Gesetz im Bundestag verabschiedet
Mit finanziellen Anreizen und besserer Beratung sollen Betriebe motiviert werden, mehr Schwerbehinderte einzustellen und auszubilden. Ein entsprechendes Gesetz zur Förderung behinderter Menschen im beruflichen Leben ist am 16. Januar 2004 im Deutschen Bundestag mit den Stimmen der rot-grünen Koalition sowie der FDP verabschiedet worden. Union und die beiden fraktionslosen PDS-Abgeordneten lehnten die als unzureichend kritisierten Regelungen dagegen ab.
Die vor drei Jahren von sechs auf fünf Prozent abgesenkte Beschäftigungspflichtquote für Schwerbehinderte soll nicht wieder angehoben werden. Sie war mit der Auflage reduziert worden, die Zahl arbeitsloser Schwerbehinderter von Oktober 1999 bis Oktober 2002 um etwa 25 Prozent zu senken. Dieses Ziel wurde mit rund 24 Prozent annähernd erreicht.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Sozialministerium, Franz Thönnes (SPD), forderte in der Debatte, die Chancen von Behinderten auf dem Arbeitsmarkt deutlich zu verbessern. Ein Drittel der beschäftigungspflichtigen Unternehmen habe noch immer keinen einzigen schwerbehinderten Mitarbeiter, kritisierte der Redner. Mit den gesetzlichen Neuregelungen sollten Arbeitgeber motiviert werden, Behinderte einzustellen. Dafür sei eine bessere Beratung erforderlich. Es gehe für die Betroffenen um Teilhabe und Chancengleichheit im gesellschaftlichen Leben. Das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderung 2003 habe entscheidend dazu beigetragen, die Probleme dieses Personenkreises in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Jetzt seien angesichts der komplizierten Lage auf dem Arbeitsmarkt neue Anstrengungen nötig, um die Situation der Schwerbehinderten zu verbessern. "Die Einstellung hängt von der Einstellung ab", sagte Thönnies, es gehe bei der Erhöhung von Mobilität der Betroffenen vorrangig um "eine Barrierefreiheit im Kopf" der Arbeitgeber.
Behindertenpolitik sei Bürgerrechtspolitik, unterstrich der FDP-Abgeordnete Daniel Bahr. "Es gibt keine Behinderten, sondern nur Menschen, die behindert werden." Es gehe um die gemeinsame Suche der Politik nach vernünftigen, praxistauglichen Lösungen.
Das neue Gesetz komme der Arbeitswelt entgegen, betonte Markus Kurth (Bündnis 90/ Die Grünen). Es solle die Arbeitgeber in die Lage versetzen, mehr Arbeitsplätze für Behinderte zu schaffen. Dem entgegnete Hubert Hüppe (CDU/CSU-Fraktion), dass es auf der Seite der Politik leider noch zu wenig Bewusstseinsveränderung in Bezug auf diesen Problembereich gebe. "Vielen Behinderten geht es schlechter als vor einem Jahr." Seine Fraktion könne in dem zur Abstimmung stehenden Gesetzentwurf keine Verbesserungen sehen. "Wer Missstände verändern will, muss bereit sein, sie zu erkennen." Behinderte seien häufig leistungsfähiger als Nichtbehinderte, sagte Hubert Hüppe, der trotz abweichender Meinungen die Bereitschaft seiner Partei zum Ausdruck brachte, bei der besseren Integration von Behinderten mitzuarbeiten.
Die Politik von Rot-Grün sei es, dass Behinderte als Akteure in eigener Sache gestärkt würden, hob Silvia Schmidt (SPD-Fraktion) hervor. Das neue Gesetz ermögliche mehr Teilhabe und Selbstbestimmung. Den Einsprüchen von CDU/CSU hielt sie entgegen, dass es "keine vernichtende Kritik" der Betroffenenverbände gebe. Renate Gradistanac (SPD) verwies darauf, dass Barrierefreiheit für Behinderte sich auch auf den touristischen Bereich beziehen müsse. Diese Bevölkerungsgruppe gebe jährlich rund 1,6 Milliarden Euro für Übernachtungen bei Reisen aus. Im behindertengerechten Ausbau von Urlaubsorten liege deshalb ein beachtliches wirtschaftliches Potenzial. In diesem Zusammenhang forderte Wilhelm Josef Sebastian (CDU/CSU) ein Freizeitangebot, das Behinderte wie Nichtbehinderte nutzen könnten, es dürften keine Ghettos geschaffen werden.
Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Karl Hermann Haack (SPD), mahnte angesichts der wieder zunehmenden Arbeitslosigkeit dringend Handlungsbedarf an.