Pünktlich zur "Grünen Woche" wird über Gentechnik im Essen diskutiert
Einmal im Jahr wird den Deutschen ganz genau auf den Esstisch geschaut: Zwischen dem kulinarischen Höhepunkt des Jahres, den Schlemmereien zu Weihnachten, und dem kargen Tiefpunkt, der Fastenzeit, lädt die Grüne Woche in Berlin zum Naschen ein. Und aus Anlass dieser größten Schau der Agrar- und Ernährungswirtschaft erfahren die Menschen ganz offiziell, wie sie sich ernähren. So hat zum Beispiel jeder in Deutschland im vergangenen Jahr ein Kilogramm mehr Fleisch verspeist als 2002. Insgesamt waren es stolze 60,8 Kilo, freut sich die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft, bekannt als CMA. Eine beruhigende Zahl auch für die Landwirte, vor allem weil wieder mehr Rind gegessen wurde. War doch in Folge des Rinderwahnsinns BSE der Konsum 2001 schwer eingebrochen.
Vom Tisch ist die Seuche allerdings noch nicht, wie sich just in den Tagen vor der Essensmesse zeigte, als bekannt wurde, dass Rinder ohne den vorgeschriebenen BSE-Test geschlachtet worden waren. Die davon ausgehende Gefahr für die Verbraucher sei aber gering, befanden Experten: Nach Angaben von Bauernpräsident Gerd Sonnleitner habe es lediglich bei 0,02 Prozent aller Tests Probleme gegeben. Für den Landwirtschaftslobbyisten sind die bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei den BSE-Tests vielmehr ein Beleg, dass das deutsche Kontrollsystem funktioniert.
Für Agrar- und Verbraucherschutzministerin Renate Künast (Bündnis 90/Die Grünen) hat die Grüne Woche, bei deren 69. Ausgabe fast 1.600 Aussteller aus 56 Ländern ihre Produkte präsentieren, schon lange Ritualcharakter: Wie jedes Jahr durfte sie ein bisschen für ihre Politik und insbesondere die ökologische Landwirtschaft werben; gleichzeitig musste sie sich gegen scharfe Angriffe von fast allen Seiten verteidigen. Beifall und Buhrufe empfingen die Minsterin bei der Eröffnung am 15. Januar. Hauptziel der Kritik war in dieser Saison der Gesetzentwurf zum Einsatz von Gentechnik bei Lebensmitteln, den Künast kurz vor Ausstellungsbeginn ankündigt hatte. Geregelt werden darin die Vorschriften für den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland. Der Entwurf berücksichtigt auch die ab April EU-weit geltende Kennzeichnungspflicht für genveränderte Produkte und legt die Bußgelder für falsch ausgezeichnete Waren fest.
Erwartungsgemäß kritisierte Sonnleitner den Entwurf, insbesondere die darin vorgesehenen Haftungsregelungen. Landwirte, die gentechnisch veränderte Organismen anbauen, sind danach verpflichtet, ein Übergreifen der veränderten Gene auf andere Flächen zu verhindern. Sonnleiter forderte, zunächst einen Erprobungsanbau zuzulassen, und erst danach Regeln für die Koexistenz zu verabschieden. EU-Agrarkommissar Franz Fischler unterstützte hingegen in diesem Punkt die deutsche Ministerin. Renate Künast warnte erneut vor einer "schleichenden Einführung" der Gentechnik in Deutschland. Ohne genaue Regelungen für die Koexistenz von traditioneller und gentechnisch manipulierter Landwirtschaft hätten weder der konventionelle noch der ökologische Anbau eine Zukunft: "Gentechnik findet längst statt. Es geht darum, die Alternative zu erhalten." Weltweit werden auf schätzungsweise 60 Millionen Hektar Anbaufläche gentechnisch veränderte Produkte angebaut.
Noch ist allerdings zweifelhaft, ob dafür überhaupt die Nachfrage vorhanden ist. Laut einer Umfrage der Umweltorganisation Greenpeace in Deutschland haben alle großen Handelsketten und viele Markenhersteller erklärt, bei der Produktion ihrer Produkte auf Zutaten mit gentechnisch veränderten Organismen verzichten zu wollen. Greenpeace wertet dies als Beweis, dass selbst nach Ansicht der Firmen die Verbraucher gentechnisch modifizierte Produkte ablehnen.