Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 20.09.2004
Gunter Holzweißig

Militarisierte DDR-Gesellschaft

Kurz notiert

Dass die "bewaffneten Organe der DDR" inzwischen zu den am besten erforschten militärischen Formationen der ehemaligen Ostblockstaaten gehören, ist zweifellos auch das Verdienst des Potsdamer Militärgeschichtlichen Forschungsamts (MFGA) der Bundeswehr. Das MFGA betrachtet sich zu Recht als eine wissenschaftliche Institution, die eine moderne Militärgeschichtsforschung betreibt und sich nicht mehr ausschließlich auf eine deskriptive und anwendungsorientierte Kriegs- und Wehrgeschichte beschränkt.

Um diese methodische Öffnung haben sich insbesondere Hans Ehlert und Matthias Rogg, MFGA-Historiker und Herausgeber des anzuzeigenden Sammelbandes, verdient gemacht. Sie markieren einleitend ihr Forschungsinteresse: "Ohne genaue Kenntnisse über das Verhältnis von Militär, Staat und Gesellschaft ist eine kritische Aufarbeitung der SED-Diktatur und ihre historische Bewertung kaum möglich." Unter dieser Prämisse haben die Herausgeber den Band, an dem 36 fachkundige Autoren mitgewirkt haben, überzeugend in acht Abschnitte unterteilt, ohne sich dabei der Gefahr der Beliebigkeit auszusetzen.

Behandelt werden die Rolle der NVA im Kalten Krieg, im Spannungsfeld zwischen Fremd- und Selbstbestimmung und als Herrschaftsinstrument der SED. Außerdem werden das Verhältnis zwischen militärischer und ziviler Gesellschaft sowie zwischen Kirche und Militär, der Soldatenalltag und die Militärpropaganda am Beispiel der Instrumentalisierung des Spielfilms beleuchtet.

Der letzte Abschnitt führt in die Gegenwart. Hier geht es um das Ende der NVA, den Neuanfang für eine Minderheit ihrer Soldaten in der Bundeswehr, aber auch um die Probleme derer, denen die Rückkehr ins Zivilleben schwer gefallen ist. Fünf umfangreichere Abschnitte werden von ausgewiesenen DDR-Spezialisten - unter ihnen Rolf Steininger und Hermann Weber - durch Aufsätze mit Überblickscharakter eingeleitet. Insgesamt ein gelungener, auch für die politische Bildungsarbeit hervorragend geeigneter Beitrag zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, der auch um Verständnis für andersartig erscheinende ostdeutsche Lebensbezüge wirbt. Gunter Holzweißig

Hans Ehlert, Matthias Rogg (Hrsg.)

Militär, Staat und Gesellschaft in der DDR.

Forschungsfelder, Ergebnisse, Perspektiven.

Ch. Links Verlag, Berlin 2004; 740 S.,34,80 Euro


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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