"Deutschland - Wie wir es sehen": eine Ausstellung im Paul-Löbe-Haus
Wie schön doch so ein Wärmekraftwerk sein kann! Die meisten Menschen würden einen anderen Blick aus ihrem Wohnzimmerfenster bevorzugen. Aber Olga Serdetschna ist begeistert: "Ist das nicht ein herrlicher Blick?" Ihre Entzückung über diese - ihre - Lichtenberger Stadtansicht scheint keine Grenzen zu kennen. Und tatsächlich: Im untergehenden Sonnenlicht wirkt selbst ein rauchender Schornstein nicht mehr trist. "Es sieht genauso aus, wie unsere Bergwerke zu Hause. Es macht keinen Unterschied", erklärt sie lachend das Motiv. Nur logisch ist es da, dass sie diesen Blick auf einem Foto eingefangen hat. Nicht selbstverständlich ist es aber, dass das Foto nun großformatig im Foyer des Paul-Löbe-Hauses hängt. Möglich gemacht hat es die junge Ukrainerin selbst.
Seit März nimmt die 26-Jährige am Internationalen Parlamentspraktikum (IPP) des Bundestages teil. Damit nach fünf Monaten, so lange dauert das Programm, nicht einfach so Schluss ist, hat sie eine Fotoausstellung organisiert, die am 28. Juni eröffnet wurde. Unter dem Motto "Deutschland - Wie wir es sehen" präsentieren sich die Teilnehmer des diesjährigen Praktikumsprogramms mit einer sehr differenzierten Sicht auf das Land. "Wir wollten Spuren hinterlassen", sagt Olga Serdetschna. Und der Unionsabgeordnete Wolfgang Börnsen, der das Programm leitend koordiniert, sprach zur Eröffnung der Ausstelllung von einem "tollen Abschiedsgeschenk". Überhaupt war er des Lobes voll für die 100 Praktikanten: "Sie haben mit dazu beigetragen, dass wir neue Freunde in vielen Ländern gewonnen haben."
Der Kurator der Ausstellung, Andreas Rost, betonte, wie schwierig es gewesen sei, aus den über 1.000 Fotos eine Auswahl zu treffen. Übrig geblieben sind 54 Motive, denen man nicht unbedingt ansieht, dass sie von Amateurfotografen gemacht worden sind. Oder doch? "Amateur bedeutet Liebhaber und ist keineswegs ein abwertender Begriff", sagte Rost und fügte hinzu, genau das sehe man den Bildern an: "Oft sind uns die Dinge so bekannt, dass man nicht auf die Idee kommt, sie zu fotografieren. Aber die Praktikanten haben uns eine ganz neue, liebevolle Sicht auf die Dinge geliefert."
Ob nun Punks oder der Biertrinker vor einer Imbissbude, ob der Reichstag mit seinen russischen Inschriften oder Reste der Berliner Mauer, ob Ostseestrand oder Elbsandsteingebirge: All dies gehört für die jungen Hochschulabsolventen zu Deutschland.
Sie kommen aus Frankreich, den USA und zu großen Teilen aus Osteuropa und haben im Rahmen des IPP die Möglichkeit, das politisch-parlamentarische Leben der Bundesrepublik kennenzulernen. 1986 wurde das Programm zunächst für junge Akademiker aus den USA entwickelt. Heute sind es vor allem junge Osteuropäer, die die Chance nutzen. "Ich bin so unglaublich zufrieden, dass ich es gar nicht äußern an", sagt Olga Serdetschna strahlend. Als "sehr transparent" habe sie das politische Leben hier empfunden und - da kommen dann doch wieder einige "typische" Deutschlandbilder zum Vorschein - als "sehr perfekt". Aber nicht nur daher rührt ihre Begeisterung: "Wir haben uns alle ineinander verliebt. Jetzt habe ich neue Freunde in 21 Ländern gefunden. Ist das nicht phantastisch?" Politik muss nicht immer eine trockene, steife Angelegenheit sein.