Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 40 / 04.10.2005
Jürgen Fux

Freude und Katzenjammer

Mecklenburg-Vorpommern

Von "Zehn Prozent in drei Wochen gewonnen, das hätte uns keiner zugetraut; die SPD ist im Aufwind" (Till Backhaus, SPD-Landesvorsitzender) über "Rot-Grün ist abgewählt" (Peter Ritter, Vorsitzender der Linkspartei.PDS) und "Ich denke, dass wir in Mecklenburg-Vorpommern gewonnen haben" (Harald Terpe, Spitzenkandidat der Grünen) oder "Das beste Wahlergebnis, das diese Partei jemals in diesem Land hatte" (Sebastian Ratjen, Generalsekretär der Landes-FDP) bis zu "Das ist wahrlich kein Traumergebnis; es gibt nichts schönzureden" (Jürgen Seidel, CDU-Landeschef) reichten die Reaktionen am Wahlabend in Mecklenburg-Vorpommern. Falscher Siegestaumel, echte Freude und Katzenjammer also auch im Nordosten.

Die SPD hat sich von Anbeginn an als Gewinner präsentiert. Dies ist ihr trotz eines regelrechten Absturzes von minus zehn Prozent auch fast gelungen. Nicht gefallen wird der Partei die neue Stärke der PDS. Geärgert hat vor allem der Verlust des Direktmandates Neubrandenburg/Mecklenburg-Strelitz/ Uecker-Randow an die CDU. Das hat man dem Koalitionspartner auf Landesebene, der PDS, zu verdanken, die hier ihr bestes Ergebnis einfährt. Auch der Einbruch in das traditionelle schwarze Vorpommern gelang nicht. Mit nur um die 25 Prozent ist die SPD trotz vieler Anstrengungen und einem agilen Kreisvorsitzenden, Justizminister Erwin Sellering, hier von der Größe einer Volkspartei weit entfernt.

2002 sah es so aus, als ob Ministerpräsident Harald Ringstorff mit seiner Umarmungsstrategie Recht behalten könnte. Er wollte die PDS in der Koalition entzaubern und überflüssig machen. Damals gab es sogar die Hoffnung auf absolute Mehrheiten. Davon sind die Sozialdemokraten unter ihrem neuen Landeschef Till Backhaus nun wieder weit entfernt. Und noch ist nicht klar, ob die SPD mit diesem oder dem im Land durchaus beliebten, außerhalb jedoch weitgehend unbekannten Amtsinhaber Harald Ringstorff in die Landtagswahl im Herbst 2006 zieht.

Bei der Analyse hinter verschlossenen Türen dürfte es auch bei der CDU viel Gesprächsstoff gegeben haben. Die Partei von Angela Merkel hat zwar (wieder einmal) über dem ostdeutschen Durchschnitt abgeschnitten, sieht sich aber seit 1998 in der 30-Prozent-Falle gefangen. Einen Merkel-Effekt konnte sie, anders als Schröder 1998 in Niedersachsen, auch nicht verbuchen. Noch eine Beobachtung lässt aufmerken: Zwar gewannen die Christdemokraten neben den traditionellen zwei Direktmandaten Stralsund/Nordvorpommern/Rügen und Greifswald/Demmin/Ostvorpommern noch jenes in Neubrandenburg/Mecklenburg-Strelitz/Uecker-Randow hinzu, jedoch schmilzt der Vorsprung massiv. Gewonnen wurden die Direktmandate vor allem Dank des Stimmensplittings zwischen SPD und PDS. Beruhigen kann auch nicht, dass sich die CDU mit ihrem früheren Frontmann Eckhardt Rehberg in Rostock - zumindest bei den Erststimmen - vom Keller (21,5 Prozent) ins Tiefparterre (25,6 Prozent) hochgearbeitet hat, nach einem Desaster von nur 7,6 Prozent bei der Oberbürgermeisterwahl im Februar 2005. Eckhardt Rehberg wird nun über die Liste in den Bundestag einziehen. Ob sein Nachfolger im Parteivorsitz, der Warener Landrat Jürgen Seidel, die CDU aus der Landtagsopposition führen kann, bleibt abzuwarten.

Kleine Parteien haben gewonnen

Klarer Gewinner ist unbestritten die Linkspartei.PDS, die 2002 noch Federn lassen musste. Die PDS, die seit 1998 mit der SPD die Landesregierung bildet, legte um 7,4 Prozent zu. Es hätte mehr sein können, mutmaßt mancher. Arbeitsminister Helmut Holter, einer der Architekten von Rot-Rot in Schwerin, erreichte in seinem Wahlkreis nur 23 Prozent und bleibt nun im Land. In Rostock, der größten Stadt des Landes, hätte ein anderer als der 26-jährige Student Steffen Bockhahn erfolgreicher sein können. Dies gilt es aufzuarbeiten. Und noch etwas muss sich die PDS vor Augen führen: Neue Wähler konnte die Linkspartei nicht an sich binden. Sie erreichte lediglich ihr Ergebnis von 1994 und 1998.

Gewonnen haben die kleinen Parteien. Obwohl die Grünen mit 4,0 Prozent erneut an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, schicken sie mit Harald Terpe nun einen relativ bekannten Mann nach Berlin. Die FDP kann sich freuen. Sie übersprang mit 6,3 Prozent klar die Hürde, ist mit dem Schweriner Anwalt Christian Ahrendt im Bundestag präsent und macht sich Hoffnungen auf den Einzug in den nächsten Landtag.

Bedenklich sind die Gewinne bei der rechtsextremen NDP. Trotz einer Wahlbeteiligung von immerhin 71,4 Prozent kam sie landesweit auf 3,5 Prozent und war mit einem Zuwachs von 2,7 Prozent nach der PDS der größte Gewinner.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.