Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 25 - 26 / 20.06.2005
Robert Luchs

Hun Sen baut seine Macht aus

Kambodscha

Kambodscha ist auch zwölf Jahre nach den ersten freien Wahlen noch weit von demokratischen Verhältnissen entfernt. Ministerpräsident Hun Sen hat nach massivem Druck auf die Nationalversammlung dafür gesorgt, dass die parlamentarische Immunität von drei Oppositionspolitikern aufgehoben wurde, unter ihnen Sam Rainsy, Vorsitzender der stärksten Oppositionspartei. Die Politiker, neben Sam Rainsy sind dies Cheam Channy und Chea Poch, suchten vorübergehend Schutz in der US-Botschaft in Phnom Penh, bevor Rainsy und Chea Poch Kambodscha verließen und in die USA ausflogen. Cheam Channy wurde verhaftet. Ihnen war vorgeworfen worden, eine "illegale bewaffnete Einheit" organisiert zu haben.

Die Demokratie ausgehöhlt

Nicht nur politische Beobachter in Phnom Penh sehen das Vorgehen als einen erneuten Versuch des Regierungschefs, die Opposition völlig auszuschalten und nahezu uneingeschränkt zu regieren. Dies wäre ein großen Rückschlag für die demokratische Entwicklung des südostasiatischen Landes, dessen Haushalt zur Hälfte von der internationalen Gemeinschaft finanziert wird. Bereits Ende April hat der Bundestag einen Antrag der FDP-Bundestagsfraktion (15/5071) einstimmig angenommen, indem die "volle Wiederherstellung der parlamentarischen Rechte" der kambodschanischen Abgeordnetengefordert wird. Hun Sen habe - von der internationalen Öffentlichkeit fast unbemerkt - systematisch die Grundfesten der demokratischen Ordnung ausgehöhlt.

Die letzten Parlamentswahlen im Sommer 2003 hatten zu keinen klaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Ein Jahr lang hatte das Tauziehen zwischen Hun Sens ex-kommunistischer Regierungspartei CPP, der Funcipec Partei von Prinz Norodom Ranariddh, einem Sohn des früheren Königs Sihanouk, und der Partei Sam Rainsys gedauert. Schließlich gelang es Hun Sen mit einem beispiellosen Coup, sich die Mehrheit der Parlamentssitze zu sichern. Nach unbestätigten Meldungen wurde Ranariddhs Bereitschaft zur Koalitionsbildung mit der CPP mit einer Zahlung von 30 Millionen Dollar und einem Privatflugzeug vergolten. Damit wurden Ranariddh die Mandate abgekauft, die der Ministerpräsident zur Festigung seiner Macht benötigte. Ranariddh, seinem einstigen politischen Gegenspieler, den er 1977 mit einem blutigen Putsch vorübergehend aus dem Land verjagt hatte, blieb der Posten des Präsidenten der Nationalversammlung.

Scharfe Kritik an der Regierung

Brad Adams, Chef der Asien-Abteilung von Human Rights` Watch, íst davon überzeugt, dass Hun Sen schon seit einem Jahr nach einem Vorwand sucht, um Sam Rainsy auszuschalten. "Hun Sens Vorgehen könnte eine Kehrtwende in der demokratischen Entwick-lung hin zu einem Ein-Parteien-Staat bedeuten." Sam Rainsy beurteilt die Situation ähnlich und ließ in einer in Washington veröffentlichten Presseerklärung mitteilen, Hun Sen unternehme Schritte, um wichtige Oppositionelle zu eliminieren. Rainsy warf dem Ministerpräsidenten außerdem vor, viele Millionen Dollar an internationaler Hilfe zu veruntreuen. Wenn schon die Geberländer nicht kontrollierten, ob ihre Unterstützung ankomme und effektiv sei, dann müsse dies eine dynamische Opposition tun, betonte Rainsy. Allerdings hatten die Geberländer schon einmal ihre Entwick-lungshilfe storniert, als Hun Sen der Koalition mit Prinz Ranariddh mit Gewalt ein Ende gesetzt hatte.

Oppositionspolitiker Sam Rainsy, der in der Vergan-genheit immer wieder von den USA unterstützt worden ist, ist besorgt über die Gewaltbereitschaft in seinem Land. Er teilt das Schicksal vieler Politiker, die mit dem skrupellosen Hun Sen zusammengearbeitet haben und nicht länger schweigen mochten. Die anfängliche Kritik des früheren Finanzministers Rainsy an seinem Kurs kam Hun Sen nicht ungelegen: Er nutzte sie als Beweis für das vermeintlich demokratische Klima in seiner Regierung. Als Rainsy immer schärfer die wachsende Korruption im Regierungsapparat attackierte, wurde er 1994 von Hun Sen entlassen.

Sechs Monate später wurde der unbequeme Politiker aus der Funcipec-Partei ausgeschlossen und verlor auch sein Abgeordneten-Mandat. Als er Streiks in Hongkonger und Taiwaner Textilfabriken in Phnom Penh organisierte und erreichte, dass der Monatslohn der Arbeiterinnen von 20 auf 40 Dollar monatlich verdoppelt wurde, war Sam Rainsy mit einem Schlag der populärste Politiker Kambodschas. Er gründete zunächst die Khmer National Partei, die er wenig später in Sam Rainsy-Partei umbenannte. Um Wahlkämpfe zu finanzieren, verkaufte der auch im Ausland erfolgreiche Finanzberater einen Teil seines Besitzes.

"Organisiertes Theaterstück"

Bei den letzten Wahlen hatte unser Mitarbeiter Gelegenheit, ein Interview mit Sam Rainsy zu führen. Auf die Frage, ob er die Wahl als frei und fair bezeichnen würde, sagte Rainsy: "Wir haben es mit gefälschten Wahlen zu tun, weil die Kommunisten diese Wahlen wie ein Theaterstück organisiert haben. Und wir kennen das Ergebnis der Wahlen bereits im voraus. Die Kommunisten werden 60 Prozent der Stimmen bekommen, obwohl sie nicht mehr als ein Viertel der Stimmen bei freien und fairen Wahlen bekommen würden."

Rainsy hat Korruption, Unterschlagung, Ämterpatro-nage und die Zahlung von Schweigegeldern in Kam-bodscha durchschaut. Dass er diese Machenschaften immer wieder mutig anprangerte, ist ihm erneut politisch zum Verhängnis geworden. Sein künftiger Spielraum in Kambodscha wird ein Gradmesser dafür sein, wie es künftig um die demokratische Entwicklung in dem Land bestellt ist.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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