Die Rolle der Grünen auf dem Arbeitsmarkt
Die Grünen haben in der Arbeitsmarktpolitik oft eine undankbare Rolle: Geht es um die großen Themen oder gar den Jobgipfel zwischen SPD und CDU/CSU, dürfen sie bestenfalls Zuschauer spielen und anschließend Beifall spenden. Gleichzeitig müssen sie als wirtschaftsnahe Seele der Koalition immer wieder die Wogen glätten, wenn Sozialdemokraten und Gewerkschaften die Industrielobby vor den Kopf gestoßen haben.
Dennoch scheinen die Grünen selbst mit Joschka Fischer als Frontmann und Vizekanzler im Kanzleramt aber nicht wirklich durchzudringen. Allein für den Jobgipfel hatten Parteirat und Fraktion ein halbes Dutzend Forderungspapiere geschrieben - gebracht hat es kaum etwas. Mitunter kommen die arbeitsmarktpolitischen Bemühungen nicht mal bei der Wirtschaft an: "Eine grüne Handschrift innerhalb der Koalition ist für uns derzeit nicht erkennbar", sagt ein Arbeitsmarktexperte der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände (BDA).
Die Grünen haben es auch deshalb bei dem Thema schwer, weil ihre Wählerklientel traditionell kaum aus der Gewerkschaftsecke kommt - damit war die eigene Profilierung über die Arbeitsmarktpolitik nie wirklich notwendig. Das hat sich seit den dramatisch gestiegenen Arbeitslosenzahlen geändert. Zuletzt legten die Grünen bei ihrer Fachtagung "Zukunft der Arbeit. Wie weiter nach Hartz?" im März seitenweise Reformvorschläge vor. Beim Thema Mitbestimmung in Aufsichtsräten etwa wollen die Grünen eine klare Trennung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat. Außerdem soll die Zahl der Aufsichtsratsmandate, die ein einzelner übernehmen darf, von derzeit zehn auf fünf reduziert werden; die Zahl der Aufsichtsräte in Aktiengesellschaften mit mehr als 1,5 Millionen Euro Grundkapital soll generell auf elf begrenzt werden. Bei der betrieblichen Mitbestimmung, beim Kündigungsschutz oder bei der Debatte um längere Arbeitszeiten warnt die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Fraktion, Thea Dückert, vor den Aufweichungsversuchen durch Union und FDP. Niemals würden die Grünen nach außen die Tarifautonomie in Frage stellen, intern gibt es aber durchaus großzügige Vorstellungen für Öffnungsklauseln. Und bei ihrer Forderung nach höheren Zuverdienstmöglichkeiten für Arbeitslosengeld-II-Empfänger begeben sich die Grünen fast in FDP-Nähe, obwohl dort gerade nachgebessert wurde. "Die Zuverdienstmöglichkeiten sollten so ausgeweitet werden, dass in allen Einkommensbereichen ein echter Anreiz zur Aufnahme von Arbeit besteht", sagt Dückert. "Ziel muss sein: mindestens jeder zweite Euro bis 400 Euro anrechnungsfrei."
Insgesamt mischen die Grünen durchaus auf allen arbeitsmarktpolitischen Feldern mit, auch wenn sie vom großen Koalitionspartner SPD nicht immer ernst genommen werden. Dabei entwickeln sie mit Konzepten wie Lebensarbeitszeit-Konten oder einer Stiftung Betriebliche Bildungschance (StiBB) Perspektiven über das übliche Tarifpartei-Geplänkel hinaus. Und sie punkten mittlerweile nicht nur bei ihrer klassischen Wählerklientel mit ihren Vorschlägen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf - etwa durch eine Ausweitung der Teilzeit, die Förderung von familienfreundlichen Unternehmen oder die Beseitigung von Fehlanreizen im Steuersystem für erwerbstätige Ehefrauen. Mit ihren Ideen mangelt es den Grünen oft an Durchsetzungschancen, mitunter fehlt es an Geschick im öffentlichen Auftritt. Aber ohne ihre ungeliebte Rolle als Wirtschaftsliberalos und kreative Reformer in einer sozialdemokratisch dominierten Koalition würde der Arbeitsmarktdebatte einiges fehlen.
Eva Haacke ist Korrespondentin im Berliner Büro der
"Wirtschaftswoche".