Hessen: Regieren hinter historischer Fassade - die neue Staatskanzlei
Von einer "ganz neuen Art zu repräsentieren" schwärmt Koch seit seinem Umzug in das rund 27.000 Quadratmeter große historische Gebäude mit seinen 350 Räumen. "Und außerdem", findet der Regierungschef im Gegensatz zur Opposition, "war es ein Schnäppchen". 86,7 Millionen Euro hat das Land Hessen für den Ankauf der "Rose", ihre Sanierung und die Innenausstattung ausgegeben. 210.000 Euro kostete allein die Kunst im Bau. So können Hessens Ministerpräsidenten künftig nicht nur zwischen modernen und antiken Stilmöbeln regieren, sondern sich auch unter historischen Kronleuchtern von rund 50 Sinnsprüchen - etwa "die Vögel philosophieren in den Lüften" oder "wie der Sternenhimmel bin ich still und bewegt" - inspirieren lassen, die der Offenbacher Künstler Heiner Blum per Sandstrahler auf den Fenstern des ehemaligen Hotels verewigt hat.
So verbirgt sich hinter der hellen Sandsteinfassade mit ihren schmiedeeisernen Balkonen ein "bewusster Kontrast aus Moderne und Historie", wie es Staatskanzleichef Stefan Grüttner formuliert. Denn an Geschichtsträchtigem mangelt es der ehemaligen Nobelherberge am Wiesbadener Kranzplatz gewiss nicht. Seit 500 Jahren ist ihr Name verbürgt. Mauerreste und Ziegelfunde weisen sogar auf eine noch ältere Vergangenheit: Schon die alten Römer haben sich offenbar auf dem Terrain der neuen Staatskanzlei im Thermalwasser der heutigen Landeshauptstadt getummelt. Im Mittelalter avancierte die "Rose" dann zum "Badhaus erster Klasse". Der Speisesaal und das damals dreistöckige Wohnhaus fanden lobende Worte in zeitgenössischen Schriftquellen: "Zur Rosen ist der fürnembsten Badherbergen eine", heißt es, "und mit guter Commodität versehen".
Während Wiesbaden zur Weltkurstadt aufstieg, wurde die "Rose" zu einem Flaggschiff des damaligen Nobeltourismus. Zwischen 1898 und 1901 wurde das jetzige Gebäude nach dem Vorbild des französischen Neobarock erbaut: "Häusern wie der Rose", schwärmte schon der gescheiterte Immobilienmulti Jürgen Schneider, "gehört meine Bauleidenschaft". Schneider war es, der die schicke Immobilie 1994 für umgerechnet rund 153 Millionen Euro erwarb, entkernte und das Dach erneuern ließ. Er hatte für die "Rose" eine gemischte Nutzung aus Läden, "sehr vornehmen" Appartements und einem Fünf-Sterne-Hotel vorgesehen. Dort, wo sich heute der Kabinettssaal befindet, sollte nach seinen Planungen die Zentralküche des Hotels untergebracht werden. Nach seiner Festnahme fiel der Bau als Konkursmasse an die Deutsche Bank. Mit seinem Versuch, aus der "Rose" eine Kurklinik für kapitalkräftige Patienten zu machen, sollte 1997 auch der Caritas-Manager Hans-Jürgen Doerfert scheitern.
Außer einem neuen Dach hinterließ Jürgen Schneider dem Land Hessen auch eine Stapeltiefgarage, die laut Grüttner "mal gut, mal weniger gut" funktioniert. Doch über kleine technische Probleme setzt sich die Staatskanzleiführung mit Blick auf das ungewohnt großzügige Platzangebot gerne hinweg. Die "Rose" beherbergt jetzt 21 Tagungsräume, teils stuckverziert und mit zeitgenössischen Marmorkaminen ausgestattet. Der Ministerpräsident regiert in der Beletage mit Aussicht auf den historischen Kochbrunnen. Sollte einer seiner Nachfolger lieber in den Hof schauen wollen, kann er die Flurseite wechseln. Die Büros der 325 Mitarbeiter - darunter auch Bedienstete der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung und des Statistischen Landesamtes - fallen mit ihren grauen Möbeln nun auffallend schlicht aus.
Noch im vergangenen Herbst hatte es einen Eklat gegeben, weil der hessische Landesrechnungshof moniert hatte, dass die geplante Möbilierung der Regierungszentrale ursprünglich doppelt so teuer ausfiel wie in vergleichbaren Landesbehörden und die Ausschreibung zu stark auf einen Anbieter ausgerichtet worden war. Dies hatte vor allem für Zündstoff gesorgt, weil die Landesregierung beinahe zwei Monate zuvor mit einem drastischen Sparpaket an die Öffentlichkeit gegangen war. Der Rechnungshof sorgte schließlich dafür, dass unter anderem schlichte Plastikmülleimer statt der ursprünglich geplanten "Papierkörbe ganz aus Edelstahl, nahtlos, geschliffen, Kanten gerundet" angeschafft und auf Massivholzelemente in den Schreibtischen verzichtet wurde. Dass Koch aufgrund des öffentlichen Drucks auf die geplante "Luxusausstattung" verzichten musste - was dem Landeshaushalt nun immerhin 1,3 Millionen Euro einbringt - erfüllt SPD und Grüne noch heute mit Befriedigung. Dennoch wirft die Opposition Koch eine "Aufblähung seines persönlichen Machtapparates" um einen weiteren Staatssekretär und 150 zusätzliche Mitarbeiter vor. "Während die Rose erblüht", moniert der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Frank Kaufmann, "vertrocknet Hessen."