplätze.
Es treten allerdings auch Probleme auf: Der durch die Arbeit von Freiwilligen, Spenden und Mitteln der internationalen Zusammenarbeit finanzierte Fonds trägt sich nicht selbst. Damit dies der Fall ist, müsste der Kapitalstock beträchtlich erhöht werden. In gleichem Maße würden die Managementprobleme zunehmen.
Noch ist kein Ausweg aus dem Dilemma in Sicht. Was aber zunächst für die Bewohner von Palmeira zählt, ist der Impuls, der vor allem bei den Frauen ausgelöst wurde. Hervorgerufen durch solidarisch begleitete Eigeninitiative sind sie sich ihrer Möglichkeiten bewusst geworden. Viele von ihnen sind heute nicht mehr allein von dem abhängig, was ihre Männer durch Gelegenheitsarbeit verdienen. Das stärkt ihr Selbstbewusstsein und macht sie freier für Aktionen ähnlicher Art.
Die Erfolge in der Bekämpfung der Armut sind beträchtlich und geben in ihrer positiven Wirkung inzwischen weit über die Grenzen von Palmeira hinaus in der aktuellen brasilianischen Diskussion über solidarische Wirtschaftsformen ein viel beachtetes Beispiel. Die inzwischen gewonnenen Erfahrungen zeigen mehr als deutlich, dass Frauen in außerordentlich schwierigen Situationen mit verhältnismäßig bescheidenen Mitteln dennoch nachhaltige Verbesserungen für sich selbst und ihre Familien zu erzielen vermögen.