Streit um Europäische Subventionen für Schweizer Landbesitzer
Das aufrührerische Flair auf der Straße pflegen staatstragende Ministerpersönlichkeiten gemeinhin eher zu meiden. In Waldshut lassen es sich indes Peter Hauk (CDU), Chef des baden-württembergischen Agrarressorts, und FDP-Wirtschaftsminister Ernst Pfister nicht nehmen, sich unter 500 demonstrierende Landwirte zu mischen: Die südbadischen Bauern protestieren gegen den zunehmenden Landkauf auf der hiesigen Hochrheinseite durch betuchte Schweizer Berufskollegen und vor allem gegen die finanzielle Förderung der von Eidgenossen auf deutschem Terrain bewirtschafteten Flächen aus EU-Töpfen. Zwischen Transparenten, Traktoren und lodernden Fackeln blasen bei einer Kundgebung auch Hauk und Pfister in dieses Horn. Der CDU-Politiker fordert, keine EU-Beihilfen an Schweizer Bauern zu zahlen, "Wettbewerbsverzerrungen im Grenzgebiet" müssten beseitigt werden. Einen "Riesennachteil für die Agrarstruktur" kritisiert Pfister. "Es brennt", warnt Eberhard Graunke als Vertreter des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), der Interessenorganisation der Bauern: "Wir fühlen uns von Brüssel und Berlin im Stich gelassen."
Angesichts des Streits um Verfassung, Etat und Erweiterung zählt der "Bauernkrieg" am Hochrhein gewiss nicht zu den Top-Themen auf EU-Ebene. Aber dieses Beispiel zeigt, wie vor Ort Verdruss über die Brüsseler Politik entsteht. Hauk will jedenfalls bei Kommission und Ministerrat Dampf machen: Die Stuttgarter Regierung verlangt, dass Subventionen künftig nur noch an Landwirte fließen, die ihren Betriebssitz auf EU-Territorium haben. Nach bisherigem Recht werden Prämien schon dann gewährt, wenn Äcker und Wiesen innerhalb der EU bewirtschaftet werden - und zwar auch dann, wenn der betreffende Bauer jenseits der Grenzen beheimatet ist. Eine gute Stange Geld steht auf dem Spiel: Die 120 Eidgenossen, die für 1.700 Hektar am deutschen Hochrhein ihre Förderanträge eingereicht haben, werden jährlich rund 500.000 Euro erhalten.
Die Treckerumzüge, Fackelmärsche und Versammlungen, bei denen die südbadischen Landwirte ihrem Zorn über die "Landnahme" durch Schweizer "Raubritter" Luft machen, sind fast nicht mehr zu zählen. Besonders Viehzüchter mit Milchkühen sind sauer, weil Eidgenossen mit vielen Franken auf hiesigem Terrain zu hohen Preisen Grundstücke erwerben oder pachten und so Entwicklungsmöglichkeiten deutscher Hofbesitzer beschneiden. Rund 3.500 Hektar werden bereits von Schweizern bearbeitet, allein bei Tengen gegenüber von Schaffhausen sind es 700 Hektar. Die Finanzkraft der Eidgenossen, die den Badenern dringend benötigte Felder wegschnappen, kommt nicht von ungefähr. In heimischen Gefilden erzielen die bestens subventionierten Schweizer Landwirte hohe Preise für ihre Waren, die deutlich über dem Niveau hierzulande liegen. Produkte, die sie in Südbaden erzeugen, transportieren sie zollfrei nach Hause. Deutsche Bauern müssen beim Export nach Süden hingegen Zölle berappen. Der BLHV klagt deshalb über massive Wettbewerbsverzerrungen, die auch Minister Hauk als "eklatant" bezeichnet. Für Alt-Grundstücke diesseits des Hochrheins aus der Zeit vor 1984 überweist Bern eidgenössischen Bauern sogar 600 Franken je Hektar an Fördermitteln.
Inzwischen konnten die badischen Landwirte wenigstens einen Teilerfolg verbuchen. Nach langem Hin und Her zwischen Stuttgart und Berlin verabschiedete jetzt der Bundestag ein Rahmengesetz, das Behörden bei Ungleichgewichten auf örtlichen Grundstücksmärkten Eingriffe erlaubt ( 15/5613). Für Baden-Württemberg will die dortige Regierung diese Möglichkeit in einem Landesgesetz konkretisieren: Danach sollen die Verkaufs- wie Pachtpreise für Äcker und Weiden höchstens 20 Prozent über dem lokalen Durchschnittswert rangieren dürfen. Bislang blätterten Schweizer schon mal einen Aufschlag von 50 Prozent hin, Einheimische vermochten da nicht mitzuhalten. Minister Hauks Sprecher Matthias Wolf kündigt zudem ein Vorkaufsrecht für hiesige Bauern an.
Ungelöst bleibt aber das Problem der EU-Subventionen. Wegen dieser Prämien für die Eidgenossen gerate die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Grenzlandwirte "in eine noch extremere Schieflage", wettert BLHV-Präsident Werner Räpple. Auch die Berliner Agrarministerin Renate Künast meint, diese Beihilfen für die Schweizer seien "kaum zu rechtfertigen". Die Bemühungen der grünen Politikerin, diese Regelung in Brüssel zu kippen, blieben jedoch bislang erfolglos.
Der neue baden-württembergische Minister Hauk will nun mit Unterstützung des Bauernverbands in Brüssel mit mehr Druck durchsetzen, dass die Zuschüsse von 300 Euro je Hektar nur noch Landwirten mit Betriebssitz innerhalb der EU gewährt werden. Die Brüsseler Subventionen hätten schließlich das Ziel, Wettbewerbsnachteile auszugleichen. Den Schweizer Bauern würden die EU-Prämien jedoch zusätzliche Vorteile verschaffen. Der südbadische CDU-Europaabgeordnete Karl von Wogau will diesen Konflikt auch im Straßburger Parlament zur Sprache bringen. Allerdings ist die Hürde für eine Reform hoch: Das EU-Recht selbst müsste geändert werden. Und dazu ist ein Beschluss im zuständigen Ministerrat vonnöten.
Eines immerhin ist mittlerweile sichergestellt: Die Grenzpendler unter den eidenössischen Landwirten erhalten wenigstens keine Doppelförderung aus Berner und Brüsseler Töpfen. Sofern diese Bauern für Alt-Grundstücke am badischen Hochrhein 600 Franken je Hektar aus dem Schweizer Staatssäckel bekommen, will das Berner Agrarministerium diese Beihilfen um die EU-Prämien von 300 Euro kürzen. Für BLHV-Sprecher Graunke ist diese Verrechnung ein "Treppenwitz": Auf diese Weise alimentiere letztlich der EU-Steuerzahler die eidgenössischen Landwirte. Europa ist eine vertrackte Sache.