Ein Ausblick auf die internationalen Probleme
Der Altmeister der amerikanischen Außenpolitik, Henry Kissinger, blickt für die kommenden Jahre über diese Bedrohung hinaus. "Während der militante Islam die unmittelbarste und offenkundigste Herausforderung für die internationale Ordnung darstellt, ist die Weiterverbreitung von Atomwaffen die langfristigste und heimtückischste Gefahr für die Welt", bemerkte er kürzlich im Magazin "Newsweek".
Der diplomatische Streit der UNO und des Westens mit dem radikal-islamischen Iran über den möglichen Bau einer Atombombe hätte schon vor 58 Jahren vermieden werden können. Am 14. Juni 1946 nämlich diskutierte der UN-Sicherheitsrat, damals provisorisch untergebracht im Turnsaal des Hunter College in New York, über die Zukunft von Atomwaffen. Die USA waren vertreten durch den 75-jährigen Präsidentenberater Bernard M. Baruch, der das Thema damals salbungsvoll anging: "Mitbürger der Welt, wir sind hier versammelt, um zwischen den Lebenden und den Toten zu wählen." Dann unterbreitete er einen ernstgemeinten Vorschlag: Es sei für das Überleben der Menschheit unbedingt notwendig, einen Mechanismus zu schaffen, der es gestatte, die Atomenergie friedlich zu nutzen und für den Krieg zu verbieten. Ein derartiger Mechanismus dürfe indes nicht allein aus frommen Gedanken bestehen, sondern müsse energische, unfehlbare Sanktionen enthalten und mit einem internationalen Gesetz versehen sein. Unter diesen Bedingungen, die Abschaffung des Vetos im Sicherheitsrat vorausgesetzt, erkläre Amerika sich bereit, seine Atomwaffen der UNO zu übertragen, damit sie vernichtet würden, und seine Technik, damit sie für den Fortschritt der Menschheit nutzbar gemacht werde.
Doch es war die Zeit des Kalten Krieges. Die Sowjetunion dachte nicht daran, auf ihr Vetorecht zu verzichten. Moskau war nicht bereit, auch nur das kleinste Vorrecht preiszugeben. Der Atomwaffensperrvertrag, von der UN-Generalversammlung erst 1968 gebilligt und 1970 in Kraft getreten, kam viel zu spät. Seine Regelungen sind zudem zu halbherzig und konnten nicht verhindern, dass atomwaffenfähiges Material weltweit verbreitet wurde.
Deshalb auch verfügen heute das militante, schiitische Mullah-Regime in Teheran und die aggressive Diktatur in Nord-Korea über Atomwaffen-Kenntnisse, mit denen sie versuchen wollen, die westliche Welt einzuschüchtern. Seit 1993 haben die USA auf diplomatischem und humanitärem Weg versucht, Nord-Korea von weiteren Schritten abzubringen. Vergebens. Gleiches zeichnet sich im Iran ab, der in den USA seinen Hauptfeind sieht und Terroristen-Organisationen in Nahost seit 1979 massiv unterstützt. Zwar haben sich die Mullahs vor kurzem auf eine Vereinbarung mit der Europäischen Union eingelassen, wonach Teheran sein Uran-Anreicherungsprogramm stoppen soll. Doch wenige Tage davor haben iranische Wissenschaftler mit der Produktion eines speziellen Gases (Uran-Hexafluorid - UF6) begonnen, das zur Urananreicherung nötig ist, wie die Internationale Atomenergie-Behörde (IAEO) in Wien bestätigte.
Wie lange noch wird sich die Weltgemeinschaft von Ländern an der Nase herumführen lassen, die, wie im Falle Nord-Koreas und Irans bekannt dafür sind, dass sie das Völkerrecht nicht anerkennen und Verträge brechen? Im Sommer 2005 wird die UNO 60 Jahre alt - und ist immer noch nicht weise. Auch auf EU-Ebene muss überlegt werden, wie man getroffene Vereinbarungen durchsetzt. Weil es bisher in der Regel am tatsächlichen Sanktionswillen bei Nichteinhaltung solcher Verträge und Abkommen gemangelt hat, steht die Menschheit heute erneut vor großen Gefahren, möglicherweise leichtfertig verursacht von hemmungslosen Fanatikern. Das zwingt zu neuen Wege in der internationalen Politik.
Dies gilt auch für die deutsche Außenpolitik. Ein Land, das einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat anstrebt, muss globale Verantwortung übernehmen. Hohe Beiträge an die Vereinten Nationen sowie Finanzspritzen für alle möglichen UN-Einsätzen reichen da nicht mehr aus. Das wissen deutsche Diplomaten. Dennoch wird ihnen bei beträchtlichem Zuwachs an neuen Aufgaben der Etat zusammengestrichen. Zwischen 1989 und 2004 ging der Anteil des Auswärtigen Amtes am Bundeshaushalt von 22 Prozent auf unter zwölf Prozent zurück. Stattdessen aber müsste bei dem zunehmenden Willen der Bundesregierung, sich international zu engagieren, mehr statt weniger Geld für die Außenpolitik ausgegeben werden.
Auch ist festzustellen, dass bei aller Betonung der Bundesregierung, sie denke und handle europäisch, davon nicht immer die Rede sein kann. Trat 1998 Rot-Grün noch mit der Forderung an, Europa solle im UN-Sicherheitsrat mit einem Sitz vertreten sein, betreibt die Bundesregierung seit einem Jahr Lobby-Arbeit, um neben Frankreich und Großbritannien ebenfalls einen Veto-Sitz zu erlangen. Die Chancen dafür stehen allerdings nicht gut. Es wäre klüger, den bisherigen Europakurs beizubehalten und sich auf die anstehenden Herausforderungen einzustellen. In einem EU-Sicherheitsstrategiepapier von 2004 sind diese klar benannt:
Nach der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und der Verhinderung der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen wird an dritter Stelle die Gefahr von regionalen Konflikten genannt, oft ethnischen oder religiösen Ursprungs. Der jüngste Fall der Ukraine zeigt, dass die Lage in Osteuropa weiterhin unsicher ist. Alle dortigen politischen Prozesse berühren die deutsche Politik unmittelbar, denn Russland will dort wieder stärker Ordnungsmacht sein, und dies in Richtung Wiedererrichtung seiner Einflusszonen. Genau hier aber liegt ein Schwachpunkt in der Außenpolitik der vergangenen vier Jahre - und zwar des gesamten Westens. Während sich die West-Europäer nahezu ausschließlich auf die Politik des amerikanischen Präsidenten kaprizierten, hat der russische Präsident Wladimir Putin am Ausbau seiner Macht und seiner Machtinteressen gearbeitet. Der schmutzige Krieg der Russen in Tschetschenien fördert den islamischen Terrorismus eher, als dass er ihn bekämpft. Das hat der Fall Beslan gezeigt, als Anfang September Terroristen eine Schule überfielen und mehrere hundert Menschen, vor allem Kinder, ums Leben kamen. Erst durch die Wahlfälschungen in der Ukraine und die massive Einmischung Putins zugunsten des moskautreuen Viktor Janukowitsch ist Europa aufgewacht.
Wer Ost-Europa kennt, weiß, welche starken Hoffnungen dort auf die EU gesetzt werden. Im Falle der Ukraine ist dies jetzt jedermann deutlich geworden. Aber auch die Tschetschenen hoffen schon lange auf ein deutliches Engagement der Europäer. Statt sich mit der amerikanischen Nahostpolitik zu verzetteln, ist der EU anzuraten, dort Entspannungspolitik zu betreiben, wo sie erwünscht ist. Vor allem aber darf den Russen nicht stillschweigend jene freie Hand eingeräumt werden , die man den Amerikanern in anderen Weltgegenden verweigert.
Die politischen Ereignisse in der Ukraine haben nicht nur Auswirkungen auf Weißrussland, wo es schon lange gegen den Diktator Lukaschenka brodelt, sondern vor allem auf Russland selbst. Dort findet eine zunehmende Verherrlichung der Stalin-Ära statt. In Filmen und TV-Dokumentationen wird der Diktator als Retter Russlands glorifiziert. Gleichzeitig jedoch will sich die junge Generation nicht mehr in ihren neuen Freiheiten einschränken lassen. Putin muss fürchten, dass das ukrainische Beispiel für die russische Opposition Schule machen und er eines Tages ebenfalls mit dem Ruf "Wir sind das Volk" konfrontiert werden könnte. Deshalb wird Putin versuchen, den Demokratisierungsprozess zu hemmen, die Pressefreiheit einzuschränken und außen- wie innenpolitisch eine Drohpolitik zu fahren.
Grundsätzlich sollten auch die so genannten kleinen ehemaligen Sowjetrepubliken nicht aus dem Auge verloren werden. Insbesondere Turkmenistan, ein Land reich an Gas und Öl, autokratisch regiert vom Diktator Turkmenbaschi, landläufig als "Klein-Stalin" karikiert . Das EU-Strategiepapier nennt zudem noch als kritische Punkte die organisierte Kriminalität und das Ausbreiten von Krankheiten, zwei Dinge, die in Richtung Osteuropa weisen, sowie die Unterentwicklung in der südlichen Erdhälfte als anhaltende Gründe für Unruhen und Migrationsdruck. Seit Anfang der 60er-Jahre leistet die Bundesrepublik freiwillig Entwicklungshilfe in Afrika, Asien und Lateinamerika. Doch keinem dieser Länder geht es seither besser. Deutschland ist berühmt dafür, dass es fast alle Staudämme in Entwicklungsländern gebaut hat. Dort wo deutsche Entwicklungshelfer Brunnen gebohrt haben, schreitet die Wüstenbildung fort, und einige sind bereits versandet. Fairerweise muss hinzugefügt werden, dass manche Entwicklungshilfeprojekte von der Bevölkerungsexplosion in den jeweiligen Staaten überrollt wurden.
Dennoch bleibt kritisch zu prüfen, wo die Bundesrepublik welche Projekte weiterhin fördert, oder lieber die Hände davon lassen sollte, um weniger Schaden anzurichten. Dort wo das Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" nicht funktioniert, müssen neue Wege der Zusammenarbeit mit den armen Ländern dieser Welt gefunden werden. Dazu zählen Korruptionsbekämpfung der Eliten dieser Staaten, Programme zur Bildung der Bevölkerung - also Schulen und Lehrer - sowie Seuchen- und Krankheitsbekämpfung. In Afrika ist dies vor allem AIDS. Es wäre sinnvoll, wenn sich die EU dem US-AIDS-Programm für Afrika in nennenswerter Weise anschließen würde.
Letztendlich wird zur Bekämpfung all der angeführten Übel ein effektiver Internationalismus gebraucht. Konkurrierende einzelstaatliche Handlungen sollten zunehmend in den Hintergrund treten und auf Weltebene mittels internationaler oder supranationaler Organisationen wie EU, UNO, Afrikanische Union, koordiniert und umgesetzt werden.
Dennoch bleibt Spielraum für eine eigenständige Außenpolitik, die konsequenterweise an spezifischen deutschen Interessen ausgerichtet sein muss. Umgeben von neun Nachbarn mit einer historischen und geografischen Ausrichtung nach Osteuropa, muss Deutschland seine traditionellen Bindungen zu diesen Staaten intensivieren. Größte Herausforderung dabei bleibt wie eh und je der Umgang mit Russland. Auch die Größe der Bevölkerung der Bundesrepublik mit 82 Millionen verleiht ihr ein Gewicht per se, in der NATO ebenso wie in der EU. Neben Russland verfügt Deutschland über die größte Kontinentalarmee Europas. Innerhalb der EU ist Deutschland der größte Beitragszahler, für NATO und UNO der Drittgrößte. Daraus ergeben sich außenpolitische Konsequenzen, aber auch legitime Interessen. Zwar hat Deutschland einerseits gute - vor allem historische - Gründe, Zurückhaltung beim Einsatz von Streitkräften zu üben. Indes, das zeigen ja bereits die zunehmenden Auslandseinsätze der Bundeswehr, kann sich ein Land mit dem Gewicht Deutschlands, solchen Einsätzen immer weniger verschließen. Über den Einsatz der Bundeswehr etwa bei afrikanischen Konflikten denkt Verteidigungsminister Peter Struck schon seit eineinhalb Jahren laut nach. Hierbei geht es nicht um Invasionen, sondern um "Peace Keeping" und "Peace Enforcement", also Missionen, die bei Staatszerfall Recht und Ordnung wieder herstellen und Konfliktparteien trennen. Was dies heißt, sehen wir im Falle von Bosnien und Kosovo: nämlich eine langfristige Stationierung. Aber auch die in Chaos versinkenden afrikanischen Staaten, wo es immer wieder zu Völkermord kommt, können nicht sich selbst überlassen bleiben. Sonst werden wir eines Tages mit einem Problem konfrontiert, das 1966 schon der Club of Rome vorhergesagt hat: dem Migrationsdruck der Armen, die ebenfalls am Topf der Reichen sitzen wollen. Die steigende Zahl der Asylbewerber aus Afrika bereitet jetzt schon Innenminister Schily derartiges Kopfzerbrechen, dass er am liebsten Auffanglager in Nordafrika einrichten möchte. Solche Lösungen sind nur symptombezogen. Es gilt, eine langfristige Strategie zu entwickeln, die die Ursachen bekämpft. Dafür reicht die bisherige Entwicklungshilfepolitik nicht aus.
Eine weitere Priorität deutscher Außenpolitik bleibt die Erhaltung der transatlantischen Partnerschaft mit den USA und Kanada. Zwar hat sich die deutsche Außenpolitik vor der Irak-Invasion im Februar 2003 gegenüber den USA neu positioniert und durchgesetzt. Dies hat ihr Prestigegewinn eingebracht. Es bleibt die Frage, welches Konzept die Bundesregierung auf die neuen Herausforderungen der USA hat und wie sich Deutschland gegenüber den Vereinigten Staaten neu positionieren will, insbesondere was die Zusammenarbeit in der NATO angeht. Diese ist zwar schon mehrfach für tot erklärt worden. Doch der Schutz des deutschen Luftraums ist ohne amerikanische Aufklärer- und Fliegerstaffeln eine Illusion. Eine bestimmte amerikanische Militärpräsenz in Europa ist für dessen Sicherheit unumgänglich, sonst wäre die Bundesregierung ohne "Augen und Ohren". Dies hat Außenminister Joschka Fischer in den vergangenen Jahren stets bei seinen Besuchen in Washington betont. Dennoch fühlt hat die Bush-Regierung mit dem Abzug amerikanischer Divisionen aus Deutschland begonnen und dürfte sich von Berlin eher entfernen, wenn die Bundesregierung den Eindruck erweckt, die Irak-Frage über gute Beziehungen zu den USA zu stellen.
Richtig ist, dass die NATO ihrer alten Aufgabenstellung als Gegengewicht zur Sowjetunion seit mehr als 13 Jahren entledigt ist. Es bleibt die Frage, ob die Mitgliedsstaaten nicht darüber nachdenken sollten, wie die Nato weiterzuentwickeln ist. Im Februar werden sich die Vertreter aller NATO-Staaten inklusive Präsident Bush in Brüssel treffen, um darüber zu beraten. Es wird darum gehen, das bisherigen Militärbündnis um die Komponente der "zivilen Wertegemeinschaft" zu erweitern, aber auch, integrierte NATO-Stäbe in den Irak zu verlegen. Wie wird sich die Bundesregierung gegenüber solchem Ansinnen verhalten? In den USA gibt es zum Beispiel Überlegungen, den Irak nach der Wahl am 20. Januar als Mitglied ins Bündnis zu holen.
Auch eine Ausweitung der Handlungsfähigkeit der EU ist im größten Interesse Deutschlands. Schließlich wird ein immer größerer Teil der nationalen Außenpolitik über die EU geleistet, wie kürzlich durch deren heimlichen Außenminister Javier Solana, offiziell Hoher Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der EU genannt. Zwar ist die EU bisher in erster Linie eine Wirtschafts- und Demokratiewertegemeinschaft. Mit der Umwandlung der SFOR-Truppe zur EUFOR-Truppe in Bosnien hat die EU einen ersten Schritt zur Stärkung der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP) vollzogen. Damit ist die EU zu einer Militärmacht innerhalb der NATO aufgestiegen, wenn auch noch in Kinderschuhen.
Eine zentrale Rolle der deutschen Außenpolitik spielt zudem das bilaterale deutsch-französische Verhältnis. Kritiker bemängeln, Deutschland habe sich ohne Alternative an den Rockzipfel Frankreichs gehängt und sei nun auf Gedeih und Verderben an die dessen Außenpolitik gekoppelt. Dem ist entgegenzuhalten: Welche Alternativen hat Berlin denn? Schließlich hat Präsident Bush die Doktrin ausgegeben, wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Solch einer Politik kann man nicht blind folgen, ohne verantwortungslos zu handeln. Andererseits haben die Franzosen mehrfach deutsche Leitideen zur Europapolitik blockiert, so dass tatsächlich eine Neupositionierung der deutschen Außenpolitik gegenüber dem Hauptpartner innerhalb der EU erfolgen muss. Immerhin hat die amerikanisch geführte Irak-Invasion Europa bereits vorrübergehend in ein "Altes" und "Neues" gespalten. Auf solche Herausforderungen muss eine Antwort gefunden werden, da davon auszugehen ist, dass während der zweiten Amtszeit von Präsident Bush ein erneuter Spaltungsversuch Europas erfolgen wird. Als Präventivmaßnahme ist zu überlegen, wie unter den gegebenen Umständen die zukünftige Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten laufen soll. Schließlich sind auch für die Amerikaner die Besonderheiten der deutsch-amerikanischen Beziehungen hinfällig geworden, seitdem Deutschland kein Frontstaat mehr zum Osten ist.
Dem Westen muss klar sein, dass er in seiner Gesamtheit herausgefordert ist: von den Islamisten, von den Armen der Dritten Welt, von Nord-Korea, möglicherweise langfristig auch von China, das mit seinen Milliarden Menschen und instabilen Verhältnissen eines Tages außer Kontrolle geraten und die Welt erschüttern könnte. Wir erleben derzeit einen weltweiten Destabilisierungsprozess. Deshalb wäre ein Schulterschluss zwischen den zwei Ordnungsmächten USA und EU empfehlenswert. Letztlich würde diese Zusammenarbeit mit den USA der Stärkung Europas dienen, nicht seiner Schwächung.
Ein alter Spruch besagt: "Foreign Policy begins at home: Außenpolitik beginnt zu Hause." Einst konnte sich Deutschland auch in der Außenpolitik stolz auf seine Wirtschaftsmacht berufen, doch der Staat von heute ist nicht mehr in der Lage, die Lokomotive Europas zu sein. Die Konsequenz daraus ist, dass man sich vieles Wünschenswerte nicht leisten kann. Dazu zählt die deutsche Kulturpolitik im Ausland. Dennoch bewerten 60 Prozent der Deutschen die Außenpolitik ihres Landes positiv.
Als die UNO 1945 in San Francisco offiziell ins Leben gerufen wurde, trat als Doyen der Staatenversammlung der südafrikanische Premier Jan Christian Smuts in den Vordergrund. Der erfahrene Commonwealth-Vertreter, ein hochdekorierter und stets um Ausgleich bemühter Diplomat und britischer Feldmarschall war mit seinen 75 Jahren eine lebende Legende. Deshalb wurde er in San Francisco zum Präsidenten der UN-Generalversammlung gewählt. Die Präambel zur UN-Charta ist sein Werk. Er versuchte, darin der legalistischen Charta menschliche Wärme einzuhauchen, und mahnte auf der von Euphorie gekennzeichneten Gründungsversammlung, dass noch so detailliert ausgearbeitete Artikel der UN-Satzung nicht imstande sein könnten, Kriege zu verhindern, sofern auf das Irrationale im Menschen nicht eine andere Antwort gegeben werde, die sich aus dem Glauben an höhere Werte schöpfe. "Diese Aufgabe liegt jenseits des Bereichs dieser Konferenz und muss anderen Händen überlassen werden", schrieb er, "aber sie kann nicht auf unbestimmte Zeit verschoben werden".